Deutschlands Brauer zwischen Billigbier und Edel-Craft

31.01.2017 - Deutschland

Knallhart ist der Wettbewerb auf dem deutschen Biermarkt, der Absatz geht zurück. Auf eine Trendwende hoffen nur Optimisten - auch wenn sich manche Käufer für teure Spezialbiere begeistern.

Ein kräftiger Schluck aus der Flasche nach einem langen heißen Tag - auf dieses Glücksgefühl warten Deutschlands Brauer schon sehr lange. Deutschlandweit geht der Bierabsatz immer weiter zurück, Wachstum kommt fast nur aus dem Export und in Jahren mit Sport-Großereignissen, in denen mehr Bier getrunken wird. Zwar gibt es eine neue Begeisterung für hochwertige Spezial- und Landbiere, die aus der «Craft»-Bewegung in den USA nach Europa schwappte. Aber das Massengeschäft mit den sogenannten Fernsehbieren lahmt weiter. Bei Kampfpreisen um die zehn Euro für den Kasten wird oft kaum noch verdient.

Warum trinken die Deutschen weniger Bier?

Alkohol am Arbeitsplatz oder am Steuer - da drückt heute niemand mehr ein Auge zu. Hinzu kommt die Demografie: Die Deutschen werden immer älter, und ältere Kunden trinken nach aller Erfahrung der Konsumgüterforschung weniger. Pro Jahr liege der «Abschmelzverlust» bei 1 bis 1,5 Prozent, sagt der Chef des Bundesverbandes des Deutschen Getränkefachgroßhandels, Günther Guder. Seit 1986 sei so der Pro-Kopf-Verbrauch um fast 30 Prozent zurückgegangen.

Aber der Absatz ist stabil seit drei Jahren - kein gutes Zeichen?

Deutschlands Brauereien widerstehen dem weltweiten Abwärtstrend und zeigen tatsächlich stabile Zahlen. Das ist aber maßgeblich auf den Export zum Beispiel nach China und in die USA zurückzuführen, im Inland wurde 2016 so wenig Bier getrunken wie noch nie. Und am China-Export verdient laut Branchenkennern kaum einer, weil dort vor allem billige Sorten in Büchsen gefragt sind. Überhaupt heißt Absatz noch lange nicht Gewinn, denn Deutschland ist weltweit einer der umkämpftesten Märkte überhaupt mit einer zweistelligen Zahl von namhaften Brauereien und insgesamt 1400 Anbietern. Die großen Brauereien und der Lebensmittelhandel drücken mit Lockvogel-Angeboten gnadenlos den Preis - teils zum Schaden der Marken. So haben TV-Biere wie Warsteiner oder Hasseröder auch 2016 Marktanteile verloren, wie Marktstudien der Fachzeitschrift «Getränke-Inside» belegen.

Lässt sich das nachweisen?

Die Marktforschung vergleicht regelmäßig die Preise. Rund 70 Prozent der zehn bekanntesten Spitzenbiere werden danach im Kastenverkauf über Sonderaktionen in den Markt gedrückt - zu Preisen von teils deutlich unter 10 Euro. «Ich frage mich: Womit verdienen die überhaupt noch Geld?», sagt die Branchenanalystin Ina Verstl.

Aber es gibt doch einen Trend zu teuren Spezialbieren?

Das ist die gegenläufige Bewegung: Immer mehr Kunden interessieren sich für handwerklich hergestellte Spezial- und Landbiere aus kleinen Brauereien oft mit besonderem Hopfengeschmack oder fruchtigen Noten. «Jede Woche kommt mindestens ein neues Bier auf den Markt», sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele. Solche Kunden gucken auch nicht auf den Euro - eine Literflasche Craft-Bier kann bis zu zehn Euro kosten.

Traditionelle Brauereien wie «Flensburger» steigen auf den Trend ein und bieten ebenfalls aufwendige Spezialbiere. «Bier wird nicht mehr als Massenbetäubungsmittel wahrgenommen, sondern als Genussmittel wie Wein», sagt Geschäftsführer Andreas Tembrockhaus. Doch große Absatzmengen erwartet auch der Brauerei-Chef aus Norddeutschland nicht. Bundesweit liegt der Absatzanteil des gehypten Craft-Biers bei rund 0,2 Prozent.

Aber wie kommen die Brauer nun aus der Misere?

Wirkliche Abhilfe würde nur eine kräftige Preiserhöhung schaffen, glaubt Analystin Verstl. Denn der deutsche Bierpreis liege wegen der scharfen Konkurrenz weltweit extrem niedrig. Ramschpreise von unter zehn Euro schadeten der ganzen Branche. 20 Euro für einen Kasten Halbliterflaschen wären ein realistischer Preis, mit dem die Brauer langfristig leben könnten, sagt sie. In Australien zahlen Biertrinker so viel für ein Sixpack - und haben den Konsum trotzdem nicht aufgegeben. (dpa)

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