Mit Eisenergänzung gegen Blei

26.10.2016 - Schweiz

Mit einer gezielten Eisenergänzung von Biskuits lässt sich bei Kindern in Regionen mit hoher Bleibelastung der Gehalt des giftigen Schwermetalls im Blut markant senken. Dies zeigt erstmals ein Forschungsteam unter ETH-Leitung in einer Studie mit Schulkindern in Marokko auf.

Blei ist ein giftiges Schwermetall, das bis vor 25 Jahren auch in der Schweiz dem Autobenzin zugesetzt wurde. Es schädigt insbesondere die sich entwickelnden Gehirne von Kindern und Jugendlichen. Die Schäden sind nicht umkehrbar.

Die Situation verschärft sich markant, wenn Personen einer erhöhten Bleibelastung ausgesetzt sind und gleichzeitig an Eisenmangel leiden. Blei und Eisen binden im Dünndarm an das gleiche Transportprotein, welches die Metalle ins Blut befördert. Nimmt nun ein Mensch mit der Nahrung zu wenig Eisen zu sich, wird der Transporter aktiver und kann Blei statt Eisen ins Blut befördern, was im Hirn und Körper zu erhöhten Werten des giftigen Schwermetalls führt.

450 Schulkinder untersucht

Ein Team von Forschenden um ETH-Professor Michael B. Zimmermann vom Labor für Humanernährung zeigt nun in einer Studie auf, dass sich bei Kindern, die erhöhten Bleiwerten ausgesetzt sind, der Bleigehalt des Blutes mit einer Eisenergänzung in der Nahrung markant senken lässt.

Das ist das Resultat eines Versuchs, den Zimmermanns frühere Doktorandin Raschida Bouhouch und Kollegen im südlichen Marokko mit über 450 Kindern durchführte. Dies ist die erste kontrollierte prospektive Studie, die den Zusammenhang zwischen Eisenmangel und Bleivergiftung untersucht und aufzeigt, dass Eisenergänzung tatsächlich den Bleigehalt des Bluts senken kann. Sie entstand im Rahmen eines Nord-Süd-Projekts der ETH Zürich sowie der Universität und dem Universitätsspital Marrakesch.

Die Kinder im Vorschul- und Schulalter waren durch Bergbau in ihrer Umgebung einer erhöhten Bleimenge ausgesetzt. Gleichzeitig war der Eisengehalt in ihrem Blut relativ tief. Sie gehörten also einer Risikogruppe an.

Ein Biskuit mit Eisen

Die Kinder erhielten abgestimmt auf ihr Gewicht während viereinhalb Monaten täglich mehrere Weissmehl-Biskuits mit unterschiedlichen Eisenergänzungspräparaten. Zum einen erhielten sie Kekse mit einer bestimmten Menge an Eisensulfat, zum anderen solche mit Natrium-Eisen-EDTA oder Natrium-EDTA ohne Eisen. Um den Effekt der Eisenergänzung zu testen, erhielten einige der Kinder nur Placebo-Biskuits, die kein zusätzliches Eisen enthielten.

EDTA, mit vollem Namen Ethylendiamintetraessigsäure, bildet mit Eisen stabile Komplexe, was dessen Aufnahme vom Darm ins Blut verbessert. EDTA selbst wird nicht absorbiert. Dieses Molekül kann aber auch an Blei binden und dessen Aufnahme verringern. Die Verbindung ist in Europa als Lebensmittelzusatzstoff E385 in emulgierten Saucen, Dosen- und Glaskonserven zugelassen. Natrium-Eisen-EDTA wird bereits seit längerem als Eisenergänzung in Nahrungsmitteln eingesetzt.

Vor dem Versuch und nach dem Versuch massen die Forschenden den Bleipegel im Blut und den Eisenstatus der Kinder. Auch klärten die Wissenschaftler mit Tests, wie gut die Kinder kognitive Aufgaben lösen konnten.

Positiver Effekt auf Blei

Zur Freude der Forschenden konnten eisenergänzte Kekse tatsächlich den Bleigehalt des Blutes senken, und zwar um einen Drittel mit Natrium-Eisen-EDTA-Komplexen und um einen Viertel mit EDTA und Eisensulfat.

Vor Beginn der Studie enthielt das Blut der Kinder im Durchschnitt 4,3 Mikrogramm Blei pro Deziliter. Mit Natrium-Eisen-EDTA-versetzten Biskuits liess sich der Blutbleigehalt auf 2,9 Mikrogramm senken. Auch verbesserten die Biskuits den Eisenstatus bei den Kindern. Keinen Effekt hatte die Abnahme des Bleigehalts hingegen auf die kognitiven Leistungen, wie die Forschenden mit den entsprechenden Tests herausfanden.

Zimmermann ist dennoch mit dem Ergebnis dieser Studie sehr zufrieden: «Das Resultat, dass man schon mit einer kurzen Intervention den Bleigehalt im Blut bei exponierten Personen senken kann, ist für das öffentliche Gesundheitswesen hoch relevant», sagt der ETH-Professor.

Zwar habe der Blutbleigehalt bei den Kindern vor der Eisensupplementierung entgegen ihrer Erwartung mit 4,3 Mikrogramm pro Deziliter Blut im weltweiten Durchschnitt gelegen. Durch die Verabreichung der Biskuits habe er sich aber dennoch deutlichsenken lassen können.

Dass sich die kognitiven Leistungen nicht verbessert haben, führt Zimmermann darauf zurück, dass Blei bleibende Schäden hinterlässt, die durch Eisenverabreichung nicht rückgängig gemacht werden können. «Eisenergänzung zur Vorbeugung von Hirnschäden bei exponierten Teilen der Bevölkerung zu verwenden, ist aber auf jeden Fall sinnvoll», so der Ernährungsspezialist. Die Eisensupplementierung könnte sogar Föten im Mutterleib wirksam vor späteren Hirnschädigungen schützen.

Weil die Blei-Grundlast der untersuchten Schulkinder dem weltweiten Durchschnitt entspricht, sind die Resultate laut Zimmermann gut auf andere Regionen und Bevölkerungsgruppen übertragbar.

Mittel der Wahl: NaFeEDTA

Aufgrund dieser Resultate empfiehlt er, in Gebieten, wo die Bleibelastung hoch und Eisenmangel häufig ist sowie eisenergänzte Nahrung bereits eingesetzt wird, Natrium-Eisen-EDTA als Zusatz in Nahrungsmitteln zu verwenden. «Das ist das effektivste Mittel, um den Bleigehalt im Blut zu senken». Es ist zwar teurer als Eisensulfat, dafür aber wirksamer.

Bleiverseuchte Nahrung und Wasser ist nach wie vor in Bergbau- und Schwerindustriegebieten Afrikas, Indiens und Chinas ein grosses Problem. Aber auch in westlichen Industrienationen ist das Thema nicht vom Tisch. Aufgeflammt ist die Diskussion in Flint, Michigan, USA. Das Trinkwasser ist bleiverseucht, weil die Bewohner mit Wasser versorgt werden, das durch Bleileitungen fliesst. Die Leitungen hätten schon längst ersetzt werden müssen.

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