Weniger Werbung für „Kalorienbomben“ im Kinder-TV
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Wie effektiv ist die Selbstbeschränkung der Lebensmittel- und Getränkekonzerne, die 2007 initiiert wurde? Hat die Zahl der an Kinder gerichteten Werbespots für stark fett-, zucker- sowie salzhaltige Lebensmittel seitdem abgenommen? Diese und weitere Fragen untersuchten Wissenschaftlerinnen des Lehrstuhls für Marktforschung der Agrar- und Ernährungswirtschaft am Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik (ILR) der Universität Bonn. „Im Rahmen der Selbstverpflichtung konnte jedes Lebensmittelunternehmen die Kriterien zunächst weitgehend selbst festlegen, ab welchem Fett-, Zucker- und Salz-Gehalt keine Werbung mehr für Kinder veröffentlicht werden sollte“, sagt Doktorandin Stefanie C. Landwehr. Später wurden diese Kriterien europaweit vereinheitlicht – aber nach wie vor werden sie von Unternehmensseite und nicht von einer unabhängigen wissenschaftlichen Stelle festgelegt.
Sichtung von 88 Stunden Werbung
Im Rahmen der Untersuchung zeichneten die Autorinnen insgesamt 88 Stunden Werbung mit 3047 Werbespots für Getränke- und Lebensmittelprodukte an bestimmten Stichtagen im Oktober 2011 und 2014 auf. Anhand eines Bewertungskatalogs untersuchte Stefanie C. Landwehr unter Berücksichtigung des Kontexts und der Tonalität der Werbebotschaften, ob sich der jeweilige Werbeclip an Kinder (697 Spots) oder Erwachsene richtete. Darüber hinaus recherchierte die Forscherin für jedes Lebensmittelprodukt, das kindgerecht beworben wurde, die Nährwerte und ordnete ein, ob es mit den harmonisierten Werberichtlinien der Selbstverpflichtung in Einklang stand oder nicht.
Ebenfalls bewertete sie die Produkte nach den OFCOM-Kriterien. Dieses vom britischen Amt für Kommunikation entwickelte Nährwertprofil dient unter anderem als Basis für die gesetzliche Beschränkung von an Kinder gerichteter Lebensmittelwerbung im Fernsehen im Vereinigten Königreich. Bei ihren Untersuchungen differenzierten die Wissenschaftlerinnen zwischen Lebensmittel- und Getränkeunternehmen, die die Selbstverpflichtung unterschrieben haben und solchen, für die dies nicht gilt. Außerdem analysierten sie, welche Faktoren beeinflussen, ob ein Lebensmittelwerbespot den Kriterien der Selbstverpflichtung oder den OFCOM-Kriterien genügt.
Auf den ersten Blick zeigt die Selbstverpflichtung der Lebensmittel- und Getränkeindustrie erhebliche Wirkung: „Im Oktober 2014 und damit kurz vor Inkrafttreten der Harmonisierung entsprachen fast alle Werbespots im Kinderfernsehen den selbst auferlegten Kriterien“, berichtet Landwehr. Auch sind die an Kinder gerichteten Werbespots insgesamt stark zurückgegangen. „Die freiwillige Selbstverpflichtung der Konzerne ist ein Schritt in die richtige Richtung“, ergänzt Prof. Dr. Monika Hartmann. Allerdings seien die selbstgewählten Kriterien der Unternehmen zur Regulierung der Werbung nicht stringent genug. „Großbritannien hat hier mit dem OFCOM-Nährwertprofil deutlich strengere Vorgaben für die Regulierung von an Kinder gerichteter Lebensmittelwerbung.“ Legt man diese Kriterien zugrunde, ist das Bild nicht mehr ganz so positiv. Außerdem schmälere die Freiwilligkeit den potenziellen Effekt, weil nicht alle Lebensmittelunternehmen mitziehen.
Konzerne nutzen teils Lücken im Regelwerk aus
Darüber hinaus nutzen nach den Erkenntnissen der Forscherinnen auch Lebensmittel- und Getränkekonzerne, die die freiwillige Selbstverpflichtung unterschrieben haben, Lücken aus. Zu den Sendezeiten des „Erwachsenenfernsehens“ wird weiterhin in erheblichem Maße für problematische Produkte in kindgerechter Weise geworben, obwohl auch hier Kinder oft mit vor dem Fernseher sitzen. „Wünschenswert wäre deshalb, dass die Richtlinien für alle Sendungen und nicht nur für Kindersendungen gelten, wenn es sich um an Kinder gerichtete Werbespots handelt“, sagt Landwehr.