Hyaluronsäure

Hyaluronsäure (nach neuerer Nomenklatur Hyaluronan, Abkürzung HA für engl. hyaluronic acid) ist ein Glycosaminoglycan, das einen wichtigen Bestandteil des Bindegewebes darstellt und auch eine Rolle bei der Zellproliferation, Zellmigration und Metastasenbildung bei einigen Krebserkrankungen spielt. Die Hyaluronsäure wurde erstmals in den 1930er Jahren von dem deutschen Mediziner Karl Meyer entdeckt. Der Begriff Hyaluronsäure setzt sich zusammen aus dem altgriechischen Wort ὕαλος hyalos, deutsch Glas und Uron, einer Abkürzung der Uronsäuren. Meyer hatte den Stoff bei Untersuchungen des Glaskörpers entdeckt.

Funktionen

Hyaluronsäure ist ein Bestandteil der extrazellulären Matrix (EZM oder ECM) von Wirbeltieren. Sie liegt in vielerlei Geweben als langkettiges, lineares Polysaccharid vor und erfüllt viele Funktionen, die auch auf ihren besonderen chemischen Eigenschaften beruhen, etwa der Eigenschaft, sehr viel Wasser zu binden. Nicht selten erreichen die einzelnen Ketten eine molare Masse von mehreren Millionen atomaren Masseneinheiten.

Mechanische Funktionen

Wasserspeicherung

Die Hyaluronsäure besitzt die Fähigkeit, relativ zu ihrer Masse sehr große Mengen an Wasser zu binden (bis zu sechs Liter Wasser pro Gramm). Der Glaskörper des menschlichen Auges z. B. besteht zu 98 Prozent aus Wasser, das an nur zwei Prozent Hyaluronsäure gebunden ist.

Druckbeständigkeit

Wasser ist kaum komprimierbar, und diese Eigenschaft bleibt auch in hyaluronsäurehaltigem Gewebe gültig, in dem sehr viel Wasser gebunden werden kann. Dies gilt allgemein für große Teile des Bindegewebes. Eine besondere Bedeutung hat diese Tatsache während der Embryonalentwicklung, wenn feste Strukturen noch nicht entwickelt sind. Ein weiteres bekanntes Beispiel ist der Nucleus pulposus, der Gallertkern der Bandscheiben, der deshalb große Teile des Körpergewichts tragen kann.

Schmiermittel

Die Hyaluronsäure ist Hauptbestandteil der Synovia (Gelenkflüssigkeit) und wirkt als Schmiermittel bei allen Gelenkbewegungen. Sie zeichnet sich hier zusätzlich durch strukturviskose Eigenschaften aus; ihre Viskosität verändert sich mit einwirkenden mechanischen Kräften, genauer: Sie nimmt ab, je stärker die Scherkräfte werden. Zudem ist sie zwar flüssig, aber durch ihre hochmolekulare Gestalt so viskos, dass sie nicht wie Wasser aus dem Gelenk herausgepresst wird. Durch chemische Wechselwirkungen und die äußere Form „haftet“ sie besonders gut am Knorpel des Gelenks.

Wirken nun im Anfang einer Bewegung, zum Beispiel im Kniegelenk bei Absprung oder beim Stehen, starke Druckkräfte auf ein Gelenk, knäueln sich die Moleküle zu Kugeln zusammen und hängen wie in einem Kugellager an der Knorpeloberfläche. Wenn aber eine schnelle Scherbewegung nötig ist, so zum Beispiel beim Lauf, wird die Zähigkeit der Hyaluronsäure wegen ihrer Strukturviskosität herabgesetzt und die Reibung verringert.

Freihalten von Wegen

Für wandernde Zellen hält die Hyaluronsäure die „Verkehrswege“ frei. Durch Erweiterung der Zellzwischenräume (Abstände zwischen den Zellen) wird die Migration (Wanderung) der Zellen unterstützt.

Biochemische Funktion

Während sich die bisher genannten Funktionen auf frei vorliegende Hyaluronsäure beziehen, ist sie auch an der Bildung weiterer, noch größerer Riesenmoleküle beteiligt, den Proteoglycanen. Insbesondere verknüpft sie bestimmte Proteoglycane (Aggrecan im hyalinen Knorpel) zu riesigen Proteoglycan-Aggregaten.

Funktion im Gehirn

Neben wichtiger Strukturfunktion im Gehirn konnte gezeigt werden, dass Hyaluronan den Wiederaufbau von Markscheiden um Axone (Remyelinisierung) beeinflussen kann. Eine weitere inhibitorische Funktion scheint vor allem bei der Multiplen Sklerose eine Rolle zu spielen.

Interaktion mit Rezeptoren

Eine Reihe von Zelloberflächenrezeptoren interagieren mit Hyaluronsäure und lösen bestimmte Reaktionen der Zelle aus, vor allem die Zellteilung und die Wanderung. In der Embryonalentwicklung sind diese Stimulationen notwendig, bei Kontakt mit Tumorzellen können sie allerdings auch entsprechend für den Organismus nachteilige Auswirkungen haben.

Antikarzinogene Wirkung bei Nacktmullen

Nacktmulle werden bis zu 30 Jahre alt und entwickeln praktisch keine Tumoren. Langkettige Hyaluronsäure ist als Ursache erkannt worden. Es wird angenommen, dass die Tiere diese zur Pflege ihrer Haut bilden sowie dass die krebsverhindernde Eigenschaft ein Nebeneffekt sei. Die normale, kürzere Version der Hyaluronsäure wird am Menschen angewendet und ist gut verträglich. Die langkettige ist nicht erprobt.

