Der schwierige Weg zu mehr Mehrweg
Bald schon könnten sie im Supermarkt an den Getränkeregalen hängen - Schilder, auf denen «Mehrweg» oder «Einweg» steht. Das Ziel des Umweltministeriums, das den Gesetzentwurf auf den Tisch gelegt hat: Die Kunden sollen Bescheid wissen und sich im besten Fall für die umweltfreundliche Variante, die Mehrwegflasche, entscheiden. Kritik kommt umgehens - nicht nur von Umweltschützern.
Wie läuft es mit Mehrweg in Deutschland?
Nicht gut. 2006 lag der Anteil bei den Getränken bei 66,3 Prozent, zehn Jahre später nur noch bei 45,1 Prozent - Tendenz sinkend. Dabei hat die Bundesregierung eigentlich eine Mehrweg-Quote von 80 Prozent angestrebt. Von der ist im neuen Gesetzentwurf nun gar nicht mehr die Rede. Sie war nicht verpflichtend, es gab keine Sanktionen, und sie habe sich als nicht zielführend erwiesen, heißt es in der Begründung.
Warum ist der Mehrweg-Anteil so niedrig?
Einweg ist ein gutes Geschäft: Die PET-Flaschen lassen sich als sortenreines Plastik gut weiterverkaufen, zur Produktion neuer Flaschen, aber auch oft für die Polyester-Produktion. Dass sie mit 25 Cent mehr Pfand kosten als Mehrwegflaschen, schreckt Kunden offenbar nicht ab. Ans Zurückbringen von Pfandflaschen haben sie sich nach mehr als einem Jahrzehnt ganz gut gewöhnt - oder das Geld ist ihnen egal. Discounter wie Lidl und Aldi setzen auf Einweg, die Kunden greifen zu. Daran dürfte auch das geplante Gesetz nichts ändern.
Ist Mehrweg umweltfreundlicher?
Ja - mit Ausnahmen. Dem Nabu zufolge sind Plastik-Mehrwegsysteme am besten, weil die Flaschen leichter sind als Glasflaschen und umweltverträglicher transportiert werden können. Glas-Mehrwegflaschen sind besser als Plastik-Einweg, Glas-Einweg oder gar Alu-Dosen. Aber: Getränkekartons, die ja auch Einweg sind, sind demnach etwa so umweltfreundlich wie Glas-Mehrweg, weil sie gut zu transportieren sind und der Recycling-Anteil hoch ist. Außerdem raten die Umweltschützer, regional abgefüllte Getränke zu kaufen.
Was hält der Handel von Mehrweg- und Einweg-Schildern?
Wenig. Die mache die Händler unflexibel und koste Geld, weil Einweg und Mehrweg getrennt in den Regalen stehen müssten, sagt der Geschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Kai Falk. Für die Industrie bedeute das, dass sie nicht mehr dafür sorgen können, das etwa alle Produkte einer Marke zusammen im Regal stehen. Falks Ansicht nach ist es einfacher für die Kunden, wenn der entsprechende Hinweis auf der Flasche oder Packung steht, nicht auf dem Regal.
Drucken die Getränkehersteller nicht sowieso Hinweise auf?
Oft steht "Pfandflasche" auf Etiketten, das sagt aber über Mehrweg oder Einweg nichts aus. Ende Juni haben sich Getränkeproduzenten selbst verpflichtet, deutlicher zu kennzeichnen, was für eine Flasche der Kunde in der Hand hat. Bisher deckt die Selbstverpflichtung 84 Prozent des gesamten Marktvolumens in Deutschland ab. "Erfahrungsgemäß ziehen diejenigen, die fehlen, schnell nach", sagt Kai Falk vom HDE. Umweltverbände kritisieren, dass die Selbstverpflichtung nur für Pfandflaschen gilt. So muss zum Beispiel auf Smoothies oder Milchmischgetränken weiter nichts draufstehen.
Was denken Umweltschützer über die neuen Schilder?
Es sei ein «erster Schritt», findet Sascha Roth vom Nabu. Aber nicht optimal, denn Kunden würden ja zum Beispiel Flaschen manchmal aus dem Regal nehmen und dann wieder abstellen, wo sie nicht hingehörten.
Verpflichtende Kennzeichnungen auf allen Flaschen, ob Pfand oder nicht, das ist, was etwa auch die Deutsche Umwelthilfe fordert. Es besteht auch weiter die Forderung nach einer Sonderabgabe auf Einweg-Verpackungen, zusätzlich zum Pfand.
Was soll das Verpackungsgesetz sonst noch regeln?
Zum Beispiel, dass künftig auch für Nektar mit Kohlensäure Pfand fällig wird - da gab es bisher eine Ausnahme, die Verbraucherschützer kritisiert haben. Hieß eine Apfelschorle Nektar, war sie pfandfrei.
Außerdem soll eine "zentrale Stelle" eingerichtet werden, die überwacht, dass Hersteller von Verpackungen eine Gebühr für das Recycling zahlen, für den Grünen Punkt auf der Packung also. Das begrüßt der Handel. Bisher seien 30 Prozent der Verpackungen, die auf den Recyclinghöfen landeten, nicht lizenziert, sagt Falk.
Sollte das Ganze nicht mal Wertstoffgesetz heißen?
Doch - und das ist der größte Kritikpunkt von Umweltschützern und auch dem Handel an dem Entwurf des Umweltministeriums. Geplant war mal, dass künftig gelber Sack oder gelbe Tonne, in die ja eigentlich nur Verpackungen dürfen, auch Bratpfannen, Plastikspielzeug oder Kleiderbügel landen dürfen. Das nennt man dann "stoffgleiche Nichtverpackungen". Darüber wurde jahrelang gestritten. Hintergrund war, ob Kommunen oder Privatwirtschaft verantwortlich sind für das Recycling. Die Wertstofftonne, wie es sie zum Beispiel in Berlin gibt, kommt damit nicht flächendeckend in ganz Deutschland.