Amtliche Lebensmittelkontrollen während Corona reduziert oder ausgesetzt

Probleme bei der Lebensmittelsicherheit?

28.05.2020 - Deutschland

Eine bundesweite Umfrage des ARD-Politikmagazin "Report Mainz" bei allen zuständigen Landesbehörden hat ergeben, dass in 14 von 16 Bundesländern routinemäßige Lebensmittelkontrollen mit Beginn der Corona-Krise reduziert oder komplett eingestellt wurden.

jdn2001cn0/Pixabay

Anfrage an die Länder

"Report Mainz" fragte die Länder nach der Anzahl der planmäßigen Routinekontrollen, also nach unangekündigten Untersuchungen in Lebensmittelbetrieben, beispielsweise um die Hygienebedingungen zu überprüfen. In Brandenburg, Saarland und Schleswig-Holstein wurden diese Kontrollen viele Wochen komplett eingestellt. In den meisten anderen Bundesländern wurden routinemäßige Lebensmittelkontrollen nicht im normalen Umfang durchgeführt. So heißt es beispielsweise aus Hamburg, dass diese Kontrollen "weitgehend heruntergefahren" wurden, oder aus Hessen, dass Routinekontrollen zeitweise nur "eingeschränkt" durchgeführt wurden. Konkrete Zahlen erhielt "Report Mainz" nur aus wenigen Bundesländern: In Sachsen wurden in den Monaten März und April von rund 10.000 Routinekontrollen nur knapp 4.000 durchgeführt, wie die zuständige Behörde mitteilte. Das entspricht gerade mal 40 Prozent des angesetzten Soll-Werts. Von Bayern und Nordrhein-Westfalen erhielt "Report Mainz" keine Zahlen.

Weniger Lebensmittelanalysen im Labor

Auch wurden zeitweise weniger bis keine sogenannten Planproben genommen. Hierbei werden Lebensmittel im Labor analysiert. Auch bei diesen Kontrollen kam es bei der Anzahl zu "deutlichen Abweichungen nach unten" vom Sollwert, wie zum Beispiel das Land Baden-Württemberg mitteilte. Thüringen reduzierte die Planproben "auf ein notwendiges Mindestmaß". Mecklenburg-Vorpommern meldete, dass im April 18 Prozent der vorgeschriebenen Planproben entnommen wurden. In Hessen waren es im selben Monat nur 6,5 Prozent.

Abzug von Kontrolleuren für Corona-Bekämpfung

Als Gründe für die Reduzierung bzw. Aussetzung gaben mehrere zuständige Landesbehörden an, dass ein "erheblicher Teil des Personals" (Baden-Württemberg) in die Gesundheitsämter versetzt oder an "lokale Krisenstäbe" (Sachsen) ausgeliehen wurde. Beispielsweise waren in Niedersachen 60 Beschäftigte der Lebensmittelüberwachung im Gesundheitsamt tätig - zum Beispiel bei der Corona-Telefon-Hotline. Aktuell werden laut den Behörden die Kontrollen langsam wieder hochgefahren. Wann die Kontrollen wieder in normalem Umfang stattfinden, konnten viele Landesbehörden nicht mitteilen. Konzepte, um die Überwachung auf ein Normalmaß wieder hochzufahren, liegen in vielen Bundesländern nicht vor.

Weniger behördliche Warnmeldungen im Internet

Dass weniger kontrolliert wird, legt auch eine Auswertung mehrerer Lebensmittelwarnsysteme nahe. Im europäischen Schnellwarnsystem für Lebensmittel und Futtermittel (RASFF) nahmen die Meldungen über ernste Gefahren durch verunreinigte Lebensmittel aus Deutschland während der Corona-Krise kontinuierlich ab. Waren es im Januar noch, dem Durchschnitt von 2019 entsprechend, über 30 Warnmeldungen, gab es Ende Mai lediglich fünf Warnungen (Stand: 25. Mai 2020) für ernste Lebensmittelverunreinigungen, wie Glas, Plastik oder Krankheitserreger wie Listerien und Salmonellen.

Opposition und Verbraucherschützer fordern wieder mehr Kontrollen

Gegenüber dem ARD-Politikmagazin "Report Mainz" kritisierte die ehemalige Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), dass schon vor der Corona-Krise viele Kontrollen nicht durchgeführt worden wären. Damit spitze sich das Problem jetzt zu, so Künast: "Wir müssen da möglichst schnell wieder in mindestens den alten Normalzustand kommen, weil, wenn es zum Beispiel um Salmonellen und Ähnliches geht, sind es ja Erkrankungen, die sehr akut die Gesundheit nicht nur massiv beschädigen, sondern es sind Erkrankungen, die lebensgefährlich sein können, insbesondere für die Schwächeren."

Kritik von Umweltorganisation Germanwatch e.V.

Der gemeinnützige Verein Germanwatch e.V. sieht die reduzierten amtlichen Kontrollen in den Lebensmittelbetrieben sehr kritisch. Die Umweltorganisation engagiert sich für globale Gerechtigkeit und den Erhalt von Lebensgrundlagen. Die Referentin für Landwirtschaft und Tierhaltung, Reinhild Benning, sagte gegenüber "Report Mainz": ""Der Staat stiehlt sich aus der Verantwortung, wenn Kontrollen eingeschränkt werden, vor allem die unabhängigen Kontrollen. Vor diesem Hintergrund ist es schon ein großes Risiko für die Gesundheit, wenn gerade in diesem sensiblen Sektor nicht mal im vorgegebenen Maße kontrolliert wird."

Foodwatch Deutschland: Kontrollen auch während Corona-Pandemie wichtig

Auch Martin Rücker, Geschäftsführer von foodwatch Deutschland, betonte gegenüber "Report Mainz", wie wichtig Lebensmittelkontrollen auch während der Corona-Pandemie sind: "Wir müssen damit rechnen, wenn wir die Lebensmittelkontrollen nicht ganz schnell hochfahren, dann bekommen wir massive Probleme bei der Lebensmittelsicherheit". Deswegen fordert Rücker von den Behörden Konzepte, wie die Lebensmittelkontrollen wieder auf das Normalmaß gebracht werden können.

Auf Anfrage von "Report Mainz" antwortete das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, die Durchführung von Lebensmittelkontrollen sei verfassungsgemäß alleinige Aufgabe der Länder.

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