Der Pestessig entstand 1720, als die Pest in Südfrankreich, insbesondere in Toulouse und Marseille, wütete. Einer Legende nach sollen sich vier Plünderer zur Zeit der Pest-Epidemie in Marseille (ab 1720) durch diese Tinktur vor Ansteckung geschützt haben, die sie ansonsten beim Ausrauben der Pestkranken und -toten hätten befürchten müssen. Vor Gericht bot man ihnen Straffreiheit an, sofern sie das Geheimnis ihrer Immunität gegen die Epidemie preisgeben würden – was sie in Form eines Duftstoffrezepts taten.
Dieser Vierräuberessig (frz.: Vinaigre des quatre voleurs) ist wiederum ein Kräuterauszug auf Essigbasis. Zu diesen Kräutern gehört – laut einigen Quellen als wichtigstem Bestandteil – die Weinraute. Des Weiteren werden Wermutkraut, Rosmarin, Wacholderbeeren, Lavendel, Kalmuswurzel, Knoblauch, Zimt, Muskat, Gewürznelken, Pfefferminze, Engelwurz und Kampfer genannt. Neben dieser medizinischen Anwendung des Vierräuberessigs wird er gelegentlich auch in der (modernen) Küche eingesetzt.
Die angegebene Duftmischung verbreitete sich schnell in ganz Europa. In England war sie als The four Thieves Vinegar, in Frankreich als Vinaigre des quatre voleurs bekannt. Zum Schutz gegen Infektionskrankheiten sollte man sich mit dem Pestessig den Mund ausspülen, verschiedene Körperteile damit waschen oder ein paar Löffel täglich einnehmen.
Die Verwendung von Duftstoffzubereitungen zu medizinischen Zwecken reicht viele Jahrhunderte zurück. Die weite Verbreitung des Pestessigs hatte zur Folge, dass die so genannten Vinaigrettes sehr gebräuchlich wurden und feste Duftstoffe, wie sie etwa in Bisamäpfeln verwendet wurden, endgültig verdrängten.