Wie schaffen deutsche Firmen einen erfolgreichen Markteintritt in Indien?
"Your success in India" im Interview mit Herrn Daniel Raja
Martina Maciejewski - Your success in India
Your success in India (YSII): In unterschiedlichsten Funktionen beraten Sie schon seit vielen Jahren deutsche Firmen beim Markteintritt in Ihre Heimat Indien. Wie kamen Sie dazu und was war Ihr erstes Projekt?
Raja: Das war reiner Zufall. Die Firma Asia-Pacific Management Consulting GmbH hat damals einen Projektassistenten für die Indien Beratung gesucht. Neben den üblichen Anforderungen sollte die Person eine Affinität für Indien haben und technisches Hintergrundwissen. Die einzige Projektleiterin für Indien ist in den Mutterschutz gegangen und plötzlich war ich Projektleiter und musste die Produktionsstätte eines Nürnberger Chemieunternehmens in Bangalore aufbauen. Firmengründung, Personalsuche und Auswahl des Werksleiters und Labortechnikers, Lieferantensuche für chemische Rohstoffe und technische Geräte, Verhandlungsführung, Einholung der Genehmigungen und Lizenzen, Bauüberwachung,...
Das war ein sehr lehrreiches erstes Projekt und hat mich als Berater enorm geprägt. Sie müssen sich vorstellen, dass niemand in der Firma ein solches Projekt in Indien bis dahin geleitet hat. Ich musste mir also alles alleine anlernen und vor Ort umsetzen. Seitdem weiß ich, dass Theorie und Praxis in Indien zwei völlig verschiedene Paar Schuhe sind.
YSII: Was war Ihr erster Eindruck über die deutsche Geschäftsmentalität und hat sich diese Einstellung im Laufe der Jahre verändert? Hat sich denn auch Ihre Einstellung gegenüber der indischen Mentalität verändert?
Raja: Die „Deutschen“ sind sehr direkt in Gesprächen, arbeiten strukturiert und achten in jeglicher Hinsicht auf Genauigkeit. Leider sind viele deutsche Geschäftsleute in interkulturellen Aspekten gar nicht informiert und agieren oftmals sehr naiv. Die letzten zwei Punkte haben sich überhaupt nicht verbessert und das liegt hauptsächlich an deren eigenen Selbstüberschätzung. Ich rate daher jedem deutschen Unternehmer vorher ein interkulturelles Seminar zu besuchen, bevor man Geschäfte in Indien macht.
Die junge Generation Inder ist offener gegenüber anderen Kulturen, sehr ambitioniert und wesentlich anpassungsfähiger in der globalen Wirtschaft. Mit dieser Generation macht es mir sehr viel Spaß zu arbeiten.
Die alte Generation Inder ist teilweise noch sehr konservativ und wenig flexibel. Zudem können einzelne Prozesse sehr Zeitintensiv sein, ohne am Ende zum Erfolg zu kommen. Es fällt mir deutlich schwerer mit diesen Menschen zu arbeiten.
YSII: Unter welchen Umständen verläuft eine Kooperation zwischen einem deutschen und einem indischen Unternehmen reibungslos? Verraten Sie uns Ihr Erfolgsrezept für eine harmonische Zusammenarbeit?
Raja: Vorab müssen sich das deutsche und indische Unternehmen erst einmal „kennenlernen“. Mit „Kennenlernen“ meine ich nicht ein 2-3 stündiges Meeting an einem neutralen Ort, sondern sich gegenseitig vor Ort besuchen. Die Geschäftsstrukturen kennenlernen, Arbeitsweisen und Unternehmenskulturen verstehen, lokale infrastrukturelle Gegebenheiten begutachten und eine menschliche Vertrauensbasis aufbauen. Anschließend müssen alle Inhalte der Kooperation vertraglich festgehalten bzw. schriftlich protokolliert werden und dann gilt es nur noch auf beiden Seiten den Kommunikationskanal offenzuhalten.
