Die Farbe macht den Unterschied – Was steckt drin in rosa gefärbten Rüben?
CVUA Stuttgart
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Gemüseerzeugnisse: gesäuert, konserviert, gefärbt – welche Zusatzstoffe sind erlaubt?
Im Gegensatz zu Frischgemüse handelt es sich bei Gemüseerzeugnissen um verarbeitetes Gemüse oder haltbar gemachte Ware wie zum Beispiel tiefgefrorene Erbsen oder pasteurisierte Gurken (siehe Infokasten zu Gemüseerzeugnissen).
Nach den „Leitsätzen für Gemüseerzeugnisse“, welche die allgemeine Verkehrsauffassung für diese Lebensmittelgruppe beschreiben, können Gemüseerzeugnisse auch weitere Zutaten wie Essig, Öl, Salz, Kräuter oder Gewürze enthalten. Wohingegen die Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen laut EU-Verordnung Nr. 1333/2008 für Gemüseerzeugnisse nur in sehr begrenztem Umfang zulässig ist.
Für Zusatzstoffe gilt hier das sogenannte Verbotsprinzip: Es sind ausschließlich die in der Verordnung namentlich für die einzelnen Lebensmittelgruppen aufgelisteten Zusatzstoffe zulässig. Alle anderen sind verboten.
Bei Gemüseerzeugnissen sind dies zum Beispiel Säuerungsmittel wie Zitronensäure und Äpfelsäure oder das Antioxidationsmittel Ascorbinsäure; bei Gemüse in Essig und Öl oder Lake sind dies auch die Konservierungsstoffe Sorbinsäure und Benzoesäure, wobei hier immer auch bestimmte Höchstmengen zu beachten sind.
Als Farbstoffe sind lediglich die auch natürlich vorkommenden färbenden Stoffe wie beispielsweise Carotin oder Anthocyane zugelassen. Künstlich hergestellte Farbstoffe sind in Gemüseerzeugnissen nicht zugelassen.
Infokasten: Gemüseerzeugnisse
Die Leitsätze für Gemüseerzeugnisse beschreiben diese Produktgruppe als Erzeugnisse aus Gemüse, Teilen von Gemüse oder Zubereitungen daraus, die durch ein geeignetes Verfahren haltbar gemacht worden sind.
Dazu zählen insbesondere
- tiefgefrorenes Gemüse,
- Gemüsekonserven,
- Gemüse mit Essig
- Weiterverarbeitetes Gemüse, wie zum Beispiel Rotkohl oder Sauerkraut
Die verwendete Rohware wird je nach Gemüseart gewaschen, gereinigt, geputzt und gegebenenfalls zerkleinert oder blanchiert. Die Haltbarmachung erfolgt üblicherweise durch Trocknen, Hitze, Tiefgefrieren oder durch Zusatz von Säuren und Salzen. Als weitere Zutaten werden üblicherweise Öl, Kräuter, Salz und Gewürze eingesetzt.
Die Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen ist nach der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 für Gemüseerzeugnisse nur in sehr eingeschränktem Umfang zulässig. Als Genusssäuren sind Zitronensäure oder Äpfelsäure zugelassen. Als Konservierungsstoff in Gemüsezubereitungen ist nur Sorbinsäure zugelassen, bei Gemüse in Essig, Öl oder Lake sind Sorbinsäure und Benzoesäure zulässig.
Als Farbstoffe sind lediglich die auch natürlich vorkommenden färbenden Stoffe wie beispielsweise Carotin oder Anthocyane zugelassen. Künstlich hergestellte Farbstoffe sind in Gemüseerzeugnissen nicht zugelassen.
„Weiße Rüben“ – rosa eingefärbt
Dem CVUA Stuttgart wurden im Laufe des Jahres 2016 sieben Proben „Pickled Turnips“ aus dem Libanon zur Untersuchung vorgelegt. Hierbei handelte es sich um in Essig- und Salzlake eingelegte weiße Rüben, die in Streifen geschnitten oder in Form von Kugeln im Schraubdeckelglas in den Verkehr gebracht wurden. „Pickled Turnips“ stellen eine im arabischen Raum gebräuchliche Vorspeise dar. Die Proben wurden in Geschäften mit vorwiegend arabischem Lebensmittelangebot entnommen. Sowohl die Gemüsestücke, wie auch die Aufgussflüssigkeit fielen durch eine ungewöhnliche, intensiv leuchtende Rosafärbung auf (Abbildung 1).
