Menschen satt machen mit Ressourcenschonung vom Acker bis zum Labor
Zuse-Gemeinschaft
Für den Ertrag von Ackerpflanzen ist die Versorgung mit Stickstoff (N) ein zentraler Faktor. Doch viel N-Düngung hilft nicht immer viel, wie Zwischenergebnisse eines Forschungsprojekts am Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität (IASP) zeigen. An zwölf gängigen Weizensorten testeten die Berliner Forscher auf der IASP-Versuchsstation in Berge bei Nauen den unterschiedlich starken Einsatz von N-Dünger. Dabei zeigte sich: Hohe Stickstoffgaben gingen im Mittel der 12 getesteten Sorten auf dem lehmigen Brandenburger Sandboden des Versuchsstandortes bei Trockenheit mit leicht niedrigeren Getreideerträgen pro Hektar einher. Bei normalen Witterungsbedingungen sank der Ertrag sogar ab einer Stickstoffdüngung von 135 kg N pro Jahr und Hektar (ha) deutlich. Hingegen reagierten die Pflanzen auf verstärkte N-Gaben bei Trockenheit mit höheren Eiweißgehalten. „Schon N-Düngung in praxisüblicher Dosierung führte auf den leichten Böden des Versuchsstandortes offenbar dazu, dass Ertrag weggedüngt wurde, während hingegen die Eiweißgehalte des Weizens weiter stiegen“, erklärt IASP-Versuchsleiter Dr. Andreas Muskolus zu den Resultaten des ersten Anbaujahres im vierjährigen EU-Verbundprojekt Circular Agronomics. Er regt ein Umdenken im Handel an, wo hohe Eiweißgehalte über dem für gute Backeigenschaften notwendigen Niveau weiterhin mit Zuschlägen honoriert werden. Sparsamere Anbaumethoden hätten es damit schwerer. Vielmehr sieht Muskolus die Züchtung am Zuge, stärker auf die Wurzelentwicklung der Pflanzen Wert zu legen, um den Pflanzen in trockenen Zeiten zu helfen.
Ackerbohne für hochwertige Lebensmittel nutzen
Sinnvolle Düngung beim Brotgetreide ist auch deshalb entscheidend für Umwelt und Ernährung, weil der Winterweizen mit einer Anbaufläche von rund 3 Mio. ha Deutschlands wichtigste Ackerpflanze ist. Für gesunde Fruchtfolgen, in denen Getreide sich mit anderen Ackerfrüchten abwechselt, gewinnen indes Hülsenfrüchte an Bedeutung. So hat sich in Deutschland die Anbaufläche der Ackerbohne in den vergangenen zehn Jahren, ausgehend von sehr niedrigem Niveau, verdreifacht auf aktuell rd. 50.000 ha. Derzeit wandern Hülsenfrüchte vom Acker in Deutschland fast komplett in die Tierfutterproduktion. Das muss nicht so bleiben. „Wir forschen daran, das Eiweiß der Ackerbohne mit seinen wertvollen Eigenschaften in attraktiven Lebensmitteln für die menschliche Ernährung zu nutzen“, erklärt Jesus Palomino, Fachbereichsleiter Proteine beim Forschungsinstitut Pilot Pflanzenöltechnologie Magdeburg (PPM).
Pommes Schranke auch für Veganer
Konkret haben die PPM-Forschenden bereits in staatlich geförderten Projekten die Bindemitteleigenschaften des Ackerbohnenproteins eingesetzt und durch Funktionalisierung verbessert. Um z.B. Körner oder getrocknete Kräuter auf der Oberseite von Knäckebrot haften zu lassen, verwendeten sie das Eiweiß der Ackerbohne als Klebstoff – was z.B. den Verzicht auf Zucker ermöglichte. Wie gut das Ackerbohnenprotein bindet, zeigte das PPM auch in einem Teig für die Süßwarenproduktion, um im Produkt den Anteil von Getreidemehl zu reduzieren. “Durch das Einstellen von Parametern wie pH-Wert und Temperatur konnten wir das Protein so funktionalisieren, dass gute Klebeigenschaften erzielt wurden“, erläutert Palomino. Künftig will er mit seinem Team die Qualitäten der Hülsenfrucht für ein weiteres besonders absatzstarkes Produkt testen: bei der Mayonnaise. Der Ackerbohnen-Kleber soll das Eigelb als Emulgator in der Mayonnaise ersetzen. So könnten auch Veganer zu Mayonnaise-Fans werden.
Qualitäts-Kontrolle als Feld für Innovationen
Neben der Produktion von Ackerfrüchten und Nahrungsmitteln ist die Qualitäts-Kontrolle ein Feld der Innovationen – ganz im Sinne gesunder Ernährung und des Verbraucherschutzes. Die fzmb GmbH - Forschungszentrum für Medizintechnik und Biotechnologie aus Bad Langensalza hat ein Messgerät entwickelt, das in der Lage ist, die Nährwertangaben von Fleisch, Wurst, Käse und vielen anderen Lebensmitteln innerhalb weniger Sekunden zu bestimmen. Das nur 5 kg schwere und 30 cm hohe Gerät namens „mylab“ kommt für seine Analysen ohne Chemikalien aus. Die fzmb GmbH nutzt für „mylab“ das Messprinzip der Nahinfrarot-Spektroskopie. Dabei werden die Bestandteile der Probe durch ihren Gehalt an charakteristischen Molekülgruppen ermittelt. Die Schwingungen dieser Molekülgruppen absorbieren bestimmte Anteile der auf die Probe treffenden Infrarotstrahlung. Die reflektierte Strahlung erlaubt dann sofort Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung. Mit Hilfe statistischer Verfahren und Algorithmen auf Basis künstlicher Intelligenz wird dieser Zusammenhang modelliert und ausgewertet. Für exakte Bestimmungen wurden zuvor Datensätze mit bekanntem Gehalt des jeweiligen Lebensmittels erstellt.
Die „mylab“-Technologie könnte künftig auch für mikrobiologische Schnellanalysen zur Abschätzung der Haltbarkeitsdauer zum Zuge kommen. Eine erste Studie hat bereits gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen der Lagerungsdauer und den spektralen Probeneigenschaften besteht. Aktuell laufen weitere Tests. Erste Ergebnisse legen nahe, dass eine schnelle Bestimmung der Gesamtkeimzahl in Lebensmitteln mit Nahinfrarot-Spektroskopie möglich ist.
„Forschende in der Zuse-Gemeinschaft arbeiten in zahlreichen Projekten an einer Verbesserung landwirtschaftlicher Praktiken, innovativer Verfahren zur Lebensmittelproduktion und deren Kontrolle. Solchen Projekten kommt für eine nachhaltige Agrar- und Nahrungsmittelbranche in Europa wie auch auf anderen Kontinenten eine Schlüsselfunktion zu“, erklärt der Präsident der Zuse-Gemeinschaft, Dr. Ralf-Uwe Bauer.