Überliefert sind Rezepte und Zutaten von Hungerbroten. Sie enthielten beispielsweise Sägemehl, was den Geschmack wenig beeinträchtigte, aber nur kurzfristig sättigte. In Württemberg verwendete man ausgepresste Leinsamen als Backzutat. Andere experimentierten in der Hungerkrise von 1816/1817 mit Stroh, Moos und Heu. Der Zweck dieser für den Organismus wertlosen Zutaten war, durch Ballaststoffe das Hungergefühl zu beruhigen. Wegen der Beimischung von Fasern (bis zu 25 %) gingen die Brote aber nicht richtig auf, sie waren klein und hart.
Brote mit Wildkräutersamen
Sauerampfer
Aus Schweden ist ein Sauerampferbrot (syrgräsbröd) bekannt. Dazu wurde der Samen von Wiesen-Sauerampfer (Rumex acetosa) mit anderen Kräutern, manchmal auch mit gemahlener Lindenrinde, getrocknet und zermahlen und mit Mehl und Hefe gebacken.
Gänsefuß
Lew Tolstoi berichtete von einer Hungersnot im russischen Gouvernement Tula (1892):
„Der erste Eindruck, welcher bestätigte, daß die Lage der Bevölkerung in diesem Jahre eine besonders traurige sei, wurde durch das Brot hervorgebracht, welches zu einem Drittel und oft sogar zur Hälfte mit Melde vermischt ist und von jedermann gegessen wird, ein schweres bitteres Schwarzbrot, schwarz wie die Tinte. Die ganze Bevölkerung ißt dieses Brot, auch Kinder, Schwangere, stillende Frauen und Kranke.“
Rudolf Virchow brachte 1893 von einem anthropologischen Kongress in Moskau ein solches russisches Hungerbrot mit, um es in Berlin analysieren zu lassen. In dem schwarzen, torfähnlichen Brot waren Samenkörner des Weißen Gänsefuß (Chenopodium album) verbacken worden. Das Brot war zwar arm an Stärke, aber reich an Eiweiß und Fett, also nahrhafter als Roggenbrot.
Rindenbrote
Rindenbrote als Notnahrung sind aus Skandinavien bekannt, insbesondere aus Finnland. Das meist fladenförmige finnische Hungerbrot (pettuleipä) bestand aus Roggenmehl, gestreckt mit feingeschabtem Rindenbast von jungen Kiefern, bevorzugt von Pinus sylvestris. Gelegentlich fügte man dem Teig auch Sauerampfersamen, Flechten und mehlige Wurzeln hinzu. Die Menschen empfanden den terpentinartigen Geschmack nicht als unangenehm, so dass das Brot auch in normalen Zeiten gelegentlich gebacken wurde.
Eichelbrot
Eichelbrot war vom 16. bis 18. Jahrhundert eine Notspeise während der periodisch auftretenden Hunger- und Teuerungskrisen in Mitteleuropa. Seit der Aufklärung wurde es auch als Billigbrot für die Armen empfohlen, konnten doch die Eicheln umsonst gesammelt werden. Der bittere Geschmack wurde durch Mischungen meist mit Roggen- und Dinkelmehl mundgerechter gemacht. Dichter und Historiker präsentierten Eichelbrot häufig als Speise der Germanen, doch dies trifft nicht zu. Während des Ersten Weltkrieges wurde Eichelbrot in Deutschland und Österreich als nahrhaftes Kriegsbrot empfohlen, doch der Widerhall blieb gering. Im Zweiten Weltkrieg unterblieben entsprechende Lenkungsmaßnahmen.
Auch auf Sardinien wurde in Notzeiten Eichelbrot gebacken. Um die Eicheln zu entbittern, wurden sie in der Erde vergraben oder mit Mergelwasser vermengt.