YSII: Und was ist Ihrer Meinung nach der Grund, wenn eine solche Zusammenarbeit viel Zeit, Energie und Geld kostet?
Raja: Eine Kooperation kann nur optimal funktionieren, wenn man alle wirtschaftlichen und kulturellen Aspekte in die Planung mit einbezogen hat. Der indische Partner macht sich in der Regel keine Gedanken darüber, wie man eine Zusammenarbeit mit einem deutschen Unternehmen reibungslos realisieren kann. Es liegt also in der Verantwortung des deutschen Unternehmens sich entweder vorab entsprechend schulen zu lassen oder mit einem Unternehmensberater zusammenzuarbeiten. Nur so kann man sich Zeit, Energie und Geld sparen.
YSII: Was war denn Ihre außergewöhnlichste oder überraschendste Situation bei der Zusammenführung deutscher und indischer Firmen oder Geschäftsleute?
Raja: Das war bei einer bestehenden Geschäftsbeziehung zwischen einem deutschen Unternehmen und dessen indischen Vertriebspartner. Ich habe durch Gespräche mit Mitarbeitern des indischen Unternehmens rausgefunden, dass der Geschäftsführer ein Betrüger ist. Nach einigen Recherchen habe ich sogar festgestellt, dass der Inder nicht nur ein Betrüger, sondern ein Schwerstkrimineller ist. Also wirklich jemand von der ganz üblen Sorte. Als ich dem deutschen Unternehmer über meine Erkenntnisse informiert und strikt davon abgeraten habe, weiterhin Geschäfte mit diesem Menschen zu machen, wurde mir entgegnet, dass das überhaupt nicht stimmen könne und ich mich irre. Die beiden Unternehmer hatten sich angefreundet und planten sogar einen gemeinsamen Urlaub mit ihren Familien.
Nach Projektende habe ich erfahren, dass die Zusammenarbeit beendet worden ist und der indische Unternehmer mittlerweile im Gefängnis sitzt.
YSII: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten für Ihre nächste Indien-Reise – welche wären das?
Raja: (a) Unbegrenzte Gepäckmitnahme. Leider kann ich nicht genug Geschenke für meine Familie und Freunde mitnehmen
(b) Ein respektvollerer Umgang zwischen meinen indischen Landsleuten, unabhängig von Kaste, Geschlecht oder sozialer Status
(c) Wieder mit einem Auto durch die Straßen von Indien fahren. Leider will keiner in meiner Familie, dass ich in Indien Auto fahre. Angeblich bin ich zu schnell und hupe zu wenig :-)
YSII: Was ist der größte Unterschied und welches die größte Gemeinsamkeit zwischen indischen und deutschen Firmen?
Raja: Aus Sicht von KMU’s gibt es sehr viele Unterschiede. Der vielleicht größte Unterschied ist die Herangehensweise bei Kontaktanbahnungen. In Indien werden Geschäftsgespräche meistens über die persönliche Ebene eingeleitet und somit langfristige Beziehungen aufgebaut.
Die größte Gemeinsamkeit ist die Verbundenheit zur eigenen Region.
YSII: Welche Firmen unterstützen Sie bei Ihrer Tätigkeit beim BVWM?
Raja: Hier muss man unterscheiden:
Im BVMW arbeite ich überwiegend mit kleineren mittelständischen Unternehmen aus nahezu allen Industriebereichen zusammen, die mit ihrem Indien Geschäft noch relativ am Anfang stehen.
Mit dem BVMW arbeite ich überwiegend mit großen Verbänden, Institutionen und Unternehmen zusammen, um die Interessen des deutschen Mittelstandes zu vertreten.
YSII: Danke, Herr Raja, für dieses spannende und aufschlussreiche Interview! Wir wissen es sehr zu schätzen, dass Sie sich die Zeit genommen haben.