Geflügelwirtschaft will Tarifvertrag für die ganze Branche

Setzen auf starke Sozialpartnerschaft und Flexibilität

03.07.2020 - Deutschland

In der Diskussion um Arbeitnehmerschutz in der Fleischwirtschaft macht die deutsche Geflügelwirtschaft der Politik ein weitreichendes Angebot. "Wir wollen einen Tarifvertrag für die gesamte Branche", bringt Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft e. V. (ZDG), eine Regelung nach bestehendem Tarifvertragsrecht in die Diskussion ein. Diesen von der gesamten deutschen Schlachtgeflügelbranche getragenen Vorstoß hat Ripke beim digitalen Politischen Frühstück des ZDG heute früh erstmals im Kreis der Bundespolitik vorgestellt - mit sehr positiver Resonanz seitens der Parlamentarier. Gastredner Prof. Dr. Gregor Thüsing bekräftigt aus der fachlichen Perspektive des Arbeitsrechtlers positive Effekte des Gedankens: "Das ist eine sympathische Lösung, ein Ausdruck der Stärke der Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern."

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Tarifvertrag sichert Beschäftigten effektiven Arbeitnehmerschutz

Aus Sicht des ZDG ist der allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag gegenüber dem Gesetz die klar stärkere Lösung: Er bietet den Beschäftigten durch umfassende Regelungen effektiven Arbeitnehmerschutz und sichert überdies den Unternehmen die dringend nötige Flexibilität durch Arbeitnehmerüberlassung, also Leiharbeit. "Der Tarifvertrag bietet die Chance, die zahlreichen Vorschläge zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Detail festzuschreiben", sagt ZDG-Präsident Ripke. "Das wollen wir gemeinschaftlich anpacken, wir stehen zu unserer Verantwortung!" Das sektorale Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung hält der ZDG nach wie vor für verfassungswidrig. Gleichwohl hat die Branche den Verzicht auf Werkverträge ab Januar 2021 erklärt. "Die Arbeitnehmerüberlassung als wichtiges Instrument für saisonale Absatzspitzen aber brauchen wir", betont Ripke. "Hier bitten wir die Politik um klare Differenzierung und wichtige Unterstützung."

Tarifvertrag kann mehr als Gesetz - schneller, umfassender, detailreicher

Warum ist der Tarifvertrag im Vergleich zu einem Gesetz die klar bessere Lösung? Eine umfassende juristische Würdigung hierzu gab Prof. Dr. Gregor Thüsing, Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn, beim Politischen Frühstück. "Der Tarifvertrag kann deutlich mehr als ein Gesetz - er ist schneller, umfassender, detailreicher und hat effektivere Kontrollregelungen", ordnete Thüsing den Vorstoß der Geflügelwirtschaft in die aktuelle politische Debatte ein. Aktuelle Überlegungen, außer Werkverträgen auch die Arbeitnehmerüberlassung zu verbieten, seien hingegen nicht mehr als ein "politischer Reflex" und in der Sache unbegründet, so Thüsing: "Durch die intensive Regulierung der Leiharbeit zum Beispiel mit Equal Pay ist ein erheblicher Arbeitnehmerschutz gewährleistet. Für ein Verbot gibt es europa- und verfassungsrechtlich keine hinreichenden Gründe."

"Ohne Flexibilität hat die Geflügelfleischerzeugung in Deutschland keine Zukunft"

Für die Wirtschaftsgruppe der Geflügelschlachtereien im ZDG schilderte Präsidiumsmitglied Paul-Heinz Wesjohann eindringlich die dramatischen Auswirkungen eines möglichen Verbots der Arbeitnehmerüberlassung auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Geflügelfleischerzeugung. In der Grillsaison von März bis August seien die Geflügelschlachtereien auf 20 bis 25 Prozent mehr Mitarbeiter angewiesen, um die saisonal deutlich höheren Aufträge aus dem Lebensmitteleinzelhandel bewerkstelligen zu können. "Wenn wir diese Nachfrage nicht bedienen können, kommt die Ware aus dem Ausland - und dann hat unsere fortschrittliche deutsche Geflügelfleischerzeugung mit den tierwohlorientierten Geflügelhaltern keine Zukunft mehr", richtete Wesjohann einen klaren Appell an die Politik. "Wir wünschen uns einen Tarifvertrag, aber wir brauchen Ihre Hilfe bei der Flexibilität."

Politik lobt Vorstoß der Geflügelwirtschaft als "charmant und überzeugend"

Der Vorstoß der Geflügelwirtschaft in Richtung Tarifvertrag wurde von der Politik in einem offenen, konstruktiven Austausch durch die Bank sehr positiv aufgenommen. Als "charmant und überzeugend" lobte CDU/CSU-Fraktionsvize Gitta Connemann das Angebot des ZDG: "So lässt sich unser gemeinsames Ziel erreichen, durchgängig gute Arbeitsbedingungen in der Branche zu schaffen und aus den Negativschlagzeilen zu kommen."

Politisches Frühstück des ZDG erstmals als Videokonferenz durchgeführt

Mit dem erstmals als Videokonferenz durchgeführten Politischen Frühstück geht der ZDG neue Wege. Da eine Präsenzveranstaltung aufgrund der andauernden Corona-Pandemie nicht möglich war, verlegte der ZDG das bewährte Format des Hintergrundgesprächs mit den Bundesparlamentariern kurzerhand ins Internet. Gefrühstückt wurde aber natürlich trotzdem: Der ZDG hatte den rund 25 teilnehmenden MdBs und wissenschaftlichen Mitarbeitern jeweils ein "Frühstücks-Carepaket" mit Chicken Bagel und Frühstücksei in die Büros liefern lassen - alles selbstverständlich aus deutscher Herkunft.

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