Nachweis von Knochenpartikeln in Brühwursterzeugnissen

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

24.01.2017 - Deutschland

Eigentlich sollte es nur eine wissenschaftliche Studie zu einem Methodenvergleich werden. Die Ergebnisse sollten lediglich einem Fachpublikum präsentiert werden. Der Nebeneffekt der Studie hat die tierärztlichen Lebensmittelhygiene-Sachverständigen dann doch überrascht. „Mit so vielen Volltreffern hatten wir nicht gerechnet!“ Sämtliche für diese Studie untersuchten Brühwursterzeugnisse aus Geflügelfleisch enthielten so viele kleine Knochenpartikel, dass der Verdacht naheliegt: Hier wurde Separatorenfleisch verarbeitet, aber nicht deklariert.

CVUA Stuttgart

Nachweis von Knochenpartikeln in Brühwursterzeugnissen

Histologische Untersuchungen des CVUA Stuttgart

Das CVUA Stuttgart unterzieht Fleischerzeugnisse stichprobenweise neben der mikrobiologischen und sensorischen auch der histologischen Untersuchung. Für die Histologie werden dünne gefärbte Schnitte unter dem Mikroskop betrachtet. Die verschiedenen Gewebe werden anhand ihrer charakteristischen Struktur und Anfärbbarkeit identifiziert, qualitativ und quantitativ ausgewertet. In einer wissenschaftlichen Studie zum Vergleich zweier histologischer Methoden [1] sollte herausgefunden werden, welche Methode besser geeignet ist, Gewebe, die in geringerer Menge und kleiner Partikelgröße im Fleischerzeugnis vorhanden sein können, quantitativ zu erfassen. Ausgesprochen zeitaufwendig sind beide. Dafür wurden Brühwursterzeugnisse aus oder mit Geflügelfleisch, die mit der Auslobung „halal“ oder als türkische Spezialität gekennzeichnet und dem preisgünstigen Segment zuzurechnen waren, gezielt ausgewählt. Bei diesen Produkten ist zu erwarten, dass bei der Herstellung auch sehr preisgünstige Zutaten verwendet wurden.

Knochenpartikel in Brühwurst – Untersuchungsergebnisse

In allen für die Studie gezielt ausgewählten 23 Proben von Brühwursterzeugnissen aus oder mit Geflügelfleisch wurden histologisch auffällig viele Knochenpartikel nachgewiesen. Der Nachweis von Knochenpartikeln ist als Hinweis auf die Verarbeitung von Separatorenfleisch zu werten. Die Zutat „Separatorenfleisch“ war jedoch nur bei sieben dieser Proben aufgeführt. Bei allen anderen besteht der dringende Verdacht: Hier wurde zwar Separatorenfleisch verarbeitet jedoch nicht deklariert! In der Tabelle sind die untersuchten Proben und die histologischen Untersuchungsergebnisse im Einzelnen aufgeführt, die Fotos zeigen einige der histologischen Präparate dieser Proben.

Infokasten: Separatorenfleisch

Nach Definition im EU-Recht (VO (EG) Nr. 853/2004 Anh. I Nr. 1.14 [2]) wird Separatorenfleisch durch maschinelles Ablösen des Restfleisches von Knochen nach dem Entbeinen oder des an Geflügelschlachtkörpern anhaftenden Restfleisches gewonnen. Die Struktur der Muskelfasern wird bei der Separation verändert.

Tabelle: Ergebnisse der histologischen Untersuchung von Brühwursterzeugnissen
BezeichnungKnochenpartikel pro cm2Knochenpartikel in Vol.-%Separatorenfleisch gekennzeichnet

Tavuk Salam Hühnerwurst

1,88

1,0

nein

Tavuk Salam Hühnerwurst

2,1

0,33

nein

Geflügel Knack Sosis

1,26

0,37

nein

Sigir Sosis Hähnchen-Separatoren-Fleischwürstchen

4,41

1,25

ja

Tavuk Salam Hähnchenfleischwurst

0,93

0,13

nein

Pinoki Canim Sosis Putenwiener

0,37

0,13

nein

Geflügelwiener

1,36

0,25

nein

Destan Cizgara Sosis Hühnerbratwurst mit Putenfleisch

1,22

0,13

ja

Baktat Geflügelbratwurst

1,45

0,25

nein

Tavuk Sosis Hühnerwürstchen

4,2

0,25

ja

Geflügel Fleischwurst

0,15

0,14

ja

Tavuk Sosis Hühnerwürstchen

2,24

0,6

nein

Hühnerwurst mit Rindfleisch

2,93

0,13

nein

Geflügelbratwurst

0,39

0

nein

Sigir Salam Rinderwurst mit Hühnerfleisch

0,88

0,13

nein

Hendi Salam Hühnerwurst mit Putenfleisch

4,09

0,75

nein

Hühnerextrawurst

0,25

0,13

ja

Pinoki Mini Sosis Geflügelwiener

1,88

0,38

nein

Tavuk Sosis Hühnerwürstchen mit Separatorenfleisch

1,44

0

ja

Hühnerwurst mit Rindfleisch

0,2

0,13

nein

Destan Hühnerwurst mit Stärke

2,84

0,25

nein

Hähnchenwürste mit Separatorenfleisch

4,71

0,5

ja

Geflügelwürstchen

1,25

0,13

nein

 

