„New Work“ – Corona wirkt bei Unternehmen als Turbobeschleuniger für Entscheidungen

Vertrauensarbeitszeit statt „Stempeln“

17.02.2021 - Deutschland

Die Arbeitswelt verändert sich in Deutschland derzeit dank der Corona-Pandemie in nie gekannter Geschwindigkeit und lange verschleppte Projekte werden umgesetzt. Dies ist das Ergebnis einer vom Europäischen Management Institut an der Hochschule Hof (emi e.V.) durchgeführten Studie in Zusammenarbeit mit über 50 Unternehmen aus dem gesamten Bundesgebiet. Während es wirtschaftlich Gewinner und Verlierer der Krise gibt, so wirkt die Pandemie bei annähernd allen Unternehmen wie ein Entscheidungsbeschleuniger. Dies bringe zahlreiche, von den Personalverantwortlichen als sehr positiv eingeschätzte Veränderungen in der Arbeitsorganisation sowie der Arbeitszeitgestaltung in Gang.

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Covid-19 traf Deutschland weitgehend unvorbereitet. „Während die Bundesregierung bemüht war, durch zum Teil drastische Maßnahmen die Pandemie einzudämmen, sahen sich die Unternehmen mit zahlreichen Herausforderungen wie der Aufrechterhaltung ihrer Lieferketten und ihrer eigenen Produktion, der Sicherstellung ihres Absatzes sowie einigen grundlegenden Veränderungen in ihrer Arbeitsorganisation konfrontiert“, so Prof. Dr. Stefan Wengler, Professor für Marketing und Technischen Vertrieb an der Hochschule Hof.

Qualitative Unternehmensbefragung

Zusammen mit seinem Kollegen Prof. Dr. Joachim Riedl, Leiter des Studiengangs Marketing Management, hat er in einer umfassenden Studie nun untersucht, welche Folgen das COVID-19-Virus auf die deutsche Arbeitsrealität hat. Ziel der Untersuchung war es, Daten zu liefern, um die mittel- bis langfristigen ökonomischen Auswirkungen der Pandemie besser abschätzen zu können - insbesondere hinsichtlich der Gestaltung zukünftiger Arbeitsprozesse. Hierfür wurden Personalverantwortliche aus 52 mittelständischen Unternehmen unterschiedlicher Branchen in Tiefeninterviews nach ihren Erfahrungen befragt.

Interaktionsprozesse ändern sich nachhaltig

Das wichtiges Ergebnis dabei: Auch wenn anfangs der Fokus der Unternehmensführungen auf der Sicherstellung von Lieferkette und der Gewährleistung der Produktion lagen, so werden langfristig vor allem die internen und externen Interaktionsprozesse sehr viel stärker von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen sein und sich verändern: „Die traditionell organisierten Arbeitsprozesse wurden von einem auf den anderen Tag aufgebrochen und ins Homeoffice verlagert. Die Mitarbeiter mussten lernen, sich selbständig und neu zu organisieren. Der Umfang der notwendigen Kommunikation zwischen den Mitarbeitern wurde fast täglich neu in Frage gestellt und aufgrund der örtlichen Gegebenheiten erschwert. Und auch die Kundenkommunikation und Kundeninteraktion mussten neu gedacht werden. Zudem wurden natürlich die IT-Systeme der Unternehmen einem echten Härtetest unterzogen“, so die beiden Forscher.

Krise als Zeitpunkt für Veränderung

Am meisten macht den Unternehmen laut der Befragung die Unsicherheit der Geschäftsaussichten bzw. der zukünftigen Geschäftsentwicklung zu schaffen. Die geringe Planbarkeit, das unvorhersehbare Kundenverhalten sowie die Angst vor weiteren und langen Lockdowns werden als wesentliche Herausforderungen benannt.

Allerdings - und das ist die positive Erkenntnis - wurden nach Aussagen der Unternehmen während der Pandemie viele grundsätzliche Weichenstellungen getroffen, da das Management zahlreicher Unternehmen die Corona-Pandemie als den geeigneten Zeitpunkt hierfür ansah. „Die Pandemie wird demnach von vielen Entscheidern als echter Beschleuniger von Entscheidungsprozessen gesehen. Die befragten Personalmanager waren zwar stark mit organisatorischen Aufgaben belastet, finden es aber andererseits sehr erfreulich, dass die seit langem in der Schublade liegenden Konzepte zur Flexibilisierung von Arbeitsprozessen und Arbeitszeit an Aktualität gewonnen haben. Generell wird in diesem Zusammenhang auch die Digitalisierung für personalrelevante Prozesse als vorteilhaft gesehen“, so Prof. Dr. Joachim Riedl.

Anteil an Homeoffice wächst rapide

Mit der massenhaften Umstellung auf das Home-Office und das mobile Arbeiten
betraten viele Unternehmen Neuland. Waren vor der Pandemie im Mittel nur 8,5% der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von zuhause aus tätig, so wuchs dieser Anteil durch das Virus im Mittel auf 38%, wobei es nun auch Unternehmen gibt, die zu 100% von zuhause aus arbeiten lassen. Während der Fokus anfangs auf der rein technischen Umstellung lag, die viele Unternehmen unvermittelt traf, erkannten die Teilnehmer der Studie andere Herausforderungen als noch gravierender: Die eigenen Mitarbeiter mussten von einen auf den anderen Tag ihren Arbeitsalltag zu Hause selbst gestalten und einteilen. Home-Office ist in vielen Berufen - und bei all der im eigenen Haus möglichen Ablenkungen - kein leichtes Unterfangen. Zudem mussten die Mitarbeiter lernen, mit einer eingeschränkten Kommunikation und anderen Kommunikationskanälen umzugehen.

Vertrauensarbeitszeit statt „Stempeln“

Die Personalverantwortlichen sehen dabei die Herausforderung, dass die Mitarbeiter trotzdem leistungsfähig bleiben und den Verzicht auf soziale Kontakte verarbeiten. Gleichzeitig mussten die Vorgesetzten lernen, dass die klassische Stundenerfassung obsolet wird und man sich schon zwangsläufig in Richtung einer Vertrauensarbeitszeit entwickeln muss. Der Zugriff auf die eigenen Mitarbeiter war demnach nicht mehr so unmittelbar wie zuvor, was im Einzelfall zu erheblichen Einschränkungen in der Abarbeitung bestimmter Aufgaben führen kann.

Insgesamt aber werde die neue Arbeitsrealität, das „New Work“, Eingang in die künftige Normalität finden, so sind sich die Personalverantwortlichen der Wirtschaft sicher. „Zwar bleiben bis zu einer endgültigen und nachhaltigen Umstellung in den kommenden Jahren noch viele organisatorische, technische und vor allem auch managementbezogene Fragestellungen zu klären. Aber dennoch wurde durch COVID-19 ein epochaler Wandel unserer Arbeitskultur eingeleitet, der unsere Gesellschaft in Zukunft möglicherweise krisensicherer und flexibler machen wird“, so Prof. Dr. Stefan Wengler abschließend.

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