Nachweis von Knochenpartikeln in Brühwursterzeugnissen
Ein Bericht aus unserem Laboralltag
CVUA Stuttgart
Histologische Untersuchungen des CVUA Stuttgart
Das CVUA Stuttgart unterzieht Fleischerzeugnisse stichprobenweise neben der mikrobiologischen und sensorischen auch der histologischen Untersuchung. Für die Histologie werden dünne gefärbte Schnitte unter dem Mikroskop betrachtet. Die verschiedenen Gewebe werden anhand ihrer charakteristischen Struktur und Anfärbbarkeit identifiziert, qualitativ und quantitativ ausgewertet. In einer wissenschaftlichen Studie zum Vergleich zweier histologischer Methoden [1] sollte herausgefunden werden, welche Methode besser geeignet ist, Gewebe, die in geringerer Menge und kleiner Partikelgröße im Fleischerzeugnis vorhanden sein können, quantitativ zu erfassen. Ausgesprochen zeitaufwendig sind beide. Dafür wurden Brühwursterzeugnisse aus oder mit Geflügelfleisch, die mit der Auslobung „halal“ oder als türkische Spezialität gekennzeichnet und dem preisgünstigen Segment zuzurechnen waren, gezielt ausgewählt. Bei diesen Produkten ist zu erwarten, dass bei der Herstellung auch sehr preisgünstige Zutaten verwendet wurden.
Knochenpartikel in Brühwurst – Untersuchungsergebnisse
In allen für die Studie gezielt ausgewählten 23 Proben von Brühwursterzeugnissen aus oder mit Geflügelfleisch wurden histologisch auffällig viele Knochenpartikel nachgewiesen. Der Nachweis von Knochenpartikeln ist als Hinweis auf die Verarbeitung von Separatorenfleisch zu werten. Die Zutat „Separatorenfleisch“ war jedoch nur bei sieben dieser Proben aufgeführt. Bei allen anderen besteht der dringende Verdacht: Hier wurde zwar Separatorenfleisch verarbeitet jedoch nicht deklariert! In der Tabelle sind die untersuchten Proben und die histologischen Untersuchungsergebnisse im Einzelnen aufgeführt, die Fotos zeigen einige der histologischen Präparate dieser Proben.
Infokasten: Separatorenfleisch
Nach Definition im EU-Recht (VO (EG) Nr. 853/2004 Anh. I Nr. 1.14 [2]) wird Separatorenfleisch durch maschinelles Ablösen des Restfleisches von Knochen nach dem Entbeinen oder des an Geflügelschlachtkörpern anhaftenden Restfleisches gewonnen. Die Struktur der Muskelfasern wird bei der Separation verändert.
Bezeichnung | Knochenpartikel pro cm2 | Knochenpartikel in Vol.-% | Separatorenfleisch gekennzeichnet |
---|---|---|---|
Tavuk Salam Hühnerwurst |
1,88 |
1,0 |
nein |
Tavuk Salam Hühnerwurst |
2,1 |
0,33 |
nein |
Geflügel Knack Sosis |
1,26 |
0,37 |
nein |
Sigir Sosis Hähnchen-Separatoren-Fleischwürstchen |
4,41 |
1,25 |
ja |
Tavuk Salam Hähnchenfleischwurst |
0,93 |
0,13 |
nein |
Pinoki Canim Sosis Putenwiener |
0,37 |
0,13 |
nein |
Geflügelwiener |
1,36 |
0,25 |
nein |
Destan Cizgara Sosis Hühnerbratwurst mit Putenfleisch |
1,22 |
0,13 |
ja |
Baktat Geflügelbratwurst |
1,45 |
0,25 |
nein |
Tavuk Sosis Hühnerwürstchen |
4,2 |
0,25 |
ja |
Geflügel Fleischwurst |
0,15 |
0,14 |
ja |
Tavuk Sosis Hühnerwürstchen |
2,24 |
0,6 |
nein |
Hühnerwurst mit Rindfleisch |
2,93 |
0,13 |
nein |
Geflügelbratwurst |
0,39 |
0 |
nein |
Sigir Salam Rinderwurst mit Hühnerfleisch |
0,88 |
0,13 |
nein |
Hendi Salam Hühnerwurst mit Putenfleisch |
4,09 |
0,75 |
nein |
Hühnerextrawurst |
0,25 |
0,13 |
ja |
Pinoki Mini Sosis Geflügelwiener |
1,88 |
0,38 |
nein |
Tavuk Sosis Hühnerwürstchen mit Separatorenfleisch |
1,44 |
0 |
ja |
Hühnerwurst mit Rindfleisch |
0,2 |
0,13 |
nein |
Destan Hühnerwurst mit Stärke |
2,84 |
0,25 |
nein |
Hähnchenwürste mit Separatorenfleisch |
4,71 |
0,5 |
ja |
Geflügelwürstchen |
1,25 |
0,13 |
nein |
