Wie wir erdige Gerüche wahrnehmen
Der unverkennbare erdige Geruch nach einem Sommerregen stammt vom Duftstoff Geosmin.
Geosmin ist verantwortlich für den typischen Geruch, der entsteht, wenn Regen auf trockenen Boden fällt. Dieser Duftstoff wird unter anderem von Mikroorganismen im Boden produziert und kommt auch in Pflanzen wie Kakteen und Rote Bete vor.
Viele Lebewesen reagieren sehr empfindlich auf Geosmin, wobei der Geruchsstoff abstoßend oder anziehend wirken kann. So warnt er Fruchtfliegen vor verdorbener Nahrung. Kamele lockt er dagegen in wasserreiche Gebiete. „Das zeigt, dass Geosmin im Tierreich und sicher auch beim Menschen als chemischer Signalstoff fungiert“, erklärt Erstautorin Lena Ball vom Leibniz-Institut.
Geosmin kann Lebensmittelqualität beeinträchtigen
„Während der Geruch von Geosmin zu Rote Bete passt, ist sein Auftreten in Lebensmitteln wie Fisch, Bohnen, Kakao, Wasser, Wein oder Traubensaft problematisch. In diesen beeinträchtigt er die sensorische Qualität und Akzeptanz sehr stark“, erklärt Stephanie Frank, Lebensmittelchemikerin am Leibniz-Institut. Dabei reichen bereits geringste Konzentrationen von 4 bis 10 ng/L für einen Menschen aus, um den Geruch in Wasser wahrzunehmen. Das entspricht etwa einem Teelöffel Geosmin in der Wassermenge von 200 olympischen Schwimmbecken.
Obwohl Geosmin seit 1965 bekannt und für die Lebensmittelproduktion bedeutsam ist, war bisher unbekannt, mit welchem Geruchsrezeptor Menschen den Duftstoff wahrnehmen. Das Team um Studienleiter Dietmar Krautwurst hat nun ein bidirektionales Rezeptor-Screening durchgeführt und erstmals den entsprechenden Rezeptor identifiziert und funktionell charakterisiert.
Nur ein menschlicher Geruchsrezeptor für Geosmin
Von 616 überprüften menschlichen Geruchsrezeptorvarianten sprach nur der Rezeptor OR11A1 auf physiologisch relevante Konzentrationen des Duftstoffs an. Das Team untersuchte zudem, ob der identifizierte Rezeptor auf weitere lebensmittelrelevante Geruchsstoffe reagiert. Von 177 getesteten Substanzen konnte lediglich das erdig riechende 2-Ethylfenchol den Rezeptor signifikant aktivieren, das ebenfalls mikrobiellen Ursprungs ist.
„Da Geosmin ein wichtiger Signalstoff im Tierreich ist, haben wir darüber hinaus untersucht, wie diejenigen Geruchsrezeptoren von Kängururatte, Maus, Rhesusaffe, Sumatra-Orang-Utan, Eisbär und Kamel auf Geosmin reagieren, die mit dem menschlichen Rezeptor genetisch am nächsten verwandt sind. Wir wollten so erfahren, ob die hochselektive Erkennung von Geosmin durch den gleichen Rezeptor in 100 Millionen Jahren Säugetierevolution erhalten geblieben ist“, berichtet Doktorandin Lena Ball. Wie die vergleichenden Untersuchungen des Teams zeigen, gehört der menschliche Rezeptor zusammen mit den Affenrezeptoren zu den weniger empfindlichen Sensoren. So reagierte der Geruchsrezeptor der Kängururatte im Experiment etwa 100-mal empfindlicher auf Geosmin als der menschliche Rezeptor.
„Die neuen Erkenntnisse über die hochempfindlichen Geruchsrezeptoren einiger Tiere betonen einmal mehr die biologische Relevanz von Geosmin als Signalstoff. Zudem könnten sie dabei helfen, neuartige Detektionssysteme zu entwickeln, mit denen sich die Lebensmittelqualität bei der Produktion und Lagerung überwachen oder die Wasserqualität von Süßwasserreservoirs kontrollieren lässt“, fasst Dietmar Krautwurst abschließend zusammen.
Hintergrundinformationen
Menschliche Geruchsrezeptoren
Der Mensch besitzt insgesamt etwa 400 verschiedene Geruchsrezeptorgene, die wiederum etwa 600 verschiedene, allelische Rezeptorvarianten in der Nasenschleimhaut kodieren. Letztere sind für die Wahrnehmung und Unterscheidung verschiedener Gerüche verantwortlich. Es besteht jedoch noch Forschungsbedarf, um die genaue Anzahl und Funktion aller Rezeptorvarianten zu ermitteln. Gegenwärtig ist lediglich für etwa 20 Prozent der menschlichen Geruchsrezeptoren bekannt, welche Geruchsstoffe sie erkennen können.
Zum Screening verwendetes Testsystem
Das von den Leibniz-Forschenden entwickelte und für das Rezeptorscreening verwendete zelluläre Testsystem ist laut Dietmar Krautwurst weltweit einzigartig. Er und sein Team haben die Testzellen genetisch so verändert, dass sie wie kleine Biosensoren für Geruchsstoffe fungieren. Dabei legen die Forschenden genau fest, welche Geruchsrezeptorvariante die Testzellen auf ihrer Oberfläche präsentieren. Auf diese Weise können die Forschenden gezielt untersuchen, welcher Rezeptor wie stark auf welchen Geruchsstoff reagiert. Das Leibniz-Institut verfügt über umfangreiche Geruchsstoff- und Rezeptorsammlungen, die es für seine Forschungsarbeit nutzt.