Knochenpartikel in Brühwurst – Rechtsvorschriften und Beurteilung

Nach traditioneller Rezeptur entsprechend der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse [3] hergestellte Brühwurst enthält keine Knochenpartikel. Der histologische Nachweis von Knochenpartikeln kann daher als Hinweis auf die Verarbeitung von Separatorenfleisch gewertet werden. Wird Separatorenfleisch bei der Herstellung verwendet, so muss dies nach den Vorschriften der Lebensmittel-Informationsverordnung (VO (EU) Nr. 1169/2011) [4] aus der Bezeichnung des Lebensmittels hervorgehen, dafür ist eine sogenannte „beschreibende Bezeichnung“ erforderlich. Bei der Herstellung verwendetes Separatorenfleisch muss außerdem im Verzeichnis der Zutaten aufgeführt werden unter Angabe der Tierart, von der es stammt. Ohne diese Angaben wäre die Kennzeichnung und Aufmachung der Wurst irreführend.

Infokasten: Bezeichnung des Lebensmittels

In der Lebensmittel-Informationsverordnung, die in der ganzen Europäischen Union einheitlich gilt, hat die Bezeichnung des Lebensmittels eine besonders große Bedeutung. Die „beschreibende Bezeichnung“ soll das Lebensmittel und erforderlichenfalls seine Verwendung so genau beschreiben, dass Verbraucher die tatsächliche Art des Lebensmittels erkennen und es von Erzeugnissen, mit denen es verwechselt werden könnte, unterscheiden können. Zum Beispiel Brühwurst aus Separatorenfleisch von Brühwurst ohne Separatorenfleisch!

Knochenpartikel in Brühwurst – Verkehrsauffassung

Die Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse im Deutschen Lebensmittelbuch beschreiben die Verkehrsauffassung für zahlreiche Wurstspezialitäten, Würstchen, Bratwurst, Wiener, Lyoner und andere Produkte. Die allgemeine Verkehrsauffassung zeigt Verbrauchern wie Herstellern, wie das in den Leitsätzen beschriebene Erzeugnis beschaffen ist und wie es hergestellt wird. Auch die verwendeten Zutaten werden genau aufgeführt. Nach der in den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnissen beschriebenen Verkehrsauffassung werden in Fleischerzeugnissen keine Knochen verarbeitet. Auf die Mitverwendung von Separatorenfleisch muss nach dieser Verkehrsauffassung hingewiesen werden. Besteht der Fleischanteil im Fleischerzeugnis zu mehr als der Hälfte aus Separatorenfleisch, handelt es sich um ein „Produkt eigener Art“, Bezeichnungen aus den Leitsätzen, wie zum Beispiel „Wiener“ oder „Fleischwürstchen“ dürfen dann nicht verwendet werden.

Infokasten: Hygienevorschriften für Separatorenfleisch

Die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 schreibt umfangreiche und strenge Hygieneanforderungen für die Herstellung und Verwendung von Separatorenfleisch vor. Separatorenfleisch darf nur in EU-zugelassenen Betrieben gewonnen werden, Separatorenfleisch darf nur zur Herstellung hitzebehandelter Fleischerzeugnisse (zum Beispiel Brühwurst) in EU-zugelassenen Betrieben verwendet werden.

Knochenpartikel in Brühwurst – Was tut die Überwachung?

Das CVUA Stuttgart kann aufgrund der histologischen Untersuchungsergebnisse nur einen Verdacht aussprechen. Danach sind die zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden bei den Landratsämtern gefragt. Um festzustellen, ob der Herstellerbetrieb tatsächlich Separatorenfleisch als Zutat verwendet hat, werden die Lebensmittelkontrolleure und Veterinäre Betriebskontrollen durchführen.

Knochenpartikel in Brühwurst – Was sollen die Hersteller tun?

Gefragt sind aber auch die verantwortlichen Hersteller: Deklarieren und bewerben Sie Ihre Produkte korrekt. Kunden wollen Ehrlichkeit! (Dr. Dagmar Otto-Kuhn, Dr. Jörg Stürmer)

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