Bier und Gras? Brauereien wittern das große Geschäft mit Cannabis
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"Im Laufe des vergangenen Jahres sind wir dazu gekommen, den Cannabis-Markt und sein gewaltiges Potenzial besser zu verstehen", sagt Vorstandschef Rob Sands vom Spiritousen-Riesen Constellation Brands. Der US-Konzern, der Biermarken wie Corona und Modelo verkauft, stieg bereits im Oktober 2017 beim kanadischen Marihuana-Produzenten Canopy Growth ein. Constellation war damit der Vorreiter der Branche - und hat einen guten Riecher bewiesen.
Mitte August legten die Amerikaner kräftig nach und gaben bekannt, weitere rund vier Milliarden Dollar in Canopy Growth zu stecken. Damit soll der Anteil an den Kanadiern auf 38 Prozent ausgebaut werden. "Durch diese Investition wählen wir Canopy Growth als unseren exklusiven globalen Cannabis-Partner", verkündete Constellation-Chef Sands. Sein Unternehmen, zu dessen Portfolio auch diverse Weinsorten und hochprozentigere Kaliber wie Svedka Vodka oder High West Whiskey zählen, liegt mit der Beteiligung voll im Trend.
Kurz vor Constellations Mega-Investment bei Canopy hatte bereits der weltweit fünftgrößte Brauereikonzern Molson Coors angekündigt, groß im Cannabis-Geschäft mitmischen zu wollen. Das Unternehmen aus Denver hat die kommende Legalisierung in Kanada im Blick und startet mit seiner dortigen Tochter eine Gemeinschaftsfirma mit dem nach eigenen Angaben führenden kanadischen Marihuana-Produzenten Hydropothecary.
"Wir bleiben im Kern ein Bier-Unternehmen, freuen uns aber, ein separates neues Projekt mit einem zuverlässigen Partner zu gründen", erklärte Frederic Landtmeters, der Chef von Molson Coors Canada. Laut US-Medien schaut sich auch Diageo <GB0002374006>, der Konzern hinter Weltmarken wie Johnnie Walker und Smirnoff, nach kanadischen Cannabis-Partnern um.
Doch was führt die Branche nun im Schilde? Geht es am Ende darum, Bier oder Schnaps mit Cannabis zu mixen?
Tatsächlich stehen vor allem alkoholfreie Cannabis-Getränke im Fokus. Coors und Hydropothecary wollen solche Drinks gezielt für den kanadischen Markt entwickeln, wo Marihuana Mitte kommenden Monats als Genussmittel zugelassen werden soll und trinkbare Cannabis-Produkte ab 2019 legalisiert werden dürften. Der Rivale Heineken <NL0000009165> brachte mit seiner US-Marke Lagunitas bereits im Juli ein Sprudelwasser in Kalifornien heraus, das Cannabis enthält. In Nevada soll indes wirklich bald ein Cannabis-Bier auf den Markt kommen - allerdings ohne Alkohol.
Dass sich die Industrie nach Alternativen umschaut, hat gute Gründe. Denn der Bierkonsum in Nordamerika lässt aus Sicht der Hersteller zu wünschen übrig. Insbesondere die jüngere Kundschaft ist von Bud, Miller, Coors und Co. nicht mehr so angetan - wenn schon Alkohol, dann sind hier eher Wein oder Spirituosen gefragt. Die einzige Nische im US-Biermarkt, die in den letzten Jahren ordentlich wuchs, umfasst die "Craft Beers" kleinerer Mikrobrauereien, die dadurch auch schon zu begehrten Übernahmezielen der Industrieriesen geworden sind.
Experten sehen das boomende Cannabis-Geschäft als große Chance für Bier- und Spirituosenhersteller. "Die Cannabis-Revolution ist in vollem Gange, während die Alkohol-Industrie bislang weitgehend abseits steht", meint Spiros Malandrakis vom Marktforscher Euromonitor. Nun sei es an den Brauereien, die Chance zu nutzen: "Die Marihuana-Industrie könnte den nächsten Wachstumszyklus antreiben oder eine bereits in die Defensive geratene Branche abwürgen." Es habe eine Neuorientierung begonnen, die Antworten auf die existenziellen Fragen der Industrie liefern könnte.
Euromonitor schätzt das jährliche Volumen legaler Marihuana-Verkäufe in Kanada auf 7,5 Milliarden Dollar. "Die Aufwärmphase ist zu Ende - jetzt geht es richtig los", freut sich Canopy-Chef Bruce Linton. In den USA, wo Cannabis inzwischen in 30 Bundesstaaten als Genussmittel oder als Medikament erlaubt ist, dürfte das Marktvolumen in diesem Jahr 10 bis 11 Milliarden Dollar erreichen. Das Analysehaus Arcview geht davon aus, dass der Markt bis 2021 auf ein Volumen von 24 Milliarden Dollar steigt und die Marihuana-Industrie den USA 400 000 Jobs und 4 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen bescheren wird./hbr/DP/zb (dpa)