Europas Landwirtschaft vor tiefgreifendem Wandel
"Wir bekommen eine Vernetzung und Automatisierung auf den Höfen, wie wir sie in anderen Bereichen längst haben", sagte Lutz der Deutschen Presse-Agentur. "Der Fantasie sind da beinahe keine Grenzen gesetzt. Das wird tiefgreifende soziale und ökonomische Veränderungen nach sich ziehen." Als Beispiel nannte der Chef des größten europäischen Agrarhandelskonzerns den Einsatz von Robotern auf Feldern und Obstplantagen, der in einigen Jahren Realität werden könnte: "Bereits in der Entwicklung sind robotergesteuerte Erntehelfer."
Zurzeit seien noch viele saisonale Arbeitskräfte vor allem aus Osteuropa im Einsatz, die so ihr Einkommen aufbesserten. "Künftig wird ein Teil der Saisonarbeitskräfte nicht mehr erforderlich sein."
90 Prozent der Landwirte nutzten bereits einen Laptop oder Computer, sagte Lutz. Doch ansonsten würden "Smart farming"-Techniken noch nicht flächendeckend eingesetzt: "Je spezieller die Technologie, desto niedriger die Quote der Landwirte, die das verwenden."
Auf einem Hightech-Acker ist es möglich, mit Satellitenbildern und Sensoren Bodenbeschaffenheit und Nährstoffgehalt zu ermitteln. Diese Daten können dann an den GPS-gesteuerten Traktor übermittelt werden, der anschließend für jeden kleinen Bereich des Feldes die dort sinnvolle Menge an Saatgut und Dünger individuell dosieren kann. Der digitale Traktor wiederum speichert ab, wo exakt auf dem Feld welche Menge an Saatgut ausgebracht wurde - und ein halbes Jahr später erlauben es diese Daten bei der Ernte, den Traktor auf die ideale Fahrspur zu setzen, um den größtmöglichen Ertrag zu sichern.
"Die Digitaltechnologie ermöglicht nachhaltiges Management der Ressourcen und Kostensenkung", sagte Lutz. "Auf dem Feld bringen Sie nur so viel Dünger aus, wie tatsächlich benötigt wird. Das ist auch noch gut für die Umwelt." Die Baywa wolle in der Digitalisierung des Agrarsektors Marktführer in Europa werden und "Schrittmacher" sein.
Doch ist es nach Lutz' Einschätzung keineswegs nur die Technologie, die die ländlichen Regionen verändern wird: "Der Marktdruck hat nichts mit der Digitalisierung zu tun." So bezweifelt der Manager etwa auch, dass die finanzielle Unterstützung der EU den vom Preisverfall geplagten Milchbauern wirklich hilft. Würden in Asien wieder mehr Milch, Milchprodukte und Milchpulver gekauft, hätten die europäischen Milchbauern wieder bessere Chancen.
"Wenn die Nachfrage nicht steigt, werden die Auswirkungen gewaltig sein", warnte Lutz aber. "Ein Hilfsfonds der EU von 500 Millionen Euro kann da nicht viel bewirken. Für den einzelnen Betrieb ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein." Und es gehe ja nicht nur um die Milch. "Die Entwicklung der Getreidepreise ist ganz ähnlich."
Dementsprechend sagt Lutz voraus, dass der Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft anhalten wird: "Es kann sich nicht jeder Betrieb bei uns vergrößern, denn das Land ist nicht vermehrbar. Also werden viele aufhören. Wir stehen in Europa vor der Stunde der Wahrheit." Niemand wolle allerdings die Rückkehr zu einem Subventionssystem. "Die Politik sollte meines Erachtens Überbrückungshilfen bieten, um den Wandel abzufedern."/cho/DP/stk(dpa)
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