BGH lehnt Revision im Prozess um Unilevers Becel pro.activ ab

03.10.2016 - Deutschland

Unilever darf die bekannten wissenschaftlichen Hinweise auf Risiken seines Cholesterinsenkers Becel pro.activ weiterhin leugnen. Der Bundesgerichtshof hat den Antrag von foodwatch auf Revision gegen ein entsprechendes Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts ohne Begründung abgelehnt. Weil unverändert erhebliche Zweifel an der Sicherheit der Margarine bestehen, forderte foodwatch die EU-Kommission erneut auf, Becel pro.activ die Zulassung als Lebensmittel zu entziehen.

Der presserechtliche Streit drehte sich um die von Unilever verbreitete Aussage, der zufolge es „aus wissenschaftlicher Sicht … keinen Hinweis“ auf Nebenwirkungen gebe. Tatsächlich legt jedoch eine ganze Reihe von Studien nahe, dass die in hoher Konzentration der Margarine zugesetzten Pflanzensterine das verursachen könnten, was sie eigentlich verhindern sollen: Ablagerungen in den Gefäßen und damit ein erhöhtes Risiko auf Herzkrankheiten. Vor Gericht wurde die Aussage Unilevers jedoch nicht als „Tatsachenbehauptung“, sondern als bloße „Meinungsäußerung“ eingestuft, die einer faktischen Überprüfung nicht standhalten muss.

Gesundheitsrisiken: Becel pro.activ vom Markt nehmen!

Da das Presserecht offensichtlich nicht ausreicht, um die Verbraucherinnen und Verbraucher vor gefährlichen Falschaussagen zu schützen, forderte foodwatch erneut ein Eingreifen des Gesetzgebers: Die Europäische Kommission muss Becel pro.activ im Sinne des vorsorgenden Gesundheitsschutzes vom Markt nehmen!

 „Unilever darf weiterhin die Meinung verbreiten, dass es keinen Hinweis auf Nebenwirkungen von Becel pro.activ gibt, obwohl dies nachweislich falsch ist. Die Leidtragenden sind die Verbraucherinnen und Verbraucher: Sie bleiben vor Gesundheitsrisiken ungeschützt und müssen auch noch irreführende Aussagen über die Sicherheit eines zweifelhaften Produkts hinnehmen.“ Matthias Wolfschmidt, foodwatch

Bundesbehörde sieht Risiken für gesunde Menschen

Fakt ist: Unilever kann weder den gesundheitlichen Nutzen noch die Sicherheit von Becel pro.activ belegen. Die französische Lebensmittelsicherheitsbehörde ANSES betonte 2014, dass jeder Beweis dafür fehle, dass Lebensmittel mit zugesetzten Pflanzensterinen (wie die Unilever-Margarine) tatsächlich Herzkrankheiten vorbeugen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte bereits 2008 betont, dass der Verzehr von Lebensmitteln mit zugesetzten Pflanzensterinen von gesunden Menschen ohne Cholesterinproblem „ausdrücklich vermieden werden sollte“ und dies mit möglichen Gesundheitsrisiken begründet. Dennoch hatte Unilever unter Verwendung von Zitaten eines Wissenschaftlers im Jahr 2011 behauptet, dass es „aus wissenschaftlicher Sicht … keinen Hinweis“ auf Nebenwirkungen gebe.

Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung?

foodwatch klagte daraufhin unter Berufung auf das Presserecht gegen die weitere Verbreitung dieser Aussage. Am 1. September 2015 wies das Hanseatische Oberlandesgericht die Klage ab (Az 7 U 7/13). Es stufte die Unilever-Aussage – wie im Jahr 2012 das Landgericht Hamburg in erster Instanz – als reine „Meinungsäußerung“ ein und erklärte sie damit für zulässig, ohne sie auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Gegen diese Entscheidung legte foodwatch beim Bundesgerichtshof Beschwerde ein und beantragte die Zulassung eines Revisionsverfahrens. Nach der Ablehnung des BGH hat nun das Hamburger Urteil Bestand.

Ergebnis der Sicherheitsprüfung ist 15 Jahre alt

Die Europäische Kommission hatte auf Betreiben Unilevers im Jahr 2000 „gelben Streichfetten mit Phytosterinzusatz“ wie Becel pro.activ die Zulassung als sogenanntes „neuartiges Lebensmittel“ (novel food) erteilt und dabei auch ihre Sicherheit überprüft. In der europäischen Novel-Food-Verordnung heißt es: Neuartige Lebensmittel „dürfen keine Gefahr für die Verbraucher darstellen“ (EU VO 258/97, Art. 3 Abs. 1). Zum Zeitpunkt der Zulassung lagen die heute bekannten, kritischen Studien allerdings noch gar nicht vor. Das Ergebnis der Sicherheitsprüfung ist 15 Jahre alt und bildet nicht den heutigen Stand der Wissenschaft ab.

„Falls Nutzen und Sicherheit irgendwann einmal belegt werden können, sollte Unilever für Becel pro.activ eine arzneimittelrechtliche Zulassung beantragen – im für jedermann zugänglichen Supermarktregal hat ein solcher Cholesterinsenker nichts verloren.“ Matthias Wolfschmidt, stellvertretender foodwatch-Geschäftsführer

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