Kleinbauern in Afrika: Clevere Milchkühlung – dank Solar auch ohne Stromanschluss

Forscher der Universität Hohenheim entwickeln Solar-Milchkühlung und strategische Fütterung für Milchkühe in Tunesien & Kenia. Ein Werkstattbericht

09.01.2017 - Deutschland

Sie haben nur wenige Kühe und keinen Anschluss ans Stromnetz: Viele afrikanische Kleinbauern können mangels Kühlmöglichkeit nur einen Teil ihrer Milch vermarkten. Nun soll ein neues Kühlsystem der Universität Hohenheim auf Solar-Basis Abhilfe schaffen. Und um die Milchproduktion zu optimieren, kann zusätzlich eine durchdachte Fütterungsstrategie nützlich sein. Die Forschungsarbeiten sind zwei von drei Teilprojekten an der Universität Hohenheim, die in ein größeres Vorhaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) eingebunden sind. Für das Gesamtprojekt erhält die Universität Hohenheim 650.000 Euro, was es zu einem Schwergewicht der Forschung macht.

Universität Hohenheim / Victor Torres Toledo

Installation der Solar-Milchkühlung in Tunesien

Universität Hohenheim / Victor Torres Toledo

Die Arbeitsgruppe am Fachgebiet Agrartechnik in den Tropen und Subtropen an der Universität Hohenheim mit der Solar-Milchkühlung

Universität Hohenheim, Victor Torres Toledo

Das solarbetriebene Milchkühlungs-System der Universität Hohenheim

Universität Hohenheim, Ana Salvatierra-Rojas

Das solarbetriebene Milchkühlungs-System der Universität Hohenheim

Universität Hohenheim / Victor Torres Toledo
Universität Hohenheim / Victor Torres Toledo
Universität Hohenheim, Victor Torres Toledo
Universität Hohenheim, Ana Salvatierra-Rojas

Die Abendmilch ist oft unverkäuflich: Viele kleine Milchbauern in Afrika schöpfen das Potenzial ihrer Betriebe längst nicht aus.

„In Tunesien haben 85 Prozent der Milchbauern weniger als zehn Kühe und oft keinen Stromanschluss“, umreißt Prof. Dr. Joachim Müller vom Fachgebiet Agrartechnik in den Tropen und Subtropen an der Universität Hohenheim das Problem. „Auch der Zugang zu den Märkten ist häufig eingeschränkt“, ergänzt Projektkoordinatorin Prof. Dr. Regina Birner.

Gemeinsam mit Prof. Dr. Karlheinz Köller vom Fachgebiet Verfahrenstechnik in der Pflanzenproduktion sucht Prof. Dr. Müller nach Möglichkeiten, die Wertschöpfungskette Milch in Afrika gezielt zu unterstützen. Ein Knackpunkt sei die Milchkühlung, so die Forscher.


Milchkühlung auf dem Hof mittels Solarenergie

„Kühlung ermöglicht eine höhere Milchproduktion, da die Bauern zweimal täglich melken können“, erklärt die Doktorandin Ana Salvatierra-Rojas. „Außerdem konserviert sie die Qualität der Milch und sorgt so für Premiumpreise. Für die Bauern verbessert sich damit der Zugang zum lokalen Markt und auch zur Fertigung von Käse und anderen Milchprodukten.“

Die Idee der Wissenschaftler: Wenn die Milchkühlung bislang am Stromanschluss scheitert, kann Solarenergie aus der Misere helfen. Sie entwickeln an der Universität Hohenheim eine Solar-Kühlanlage.


Technologie-Transfer: Kühl-System im Praxistest

„Bei unserem System wird zunächst mittels Solarstrom Eis bereitet“, beschreibt Doktorand Victor Torres Toledo das Prinzip. „Das Eis füllen wir in einen extra Behälter in der Mitte von speziellen, isolierten Milchkannen mit 30 Liter Inhalt. Auf diese Weise kann die Milch bis zu zwölf Stunden von innen gekühlt und die Vermehrung von Keimen verhindert werden.“

Zehn Prototypen einer solchen Solar-Kühlanlage sind derzeit in Tunesien im Testbetrieb. Nun werden Versuche vor Ort durchgeführt, um das Potenzial des Systems unter realen Bedingungen zu bewerten und mit dem Feedback der Bauern gegebenenfalls Verbesserungen am System vorzunehmen.

Anschließend wollen die Forscher das System auf Kenia ausweiten und an die dort herrschenden Bedingungen anpassen. Und sie wollen auch noch einen Schritt weiter gehen: „Außer dem Solar-Kühler soll es auch solarbetriebene Melk- und Reinigungsmaschinen geben. Sie sind aber noch in der Entwicklung“, verrät Torres Toledo.


