Agrar-Innovationen: Von erfolgreichen Ideen lernen
Bildquelle: Universität Hohenheim, Andrea Knierim
Quinoa-Anbau in den Niederlanden, GPS-gestützte Weidehaltung im Baskenland, traditionelle Weizen-Sorten in Italien – manche Initiativen sind Musterbeispiele für erfolgreich umgesetzte Innovationen. Daraus wollen Wissenschaftler der Universität Hohenheim und ihre 14 europäischen Projektpartner nun lernen. Anhand von Fallbeispielen aus der Praxis suchen sie nach den Gründen für gutes Gelingen – und für ein Scheitern. Die EU fördert das Projekt mit insgesamt fast zwei Mio. Euro. An der Universität Hohenheim ist es mit einer Fördersumme von 183.000 Euro ein Schwergewicht der Forschung.
Innovative Ideen können auch in der Landwirtschaft ein Schlüssel zum Unternehmenserfolg sein. Doch nicht jeder gute Ansatz schafft den Durchbruch. Was genau den Innovationsprozess fördert oder hemmt, wollen nun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hohenheim gemeinsam mit 14 Partnern aus Forschung und Praxis in ganz Europa untersuchen.
„Wir betrachten dazu Fallbeispiele von Innovationen in 12 Regionen Europas und analysieren, was warum gelungen ist“, erklärt die Agrarsoziologin Prof. Dr. Andrea Knierim vom Fachgebiet Ländliche Soziologie der Universität Hohenheim. „Auf diese Weise wollen wir die Faktoren identifizieren, die im Innovationsprozess förderlich oder hinderlich sind.“
Lernen am Fallbeispiel
Damit ein Fallbeispiel im Projekt aufgenommen wird, muss es bestimmte Voraussetzungen erfüllen: „Der Innovationsprozess muss schon eine Weile erfolgreich praktiziert werden, es müssen mehrere Akteure beteiligt sein und natürlich muss er im Bereich Landwirtschaft angesiedelt sein“, legt Prof. Dr. Knierim dar.
Zahlreiche Ideen aus 12 Ländern – von Spanien bis Lettland, von Irland bis Rumänien – fließen nun in die Untersuchung ein. „Es gibt kein Muster-Fallbeispiel“, so die Expertin. „Die Ansätze sind äußerst vielfältig und umfassen unterschiedliche Aspekte wie etwa Bioanbau, Tierwohl, Umweltschutz oder soziale Inklusion.“
Prof. Dr. Knierim schildert exemplarisch zwei Beispiele aus den Niederlanden.
Fallbeispiel 1: Alternative Schweinehaltung
Auch in den Niederlanden müssen sich Schweinehalter nicht nur am Markt bewähren, sondern zunehmend auch die Wünsche der Bevölkerung an das Tierwohl berücksichtigen. In den Dörfern selbst sieht die Bevölkerung die intensive Schweinehaltung immer kritischer.
Schweinehalterin Marijke Nooijen hat daher, nach intensiven Gesprächen mit Kunden und Nachbarn, eine kombinierte Freilandhaltung für die Tiere entwickelt. „Um den notwendigen Preis zu erzielen, hat sie unter dem Konzeptnamen Vair Varkenshuis ein neues Vermarktungssystem aufgebaut: Das Fleisch vermarktet sie nun direkt in die Stadt und an Michelin Restaurants“, erklärt Prof. Dr. Knierim.
Fallbeispiel 2: Quinoa-Produktion in den Niederlanden
Auf der Suche nach alternativen Proteinquellen für die Tierhaltung hat Landwirt Rens Kuijten das südamerikanische Quinoa entdeckt. Dessen Anbau erwies sich in den Niederlanden aber als nicht sehr ertragreich. Landwirt Kuijten ließ sich davon nicht abschrecken. Er stellte fest, dass es im Lebensmittelbereich einen Markt für das proteinreiche Getreide gibt.
„Heute managt er mit der „Dutch Quinoa Group“ ein ganzes Netzwerk von Landwirten und hat andere Landwirte unter Vertrag. Im Jahr 2014 bauten in den Niederlanden 13 Betriebe auf insgesamt 33 Hektar Quinoa an“, berichtet die Expertin.
Ergebnisse sollen Praxis unterstützen
Diese und andere Fallbeispiele wollen die Forscher und ihre Partner nun qualitativ und – falls eine einheitliche Datenerhebung möglich ist – auch quantitativ analysieren. Reflexionsworkshops aller 15 Kooperationspartner sind für Dezember 2016, Januar und März 2017 geplant.
„Am Ende wollen wir konkrete Empfehlungen formulieren für alle Netzwerk-Akteure und darüber hinaus“, erklärt Prof. Dr. Knierim. „Videomaterialien und ein Handbuch zum Beispiel sollen die Arbeit von Beratung und Innovationsförderung unterstützen – also all derjenigen, die an der Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis sitzen.“
Damit trägt dieses Projekt auch zur Europäischen Innovationspartnerschaft AGRI bei, einer Maßnahme der Europäischen Kommission, um Innovationen in der Landwirtschaft zu fördern.
Hintergrund: Projekt AgriSpin
AgriSpin ist das Kurzwort für den Projekttitel “Space for innovations in Agriculture“. Die EU fördert das Vorhaben im Rahmenprogramm Horizont 2020 mit einer Fördersumme von insgesamt 1.994.307 Euro, wovon 183.000 Euro auf die Universität Hohenheim entfallen. Die 15 Projektpartner aus 14 europäischen Ländern nahmen am 1.3.2015 die Arbeit auf, die am 31.8.2017 abgeschlossen sein soll. Dem dänischen SEGES (tidligere Videncentret for Landbrug) obliegt die Koordination des Projektes. Homepage: http://agrispin.eu
Hintergrund: Schwergewichte der Forschung
31,2 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Wissenschaftler der Universität Hohenheim 2015 für Forschung und Lehre. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem finanziellen Volumen von mindestens 250.000 Euro bei den Experimental- bzw. 125.000 Euro bei den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften.