Deutsche Umwelthilfe fordert von Großer Koalition mehr Entschlossenheit und Transparenz bei Energiewende und Umweltschutz
Nach Erfolgen vor höchsten Gerichten setzt DUH 2014 zur Durchsetzung von Umwelt- und Verbraucherrechten verstärkt auf den Rechtsweg - Hoffnung auf ausgewiesene Fachleute und Befürworter der Energiewende in der neuen Regierung
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"Eine neue Bundesregierung und fast alle Fragen offen", fasste DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch in seiner Jahresbilanz die politische Großwetterlage nach der Bundestagswahl im September und der fast ein viertel Jahr später erfolgten Regierungsbildung zusammen. Der Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung verliere sich vielfach im Unverbindlichen, verbreite in seinem Umweltteil ein hohes Maß an Lustlosigkeit und entkoppele beim zentralen Projekt der kommenden Legislaturperiode, der Energiewende, tendenziell die Instrumente zu ihrer Umsetzung von den grundlegenden Zielen. Die Aufspaltung von Klimaschutz und Energiewende in zwei unterschiedliche Ministerien sei in dieser Hinsicht nur ein augenfälliges Beispiel, sagte Resch bei der Jahrespressekonferenz der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation.
"Die Bewältigung des Klimawandels und der atomaren Risiken sind die Oberziele der Energiewende. Sigmar Gabriel und Barbara Hendricks müssen aufpassen, dass dieser Zusammenhang nicht aus dem Blick gerät. Sonst wird die nach wie vor große Unterstützung der Energiewende in der Bevölkerung schneller schwinden, als wir uns vorstellen können", mahnte Resch. Das größte Problem bestehe heute darin, dass die schwarz-gelbe Regierung "den Rückenwind nach der energiepolitischen Spitzkehre in der vergangenen Legislaturperiode binnen zwei Jahren in sein Gegenteil verkehrt hat: Heute bläst allen der Sturm ins Gesicht, die ernsthaft an der Generationenaufgabe Energiewende arbeiten wollen."
Auch der Koalitionsvertrag behandle den Transformationsprozess des Energiesystems vor allem als industriepolitisches Problem und nicht als gesamtgesellschaftliches Zukunftsprojekt. Es müsse gelingen, diese fatale Sichtweise erneut umzudrehen. Resch: "Die Chance besteht. Denn so ernüchternd sich die einschlägigen Passagen des Koalitionsvertrags lesen, so interessant erscheint die Mannschaft, die Sigmar Gabriel zur Umsetzung der Energiewende aufgestellt hat." Mit den neuen beamteten Staatssekretären Rainer Baake (Energie), Jochen Flasbarth (Umwelt) und Gerd Billen (Verbraucherschutz) habe der SPD-Parteivorsitzende geradezu demonstrativ ausgewiesene Fachleute und Befürworter der Energiewende für Schlüsselpositionen der Regierung rekrutiert. "Das macht Hoffnung, dass die Interpretationsspielräume des Koalitionsvertrags im Sinne der Energiewende genutzt werden". Rainer Baake sammelte viele Jahre als grüner Staatssekretär in den Umweltministerien in Hessen und im Bund Erfahrung und bildete zwischen 2006 und 2012 gemeinsam mit Jürgen Resch die Doppelspitze der DUH.
Der Leiter Politik und Presse der DUH, Gerd Rosenkranz, kritisierte, dass der Gesellschaft von den Gegnern der Energiewende im vergangenen Jahr eine überzogene Preisdebatte aufgezwungen worden sei, die von den wahren Herausforderungen der Energiewende abgelenkt habe. So seien seit der Jahrtausendwende zwar die Strompreise für Haushalte und den nicht privilegierten Mittelstand schneller gestiegen als die allgemeine Teuerungsrate. Die energieintensive Industrie habe in den letzten Jahren jedoch wegen ihrer vielfältigen Entlastungen (Gesamtwert 2013: etwa 16,8 Mrd. EUR) bei gleichzeitig sinkenden Börsenpreisen von der Energiewende erheblich profitiert. Rosenkranz erinnerte daran, dass die "nationale Stromrechnung" aller Verbraucher bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) heute wie 1991 bei etwa 2,6 Prozent des BIP liege. "Allein diese Zahl relativiert massiv die Dramatik, mit der einige durchs Land ziehen und jeden Tag die Deindustrialisierung Deutschlands beschwören, während jenseits der Grenzen unsere gewaltigen Exportüberschüsse beklagt werden." Die EEG-Umlage sei heute kein Indikator für die Kosten der Energiewende, sondern für schrumpfende Börsenpreise und explodierende Industrieprivilegien.
Zur aktuellen Diskussion über das am vergangenen Mittwoch von der EU eingeleitete Verfahren gegen die EEG-Privilegierung der Industrie sagte Rosenkranz, dies werde dazu führen, dass die Härtefallregelung auf ein vernünftiges Maß und solche Industriebetriebe zurückgeführt werde, die nachweislich im harten internationalen Wettbewerb stünden, energieintensiv seien und bereits hohe Effizienzstandards erfüllten. "Im Moment ist viel künstliche Aufregung im Spiel. Es ist eine weltfremde Vorstellung zu glauben, dieEuropäische Kommission werde ernsthaft industrielle Kerne in Deutschland aufs Spiel setzen, die gleichzeitig industrielle Kerne der EU sind. Und das in einer Zeit, in der die halbe EU am Tropf der deutschen Wirtschaftskraft hängt", so Rosenkranz. Gefährlich und möglicherweise das eigentliche Ziel der Operation der EU-Kommissare Almunia und Oettinger sei dagegen die Einstufung der EEG-Umlage als Beihilfe und der Vorschlag von Beihilfeleitlinien, die die Fortsetzung der Energiewende erheblich erschwerten. Teile der EU-Kommission nutzten das Wettbewerbsrecht für Eingriffe in die nationale Energiepolitik.
Resch erinnerte daran, dass Schwarz-Gelb auf der zweiten Großbaustelle der Energiewende, der Energieeffizienz, eine einzige Enttäuschung gewesen sei. Ein Höhepunkt sei dabei die jüngste Intervention von Kanzlerin Angela Merkel gegen effektive Fortschritte bei der CO2-Reduzierung von Pkw auf der EU-Bühne gewesen. Ebenso enttäuschend seien die Aussagen zu Energieeffizienz im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Begrüßenswerte Ankündigungen, wie die Schaffung eines "Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz" blieben folgenlos, solange sie nicht mit konkreten Vorhaben und einer gesicherten Finanzausstattung unterfüttert würden. Auch die Ansiedlung der Bauabteilung im Bundesumweltministerium sei nur dann vielversprechend, wenn dort auch die Kompetenz für reale Fortschritte im Wärmesektor angesiedelt werde. Die Tatsache, dass die steuerliche Förderung der energetischen Sanierung nach drei Jahren fruchtloser Debatten in der letzten Nacht der Koalitionsverhandlungen ersatzlos verschwunden sei, lasse wenig Raum für Optimismus.
Resch wies darauf hin, dass die DUH die Umsetzung und Einhaltung gesetzlicher Umweltweltregeln immer häufiger vor den Gerichten einfordern müsse. Dies sei ein Alarmzeichen. "Umso mehr werden wir Fortschritte im Umwelt- und Verbraucherschutz vor den Gerichten durchsetzen, wo immer dies notwendig ist." Der DUH-Geschäftsführer erinnerte beispielhaft daran, dass erst der Europäische Gerichtshof im vergangenen Sommer das FDP-geführte Wirtschaftsministerium habe zwingen müssen, Akten über die massive Einflussnahme der Autoindustrie auf die Verordnung zur Energiekennzeichnung von Pkw nach dem Umweltinformationsgesetz für die DUH freizugeben. Ein weiteres Urteil des Bundesverwaltungsgericht gegen das Land Hessen zur Einrichtung einer Umweltzone in Darmstadt war gleichzeitig ein Grundsatzurteil, das generell die Rechte von Umweltverbänden stärkt, wenn diese gegen Verwaltungen vorgehen, die gegen europäisches Umweltrecht verstoßen.
Die DUH, die gegen Ende des Berichtsjahrs 2013 insgesamt 84 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, fühle sich gut gerüstet ihre Arbeit für Umwelt- und Verbraucherschutz im neuen Jahr und in einer veränderten politischen Landschaft mit gewohnter Intensität fortzusetzen.
Den druckfrischen Jahresbericht 2013, der von der Journalistin und Autorin Ulrike Fokken gewohnt professionell koordiniert wurde, finden Sie unter www.duh.de/jahresberichte.html.