Knochenpartikel in Brühwurst – Rechtsvorschriften und Beurteilung
Nach traditioneller Rezeptur entsprechend der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse [3] hergestellte Brühwurst enthält keine Knochenpartikel. Der histologische Nachweis von Knochenpartikeln kann daher als Hinweis auf die Verarbeitung von Separatorenfleisch gewertet werden. Wird Separatorenfleisch bei der Herstellung verwendet, so muss dies nach den Vorschriften der Lebensmittel-Informationsverordnung (VO (EU) Nr. 1169/2011) [4] aus der Bezeichnung des Lebensmittels hervorgehen, dafür ist eine sogenannte „beschreibende Bezeichnung“ erforderlich. Bei der Herstellung verwendetes Separatorenfleisch muss außerdem im Verzeichnis der Zutaten aufgeführt werden unter Angabe der Tierart, von der es stammt. Ohne diese Angaben wäre die Kennzeichnung und Aufmachung der Wurst irreführend.
Infokasten: Bezeichnung des Lebensmittels
In der Lebensmittel-Informationsverordnung, die in der ganzen Europäischen Union einheitlich gilt, hat die Bezeichnung des Lebensmittels eine besonders große Bedeutung. Die „beschreibende Bezeichnung“ soll das Lebensmittel und erforderlichenfalls seine Verwendung so genau beschreiben, dass Verbraucher die tatsächliche Art des Lebensmittels erkennen und es von Erzeugnissen, mit denen es verwechselt werden könnte, unterscheiden können. Zum Beispiel Brühwurst aus Separatorenfleisch von Brühwurst ohne Separatorenfleisch!
Knochenpartikel in Brühwurst – Verkehrsauffassung
Die Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse im Deutschen Lebensmittelbuch beschreiben die Verkehrsauffassung für zahlreiche Wurstspezialitäten, Würstchen, Bratwurst, Wiener, Lyoner und andere Produkte. Die allgemeine Verkehrsauffassung zeigt Verbrauchern wie Herstellern, wie das in den Leitsätzen beschriebene Erzeugnis beschaffen ist und wie es hergestellt wird. Auch die verwendeten Zutaten werden genau aufgeführt. Nach der in den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnissen beschriebenen Verkehrsauffassung werden in Fleischerzeugnissen keine Knochen verarbeitet. Auf die Mitverwendung von Separatorenfleisch muss nach dieser Verkehrsauffassung hingewiesen werden. Besteht der Fleischanteil im Fleischerzeugnis zu mehr als der Hälfte aus Separatorenfleisch, handelt es sich um ein „Produkt eigener Art“, Bezeichnungen aus den Leitsätzen, wie zum Beispiel „Wiener“ oder „Fleischwürstchen“ dürfen dann nicht verwendet werden.
Infokasten: Hygienevorschriften für Separatorenfleisch
Die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 schreibt umfangreiche und strenge Hygieneanforderungen für die Herstellung und Verwendung von Separatorenfleisch vor. Separatorenfleisch darf nur in EU-zugelassenen Betrieben gewonnen werden, Separatorenfleisch darf nur zur Herstellung hitzebehandelter Fleischerzeugnisse (zum Beispiel Brühwurst) in EU-zugelassenen Betrieben verwendet werden.
Knochenpartikel in Brühwurst – Was tut die Überwachung?
Das CVUA Stuttgart kann aufgrund der histologischen Untersuchungsergebnisse nur einen Verdacht aussprechen. Danach sind die zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden bei den Landratsämtern gefragt. Um festzustellen, ob der Herstellerbetrieb tatsächlich Separatorenfleisch als Zutat verwendet hat, werden die Lebensmittelkontrolleure und Veterinäre Betriebskontrollen durchführen.
Knochenpartikel in Brühwurst – Was sollen die Hersteller tun?
Gefragt sind aber auch die verantwortlichen Hersteller: Deklarieren und bewerben Sie Ihre Produkte korrekt. Kunden wollen Ehrlichkeit! (Dr. Dagmar Otto-Kuhn, Dr. Jörg Stürmer)