Marmite-Krieg: Brexit lässt Briten um Brotaufstrich zittern
Dahinter steckt die Entscheidung der Briten für einen EU-Austritt (Brexit). Die hatte den Kurs des Pfunds in den Keller sausen lassen. 17 Prozent verlor die britische Währung zum US-Dollar seit dem Referendum am 23. Juni. Für den Lebensmittelkonzern Unilever bedeutet das erheblich höhere Kosten für den Einkauf in Euro und Dollar. Deswegen verlangte der Konzern Medienberichten zufolge, dass die Kunden im Laden bis zu zehn Prozent mehr für seine Produkte bezahlen. Dazu gehören neben Marmite auch die beliebten Teebeutel der Marke PG, Hygieneartikel von Dove, Speiseeis von Ben & Jerry's und das Waschmittel Persil.
Aber weil Tesco das nicht mitmachen wollte, leerten sich die Regale. Auf der Webseite des Lebensmitteleinzelhändlers war am Donnerstag unter einer Marmite-Abbildung zu lesen: "Es tut uns leid, dieses Produkt ist zur Zeit nicht erhältlich". Bestätigen wollten beide Unternehmen den Preiskampf auf Anfrage nicht. In einer Mitteilung von Tesco am Donnerstag hieß es lediglich: "Wir haben zur Zeit Schwierigkeiten mit der Verfügbarkeit von einer Anzahl von Unilever-Produkten."
Unilever hielt sich auf Anfrage zunächst bedeckt. Finanzchef Graeme Pitkethly sagte aber bei der Vorstellung der Quartalszahlen am Donnerstag, er hoffe dass der Streit "ziemlich bald erledigt" sei und deutete an, dass Tescos Konkurrenten bereits nachgegeben haben.
Am Abend kam dann eine Mitteilung von Unilever, man habe die "Versorgungssituation" mit Tesco gelöst. Die viel geliebten Produkte seien wieder uneingeschränkt verfügbar. Medien spekulierten, der Preiskampf könnte zugunsten von Tesco ausgegangen sein.
Für britische Supermarktketten wie Tesco und Sainsbury's bedeuten die Forderungen der Hersteller weiteren Druck im Konkurrenzkampf mit deutschen Discountern wie Aldi und Lidl. Die drängen seit einigen Jahren mit Macht auf den britischen Markt und haben dort für einen Preisverfall gesorgt. Mit ihrem breiten Sortiment an Eigenmarken könnten die Discounter nun den britischen Supermärkten weitere Marktanteile abjagen, so die Sorge.
Für viele Briten ist der "Marmite-Krieg", wie der Preiskampf von Medien teilweise genannt wurde, die erste spürbare Folge des Brexits. Dass es ausgerechnet ein urbritisches Produkt wie Marmite treffen könnte, überrascht offenbar und trifft die Menschen ins Mark. Zahlreiche Twitter-Nutzer vermuteten, der niedrige Pfundkurs sei nur ein vorgeschobener Grund für die geforderten Preiserhöhungen - schließlich werde Marmite in Großbritannien hergestellt, so dass Währungsturbulenzen doch keine Rolle spielen dürften. Der Hashtag #marmitegate schoss in den britischen Twitter-Trends in die Top 10.
Experten dagegen glauben, dass der schmierige Brotaufstrich nur zum Symbol eines sich andeutenden Trends geworden ist. Sobald das lukrative Weihnachtsgeschäft vorüber sei, könnten andere Hersteller dem Beispiel von Unilever folgen, glaubt zum Beispiel Steven Dresser vom Marktanalysten Grocery Insight. "Niemand will die Preise vor Weihnachten erhöhen. Andere warten möglicherweise einfach bis Januar." Ähnlich wie Marmite könnte der Brexit dann auch vielen Verbrauchern im Abgang bitter schmecken./cmy/DP/men (dpa)
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