Chemischer Aufbau

Die Hyaluronsäure ist eine makromolekulare Kette aus Disacchariden, die wiederum aus je zwei Glucosederivaten bestehen: D-Glucuronsäure und N-Acetyl-D-glucosamin. Beide unterscheiden sich von der β-D-Glucose nur durch eine Substitution am sechsten beziehungsweise am zweiten Kohlenstoffatom. Im Disaccharid wird die Glucuronsäure glycosidisch β(1→3) an das N-Acetyl-D-glucosamin geknüpft, das wiederum mit der nächsten Glucuronsäure in der polymeren Kette glycosidisch β(1→4) verbunden ist. Eine Kette besteht typischerweise aus 250 bis 50.000 Disaccharideinheiten.

In neutraler wässriger Lösung bilden sich Wasserstoffbrückenbindungen hauptsächlich zwischen den Carboxyl- und den N-Acetylgruppen aus.

Biosynthese

Im Gegensatz zu allen anderen Glycosaminoglycanen wird die Hyaluronsäure nicht im endoplasmatischen Retikulum oder Golgi-Apparat zusammengesetzt, sondern von integralen Membranproteinen. Von diesen HA-Synthasen besitzen Wirbeltiere drei Typen: HAS1, HAS2 und HAS3. Diese Enzyme übertragen in der Zelle die wachsende Kette auf immer neue Monosaccharidbausteine, die so immer länger wird und durch ABC-Transporter durch die Membran aus der Zelle heraustransportiert wird. Dies gilt nicht für alle HA-Synthasen.

Einsatz in der Humanmedizin

Wissenschaftliche Belege, dass Hyaluronsäure-Präparate den Knorpel wiederaufbauen könnten, gibt es nicht. Spritzen mit Hyaluronsäure wirkten in den aussagekräftigsten Studien nicht besser als ein Placebo (Spritzen mit Kochsalz). Medizinisch verwendet wird das Natrium-Salz der Hyaluronsäure (Natriumhyaluronat oder Sodium Hyaluronate). Hyaluronsäure wird aus tierischem Ausgangsmaterial (z. B. Hahnenkamm) oder biotechnologisch aus Streptokokken-Kulturen gewonnen. Eine spezielle Modifikation stellen stabilisierte Hyaluronsäuren – beispielsweise mittels der sogenannten NASHA-Technologie (NASHA steht für „Nicht-animalische stabilisierte Hyaluronsäure“) – dar, die je nach Hersteller zwischen weniger als ein Prozent und bis zu ca. 20 bis 30 Prozent verändert werden. Für die Haltbarkeit der Produkte spielt der Prozentsatz der Stabilisierung keine große Rolle, wichtig ist die Art der Stabilisierung. Bei aus Hahnenkämmen gewonnenen Hyaluronsäureprodukten kann es zu allergischen Reaktionen kommen, wenn eine Allergie gegen Vogelproteine besteht.

In der Biochemie wird Hyaluronsäure als Wachstumsgrundlage beim Tissue Engineering verwendet. Durch die kovalente Bindung von Thiolgruppen an Hyaluronsäure entstehen Thiomere, die sich durch die Ausbildung von Disulfidbrücken quervernetzen und dadurch eine höhere Stabilität der Wachstumsgrundlage für Zellen bieten. Zudem können Zellen über die Ausbildung von Disulfidbrücken mit thiolisierter Hyaluronsäure verbessert an dieser anhaften.

Einsatz in der Kosmetik

Hyaluronsäure wird in Kosmetika eingesetzt. Da die Hyaluronsäure in voller Größe jedoch nur wenig von der Haut aufgenommen wird, können Abbaufragmente von Hyaluronsäure eingesetzt werden. Diese HAF genannten Bestandteile besitzen ein geringeres molekulares Gewicht (z. B. 50 oder 130 Kilodalton), wodurch die einzelnen Fragmente leichter in die Haut eindringen können.

Handelsnamen

Monopräparate

KD Intra-Articular Gel (D), Curavisc (D), Durolane (CH), RenehaVis (D), Fermavisc (CH), Hyalart (D), Hyalubrix (D), Hyalur (CH), HYGAG (D), Ial (CH), Ialugen (CH), Lacri-Vision (CH), Lacrycon (CH), Laservis (CH), Ostenil (D, CH), Recosyn (D), Rhinogen (CH), Sinovial (CH), Suplasyn (D, CH), Synvisc (D, CH), Unike-Injekt (D), Viscontour (D), Viscoseal (CH), Hylo-Vision (D), Visiol (CH), Vislube (CH), Vismed (CH), Xidan (D), zahlreiche Generika (D, CH)

Kombinationspräparate

Alphastria (CH), Ialugen Plus (CH, mit Silbersulfadiazin), Hyalofemme (D)

Strukturformel

Disaccharid-Wiederholungseinheit der Hyaluronsäure (-4GlcUAβ1-3GlcNAcβ1-)n
Allgemeines
NameHyaluronsäure
Andere Namen
  • Hyaluronan
  • HYALURONIC ACID (INCI)
CAS-Nummer
  • 9004-61-9
  • 31799-91-4 (Kaliumsalz)
  • 9067-32-7 (Natriumsalz)
MonomereD-Glucuronsäure und N-Acetyl-D-glucosamin
Summenformel der WiederholeinheitC14H21O11N
Molare Masse der Wiederholeinheit379,32 g·mol−1
ATC-Code

B06AA03, D03AX05, M09AX01, R01AX09, S01KA01, S01KA51

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Filmbildner

Eigenschaften
Aggregatzustand

fest

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine GHS-Piktogramme
H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.