Tierernährung: Fütterung bestimmt Milchleistung

Eine weitere Möglichkeit, die afrikanischen Milchbauern zu unterstützen, ist eine optimierte Tierfütterung. Prof. Dr. Uta Dickhöfer vom Fachgebiet Tierernährung und Weidewirtschaft in den Tropen und Subtropen an der Universität Hohenheim nimmt sie genau unter die Lupe.

„Die Fütterung bestimmt die Milchleistung, die Qualität und die Zusammensetzung der Milch – und damit auch den Preis“, erklärt Prof. Dr. Dickhöfer. „Und da begegnen wir in den Tropen und Subtropen besonderen Herausforderungen: Es gibt große saisonale Unterschiede in Qualität und Menge des Futters.“

Doch zu Konzentratfutter hätten die Kleinbauern oft nur limitierten Zugang und auch finanzielle Grenzen. „Außerdem fehlen uns bei den einheimischen Tierrassen oftmals grundlegende Daten zum Energie- und Nährstoffbedarf der Tiere und zu den verfügbaren Futtermitteln.“


Strategische Fütterung statt Kraftfutter für alle

Einfach allen Kühen mehr Kraftfutter zu geben, wäre nicht effizient und würde zu viel Kapital verschlingen. „Besser ist eine strategische, dem aktuellen Bedarf der Tiere angepasste Fütterung, mit der man die Produktivität von Einzeltieren ebenso wie die der Gesamtherde steigern kann“, so die Expertin.

Dabei füttern die Bauern nur geringe Mengen an Kraftfutter gezielt an bestimmte Tiere. „So kann man mit relativ wenig Futter viel erreichen und das Potenzial der Herde besser ausschöpfen.“


Offene Fragen bei der Rinderfütterung

Doch hier sind noch viele Fragen zu klären: „Wann, wie lang und wieviel muss zugefüttert werden? Wie effektiv ist eine Zufütterung? Wie reagieren unterschiedliche Rinderrassen – sind lokale Rassen besser angepasst an die lokalen Bedingungen?“ nennt Prof. Dr. Dickhöfer einige Beispiele. „Da fehlen uns in den Tropen und Subtropen derzeit noch viele Daten.“

Die Wissenschaftlerin plant mit ihrem Team daher Versuche in Tunesien und Kenia. „Wir führen Interviews und erfassen die Größe und Struktur von Rinderherden und deren Fruchtbarkeit. Wenn wir dann Daten zur Milchleistung von Einzeltieren unterschiedlicher Rassen in Abhängigkeit von der Fütterung einbeziehen, können wir die Einflüsse auf die Herdenleistung bewerten.

Bei aller Grundlagenforschung ist das Ziel ihrer Arbeit jedoch auch ganz praxisnah und soll zusätzlich in konkrete Empfehlungen zur Fütterung münden.


Hintergrund: Projekt „Grüne Innovationszentren in Afrika“

Das Projekt „Grüne Innovationszentren in Afrika“ hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Rahmen seiner Sonderinitiative „EINEWELT ohne Hunger“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, Innovationszentren aufzubauen, in denen Schulung, Beratung und Forschung gebündelt sind. Die Umsetzung vor Ort erfolgt durch die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Die Initiative wird von wissenschaftlicher Forschung begleitet, die das BMZ mit insgesamt 6 Mio. Euro fördert. Rund die Hälfte des Betrages erhalten die afrikanischen Partner (Forum for Agricultural Research in Africa FARA, African Growth and Development Policy Modeling Consortium AGRODEP). In Deutschland sind neben der Universität Hohenheim die Universität Bonn mit dem Zentrum für Entwicklungsforschung (federführend) und die Technische Universität München beteiligt.

Die Arbeiten an der Universität Hohenheim werden mit rund 650.000 Euro unterstützt. Sie starteten am 1.3.2015 und laufen bis zum 28.2.2018. Beteiligt sind das Fachgebiet Sozialer und institutioneller Wandel in der landwirtschaftlichen Entwicklung (Prof. Dr. Regina Birner, Projektkoordinatorin), die Fachgebiete Agrartechnik in den Tropen und Subtropen (Prof. Dr. Joachim Müller) und Verfahrenstechnik in der Pflanzenproduktion (Prof. Dr. Dr. Karlheinz Köller) sowie das Fachgebiet Tierernährung und Weidewirtschaft in den Tropen und Subtropen (Prof. Dr. Uta Dickhöfer).

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