Als probiotisch bezeichnete Lebensmittel enthalten meist Mikroorganismen (z. B. Milchsäurebakterien der Art Lactobacillus casei), die, sofern sie die Magenpassage überhaupt zu einem nennenswerten Anteil teilungsfähig überwinden können, im Dünndarm, teilweise auch im Dickdarm, durch quantitative Verdrängung und Produktion von antibakteriellen Stoffen (Bacteriocine) einer Fehlbesiedlung mit Darmkeimen entgegenwirken sollen. Möglicherweise verdrängen sie aber auch Teile der erwünschten Darmflora, wodurch das dort herrschende Gleichgewicht empfindlich gestört würde. Einige probiotische Bakterien (z. B. L. bulgaricus) können sich nur vorübergehend innerhalb der Darmflora behaupten und werden nach Beendigung der Zufuhr innerhalb weniger Wochen nahezu vollständig verdrängt.
Probiotischer Joghurt
Probiotischer Joghurt kann auf verschiedene Arten hergestellt werden. Meistens wird er zunächst auf herkömmliche Weise unter Zusatz der üblichen Starterkulturen hergestellt und erst nachträglich der probiotisch erwünschte Bakterienstamm zugesetzt. Je nach verwendetem Stamm kann die Fermentation der Milch jedoch auch durch den probiotisch erwünschten Bakterienstamm selbst erreicht werden; in diesem Fall enthält das Produkt ausschließlich diesen Bakterienstamm.
Weitere fermentierte Lebensmittel
Weitere Lebensmittel, die durch Fermentierung hergestellt werden, enthalten, sofern sie nicht pasteurisiert oder anderweitig erhitzt werden, lebende und probiotisch erwünschte Bakterien. Zu diesen Lebensmitteln zählen zum Beispiel Sauerkraut, Sauerkrautsaft, Brottrunk und Miso.
Probiotische Nahrungsmittel
Nachdem ursprünglich nur entsprechender Joghurt angeboten wurde, erscheinen zunehmend weitere Nahrungsmittel, etwa Quark, Käse, Wurst oder Speiseeis, die probiotische Bakterien enthalten, auf dem Markt.
Ein mit Lactobacillus acidophilus (L.a.) und Bifidobacterium bifidum (B.b.) angereichertes Speiseeis, aus Geschmacksgründen leicht säuerlich mit pH-Werten zwischen 5,0 und 6,0, wurde 17 Wochen bei −29 °C gelagert. Dabei verringerte sich sein Lebendbakteriengehalt von anfangs 1,5 × 108 cfu/ml (L.a.) und 2,5 × 108 cfu/ml (B.b.) auf 4 × 106 cfu/ml (L.a.) und 1 × 107 cfu/ml (B.b.). Diese akzeptable Verringerung zeigte, dass selbst länger tiefgefrorenes Speiseeis als probiotisches Nahrungsmittel tauglich ist.
Probiotische Zusatzpräparate
Von den Nahrungsmitteln klar abzugrenzen sind die probiotischen Zusatzpräparate (Nahrungsergänzungsmittel). Im Gegensatz zu den Nahrungsmitteln enthalten diese stets mehrere Millionen bis Milliarden lebensfähige Bakterien in Pulverform. Die meisten Präparate enthalten Bifidobakterien und Laktobakterien mit teilweise wissenschaftlich belegten Wirkungen. Die Zusammensetzung und das Mischverhältnis werden durch den Hersteller gewählt, und so haben die Produkte je nach Bakterienart und -stämmen eine unterschiedliche Wirkung. Als sehr populär gilt der L. acidophilus, über dessen Wirksamkeit sehr viele Studien existieren. Die meisten probiotischen Zusatzpräparate sind nur in Apotheken erhältlich.
Eigenschaften und Erforschung
Eine der vielen Schwierigkeiten der Erforschung liegt darin, dass die Eigenschaften von Probiotika jeweils stammspezifisch sind. Es ist weiterhin zu beachten, ob in den Studien die probiotischen Nahrungsmittel selbst oder die höherdosierten probiotischen Nahrungsergänzungsmittel untersucht wurden, sodass sich die Aussagen nicht verallgemeinern lassen. Manche Stämme traditioneller Milchsäurebakterien können ähnlich positiv im Darm wirken.