Die Untersuchungen auf enthaltene Farbstoffe zeigten, dass in allen 7 Proben der Farbstoff Rhodamin B nachweisbar war. Dieser Befund ist besonders bemerkenswert, da es sich bei dem Stoff Rhodamin B nicht nur um einen für Gemüseerzeugnisse nicht zugelassenen Farbstoff handelt, sondern laut EU-Verordnung um einen Stoff, der grundsätzlich für alle Lebensmittel als unzulässig eingestuft wird. Die Proben waren daher als nicht verkehrsfähig zu beurteilen.
Der Farbstoff Rhodamin wurde und wird in vielen Ländern als Lebensmittelfarbstoff, für Kosmetika, als Textilfarbstoff und als Wasser-Tracer verwendet. Rhodamin B ist eine Substanz, die von der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA in ihrer Stellungnahme bereits 2005 als potentiell erbgutverändernd (genotoxisch) und krebserregend (cancerogen) eingestuft wurde [1], [2]. In Europa und den USA wird daher auf die Verwendung dieses Stoffes verzichtet. Die Untersuchungsergebnisse des CVUA Stuttgart in Verbindung mit der toxikologischen Bewertung durch die EFSA führten daher zu mehreren EU-Schnellwarnungen [3] (siehe Infokasten zu Europäisches Schnellwarnsystem). Die Proben mussten vom Markt genommen werden.
Infokasten: Europäisches Schnellwarnsystem
Das Europäische Schnellwarnsystem (Rapid Alert System for Food and Feed, RASFF) ist ein Netzwerk der nationalen Behörden der EU-Mitgliedstaaten unter Leitung der Europäischen Kommission und dient der raschen Übermittlung von Warnmeldungen, Informationen und Nachrichten via E-Mail zum Schutz der Verbraucher über jedes ernste mittelbare oder unmittelbare Risiko für die menschliche Gesundheit, das von Lebensmitteln, aber auch Bedarfsgegenständen und Kosmetika ausgeht.
Stellt eine Überwachungsbehörde in Baden-Württemberg fest, dass von einem bestimmten Produkt Gefahren für die menschliche Gesundheit ausgehen, übermittelt diese den Entwurf einer Schnellwarnung mit den Vor-Ort erhobenen Ermittlungsergebnissen und getroffenen Maßnahmen an das Regierungspräsidium (RP). Das Regierungspräsidium leitet diese Schnellwarnmeldung an die anderen im Land betroffenen Regierungspräsidien und an das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) weiter (upstream). Hier erfolgt die Weiterleitung an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und von dort an die anderen innerhalb der EU betroffenen Behörden.
Vom Farbstoff Rhodamin B zu Azorubin: Besser aber noch nicht gut!
Im Januar 2017 wurden zwei weitere Proben „Pickled Turnips“ am CVUA Stuttgart auf enthaltene Farbstoffe getestet. Schon bei der sensorische Prüfung fiel auf, dass die Rosafärbung nicht mehr ganz so leuchtend war, wie bei den 7 Proben aus dem Vorjahr (siehe Abbildung 2). Die lebensmittelchemischen Untersuchungen bestätigten diesen Sinnesbefund. Es wurde nicht mehr der verbotene Farbstoff Rhodamin B, sondern der prinzipiell zugelassene Lebensmittelfarbstoff Azorubin (E 122) nachgewiesen. Die Hersteller sind also einen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Da es sich bei Azorubin (E122) jedoch um einen künstlich hergestellten Farbstoff handelt, ist die Anwendung bei Gemüseerzeugnisse nach EU-Verordnung Nr. 1333/2008 nicht erlaubt. Daher dürfen auch diese Rüben so nicht in den Verkehr gebracht werden. Der Verzehr stellt jedoch kein unmittelbares Risiko für die menschliche Gesundheit dar.
Diese Ergebnisse zeigen, dass die Untersuchungen auf Zusatzstoffe im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes allgemein und insbesondere bei farblich auffälligen Gemüseerzeugnissen, auch weiterhin ein wesentlicher Bestandteil der Lebensmittelüberwachung bleiben wird. (Dr. Gerhard Braun und Nadja Bauer)
Quellen
[1] Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Berichte zur Lebensmittelsicherheit 2005 und EFSA Journal (2005) 263, 1-71; Opinion of the Scientific Panel on Food Additives, Flavourings, Processing Aids and Materials in Contact with Food on a request from the Commission to Review the toxicology of a number of dyes illegally present in food in the EU. Question number EFSA-2005-082, Adopted on 5 August 2005 by written procedure
[2] EFSA prüft toxikologische Daten zu illegalen Farbstoffen in Lebensmitteln
[3] RASFF Portal: unauthorised colours Rhodamine B (positive) and Acid Red 52 (positive) in pickled turnips from Lebanon
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