Big-Data-Methode detektiert Pflanzenkrankheiten

Studie der Unis Bonn und Dortmund nutzt neuen Ansatz zur Erkennung von Infektionssymptomen

10.03.2016 - Deutschland

Pflanzenkrankheiten machen sich oft durch charakteristische Verfärbungen von Blättern, Blüten oder Stängel bemerkbar. Eine neue Studie stellt nun einen schnellen und treffsicheren Ansatz vor, mit dem sich diese Symptome automatisiert erkennen lassen. Die beteiligten Forscher nutzen dazu eine Methode aus der computergestützten Dokumentenanalyse. Google setzt ähnliche Verfahren bei der Suche nach Webseiten ein. Die Arbeit der Universität Bonn, der TU Dortmund und des Fraunhofer-Instituts IAIS in Sankt Augustin erscheint in der Zeitschrift „Scientific Reports“ der Nature Publishing Group. 

Die Gerstenpflanze sieht ein wenig so aus, als habe sie Windpocken. Ihre Blätter sind von kleinen rotbraunen Flecken übersät, die wie Pusteln leicht erhaben hervortreten. Krank ist die Gerste tatsächlich: Sie hat sich mit Braunrost infiziert, einem Pflanzenpilz. In jeder der Pusteln stecken viele Millionen bräunliche Sporen, die – mit dem Wind davongetragen – andere Pflanzen anstecken können. Braunrost kann sich so in kurzer Zeit über ganze Getreidefelder ausbreiten und für gravierende Ernteausfälle sorgen. Eine frühzeitige Diagnose ist daher äußerst wichtig. 

Die liefert möglicherweise bald der Computer. Forscher der Universität Bonn, der TU Dortmund und des Fraunhofer IAIS in Sankt Augustin haben dazu ein entsprechendes Verfahren entwickelt. Die Software wertet Fotos von Pflanzen aus und erkennt darauf Anzeichen von Braunrost, Mehltau oder der gefürchteten Netzfleckenkrankheit. Im Gewächshaus funktioniert das Ganze bereits schnell und treffsicher. 

Grundlage der Diagnose sind Aufnahmen so genannter Hyperspektral-Sensoren. Diese registrieren das Licht, das von den Pflanzen reflektiert wird. Das Bild, das sie liefern, besteht aus vielen Millionen Punkten, den Pixeln. In diesem Aspekt ähneln sie den Sensoren in einer Digitalkamera. Während jedoch dort drei verschiedene Pixeltypen sitzen, die für die Grundfarben rot, grün und blau empfindlich sind, messen Hyperspektral-Sensoren zusätzlich noch eine Vielzahl weiterer Wellenlängen. Entsprechend komplex sind die Daten, die die Sensoren ausspucken. 

Um diese riesige Datenmenge zu analysieren, nutzen die Forscher ein Big-Data-Verfahren aus der Dokumentenanalyse. Dort versucht man, aus der Häufigkeit, mit der bestimmte Wörter in Texten vorkommen, Aussagen über das Thema des Textes zu treffen. Auf diese Weise ist es beispielsweise möglich, E-Mails automatisch in bestimmte Ordner einzusortieren. Google verwendet ähnliche Algorithmen, um aus den eingegebenen Begriffen abzuleiten, wonach der Nutzer tatsächlich sucht. 

Hyperspektrales Wörterbuch 

Die neue Software geht ganz ähnlich vor. Sie zählt dazu allerdings keine Wörter. Stattdessen wertet sie aus, wie häufig bestimmte Reflexionswerte in der Hyperspektral-Aufnahme vertreten sind. Aus dem Ergebnis leitet sie dann das „Thema“ der Aufnahme ab – also etwa „Leichter Rostbefall im Frühstadium“ oder „starker Mehltau-Befall“. 

Grundlage der Diagnose ist die Tatsache, dass erkrankte Pflanzenteile andere Lichtwellenlängen reflektieren als gesunde. Anders gesagt: Die Farbe des zurückgeworfenen Lichts ändert sich – und das in ganz charakteristischer Weise. „Aus dem Lichtspektrum lassen sich daher oft nicht nur der Erreger, sondern auch Schwere und Stadium der Infektion ablesen“, erklärt Dr. Anne-Katrin Mahlein vom Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn. 

Mit ihrem Algorithmus aus der Dokumenten-Analyse decken die Forscher das hyperspektrale Wörterbuch der Pflanzen auf. Die Idee dazu stammt von Kristian Kersting, der an der TU Dortmund die Professur für Data Mining bekleidet, sowie von Dr. Mirwaes Wahabzada vom INRES der Universität Bonn. 

Die Methode eignet sich unter anderem für die schnelle Diagnose von Krankheiten im Pflanzenbau. So ließen sich die Sensoren zum Beispiel an Traktoren anbringen. Der Landwirt wüsste nach der Analyse frühzeitig, wo er eventuell mit Fungiziden eingreifen muss. Zudem lässt sich das Verfahren in der Pflanzenzüchtung einsetzen, etwa zur Entwicklung resistenterer Getreidesorten. Denn die Hyperspektral-Analyse registriert unbestechlich minimale Änderungen im Gesundheitszustand der Pflanze – besser, als es ein Mensch jemals könnte.

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