Teilweise positive Ergebnisse brachten Untersuchungen an einigen probiotischen Bakterienstämmen (im Vergleich zu Placebo) bezüglich
- Förderung der Lactose-Verdauung
- Gastroenteritis
- Reizdarmsyndrom
- Verstopfung
- Bluthochdruck
Positive Effekte von Probiotika vergangener Studien könnten aber durch falsch-positive Ergebnisse in Frage gestellt werden. Daten einer 2018 durchgeführten Studie mit endoskopisch entnommenen Stückchen der Darmschleimhaut weisen darauf hin, dass die eigene Darmflora ein Anhaften probiotischer Stämme verhindere – vielmehr passieren die aufgenommenen Bakterien den Darm und werden wieder ausgeschieden, ohne sich in die Darmflora zu integrieren. Die Teilnehmerzahl der Studie war mit 15 untersuchten Personen allerdings sehr klein, außerdem wurde nur ein Probiotikum eingesetzt und mögliche positive Effekte wurden nicht betrachtet.
Darüber hinaus wurde in einer anderen Studie mit insgesamt 21 Teilnehmern gezeigt, dass sich zwar Bakterienstämme der Probiotika in einer künstlich mittels Antibiotika beschädigten Darmflora schnell einnisten. Jedoch hat sich die Regeneration der Darmflora im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Probiotika-Einnahme stark verzögert. Damit kann der Konsum von Probiotika bei Durchfällen oder Magen-Darm-Beschwerden während einer Antibiotika-Therapie sogar kontraproduktiv sein.
Beispiele für probiotische Bakterienstämme in Nahrungsmitteln
- Bifidobacterium animalis subsp. lactis BB-12 Chr. Hansen
- Bifidobacterium animalis subsp. lactis DN-173 010 (= Bifidobacterium Digestivum Essensis) Danone
- Bifidobacterium animalis subsp. lactis HN019 (= Howaru Bifido) Danisco
- Lactobacillus acidophilus LA5 [Chr. Hansen]
- Lactobacillus acidophilus NCFM Rhodia Inc.
- Lactobacillus johnsonii La1 (= Lactobacillus LC1) Nestlé
- Lactobacillus casei immunitass/defensis (= Actimel) Danone
- Lactobacillus casei Shirota (DSM 20312) Yakult
- Lactobacillus casei CRL431 [Chr. Hansen]
- Lactobacillus reuteri (ATCC 55730) [BioGaia Biologics]
- Lactobacillus rhamnosus (ATCC 53013) Valio
Beispiele für Bakterienstämme, die eindeutig keine probiotische Wirkung besitzen
Die folgenden Stämme haben keine probiotische Wirkung, da sie die extremen Bedingungen im Magen, und danach im Zwölffingerdarm (Duodenum) durch die dort erfolgende Beimischung von Galle aus der Gallenblase nicht überleben und somit nicht lebend im Darm ankommen:
- Lactobacillus delbrueckii subsp. bulgaricus (vor 1984 als Lactobacillus bulgaricus bekannt)
- Streptococcus thermophilus
- Lactobacillus helveticus
Health Claims
Seit Anfang 2007 sind in der Europäischen Union unbelegte gesundheitsbezogene Aussagen (Health Claims) untersagt (Health-Claims-Verordnung). Demnach sind gesundheitsbezogene Aussagen zu Lebensmitteln nur noch statthaft, wenn sie auch wissenschaftlich belegt sind.
Die bis heute behaupteten gesundheitsbezogenen Angaben über Probiotika hat die EFSA bis auf eine Ausnahme alle negativ bewertet, sie sind daher nicht in der EU-Positivliste aufgeführt und dürfen nicht auf den Produkten angegeben werden. Infolgedessen dürfen Hersteller ihre Produkte nicht mehr mit „probiotisch“ bewerben, allenfalls allgemeine Aussagen wie die Menge der darin enthaltenen Bakterienkulturen sind erlaubt. Nur eine Förderung der Laktoseverdauung konnte bei drei Stämmen von Milchsäurebakterien gezeigt werden.
Hersteller kombinieren ihre Produkte häufig mit Vitaminen, die gemäß der EFSA-Positivliste zu verschiedenen gesundheitsfördernden Effekten führen können. Damit können gesundheitsbezogene Aussagen wie „trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei“ genutzt werden, wenngleich dieser Effekt dem Vitamin zugeschrieben werden muss.