Transparenzstudie zeigt: Informationsflut hilft Verbrauchern nicht
Verbraucher nutzen bestehendes Transparenz-Angebot kaum
38 Prozent der Verbraucher fällt spontan nichts zu dem Begriff Transparenz bei Lebensmitteln ein. Dagegen fordern nur 23 Prozent der Verbraucher mehr Transparenz. Die Mehrheit nutzt die existierenden Informationen nicht oder kaum. Dies ergibt die heute in Berlin vorgestellte Studie „Verbraucherverständnis von Transparenz“ im Auftrag des Vereins DIE LEBENSMITTELWIRTSCHAFT.
„Die Diskussion um „Mehr Transparenz bei Lebensmitteln“ geht am Verbraucher vorbei“, sagt Stephan Becker-Sonnenschein, Geschäftsführer des Vereins DIE LEBENSMITTELWIRTSCHAFT. „Die Studie zeigt deutlich, dass es nur eine Minderheit ist, die aktiv mehr Transparenz fordert, während die Mehrheit die zur Verfügung gestellten Informationen gar nicht oder kaum nutzt. Deshalb müssen sich die Akteure die Frage stellen, ob ein Mehr an Detailinformationen eigentlich zu mehr Transparenz oder zu mehr Verunsicherung beiträgt. Transparenz sollte komplexe Zusammenhänge erklären und Sinn und Vertrauen stiften.“
Das Transparenz-Paradoxon: Gefühlte und genutzte Transparenz
Die Studie zeigt einen Widerspruch zwischen Präferenzen und tatsächlichem Verhalten der Verbraucher. Laut Studie fordern 77 Prozent der Verbraucher keine zusätzlichen oder umfangreicheren Informationen aktiv ein, da sie sich entweder ausreichend informiert fühlen (53 Prozent) oder bereits Überlastung empfinden und kein Interesse haben (24 Prozent). „Die Mehrheit der Verbraucher möchte gerne Informationen über Herkunft, Inhalte, Zusatzstoffe und ähnliche Aspekte von Lebensmitteln erhalten können. Gleichwohl werden die bereits vorhandenen Informationen von der Mehrheit der Verbraucher nicht genutzt oder als entscheidungsrelevant für den Einkauf wahrgenommen“, erläutert Prof. Achim Spiller von der Georg-August-Universität in Göttingen die Studienergebnisse:
Die Herausforderung: Informationsflut erhöht Transparenz nicht
Die Studie zeigt zudem, dass Verbraucher in Deutschland Transparenz sehr unterschiedlich definieren und ihre Informationsbedürfnisse stark voneinander abweichen. „Generell gilt: Verbraucher wollen nicht mehr Informationen, sondern ein besseres Verständnis komplexer Prozesse und Vorgänge, das zu einem tatsächlichen Wissenszuwachs führt. Eine Flut an Details verwirrt und führt nicht zu mehr Verständnis“, so Becker-Sonnenschein. Bei knapp der Hälfte der Deutschen richtet sich der Transparenzwunsch vor allem auf Produkte tierischer Herkunft wie Fleisch, Eier, Fisch und Milch(-produkte). Zudem ist nur ein Fünftel der Verbraucher bereit, für ein Mehr an Information einen höheren Preis zu bezahlen.
Selbstbestimmung prägt das Verbraucherverhalten
„Die Politik darf nicht darüber entscheiden, was ich essen darf“, das fordern 70 Prozent der Befragten. Dem Verbraucher muss in Bezug auf Transparenz seine Selbstbestimmung gelassen werden. „Statt Bevormundung des Verbrauchers in seinem Ernährungsverhalten stehen wir für Aufklärung und Information. Das ist unsere Überzeugung“, fasst Markus Mosa, Vorsitzender des geschäftsführenden Vorstands der LEBENSMITTELWIRTSCHAFT, das Verständnis der Branche zusammen.
Zur Studie:
Die von Prof. Dr. Achim Spiller von der Universität Göttingen erstellte Studie untersucht Verständnis, Erwartungen und Informationsbedürfnis der Verbraucher in Bezug auf Transparenz bei Lebensmitteln. Diese erste repräsentative, prozesskettenübergreifende Grundlagenstudie liefert detaillierte Einblicke in das Verständnis von Transparenz und eine Typologisierung der Verbrauchern in Bezug auf ihre Transparenzbedürfnisse. Sie liefert damit neue Erkenntnisse für die aktuelle gesellschaftspolitische Debatte.
Im Rahmen der Studie wurde eine repräsentative Verbraucherbefragung (Online-Erhebung) mit 1.009 Teilnehmern durchgeführt. Drei qualitative Fokusgruppen-Diskussionen mit je 9 Teilnehmern fanden in München, Leipzig und Göttingen statt. Der Erhebungszeitraum war Juni bis August 2014.
Die gesamte Präsentation von Prof. Dr. Achim Spiller ist oben rechts im Kasten verlinkt.