Erstmals das Genom von Gerste entschlüsselt

27.04.2017 - Schweiz

Nach zehn Jahren Forschungsarbeit von Wissenschaftlern aus zehn Ländern liegt nun
erstmals die komplette Sequenz des Gerstengenoms vor – die grösste je entschlüsselte DNASequenz.
Damit liefern sie eine zentrale Basis, um neue, schädlingsresistente und
qualitätsverbesserte Sorten zu züchten. Das Genom der Gerste umfasst 5,2 Milliarden
Basenpaare und besitzt rund 39’000 Gene.

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Gerste ist eines der wichtigsten Getreide der Welt und dient seit Jahrtausenden als Tierfutter sowie
als Hauptrohstoff zur Produktion von Bier. Bereits vor 10’000 bis 12’000 Jahren wurde Gerste im
nahen Osten angebaut. Seither wurden zahlreiche Sorten gezüchtet, die an unterschiedliche
Klimabedingungen angepasst sind.


5,2 Milliarden Basenpaare: grösstes je sequenziertes Genom
Einem Konsortium von Forschungsinstitutionen aus zehn Ländern, darunter auch die Universität
Zürich, ist es gelungen, die Sequenz des Gerstengenoms zu bestimmen. Dieses umfasst 5,2
Milliarden Basenpaare und ist damit das grösste Genom, das je sequenziert wurde – fast doppelt so
gross wie die gesamte menschliche DNA-Sequenz. Insgesamt besitzt das Gerstengenom mehr als
39’000 Gene und somit etwa gleich viele wie das Erbmaterial des Menschen.
Für die Pflanzenzüchtung besonders interessant sind einerseits jene Gene, die in der Malzproduktion
involviert sind – ein Ausgangsstoff für die Herstellung von Bier und Whiskey. Wie alle Kulturpflanzen
ist Gerste andererseits von zahlreichen Schädlingen wie Pilzen, Bakterien, Insekten oder Unkräutern
bedroht. Mit der kompletten Genomsequenz sowie detaillierten Informationen über Standort, Struktur
und Funktion der Gene liegt nun eine sehr nützliche Ressource vor, um neue Sorten zu züchten, die
resistent gegenüber Schädlingen sind oder über bessere qualitative Eigenschaften verfügen.
80 Prozent des Gerstengenoms besteht aus «egoistischer DNA»

Die 39’000 Gene machen aber nur etwa drei Prozent des gesamten Genoms aus. Der grosse Teil
des restlichen Genoms besteht aus komplexen, repetitiven DNA-Sequenzen. Bioinformatiker
Thomas Wicker vom Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie der UZH leitete zusammen mit
Wissenschaftlern des Helmholtz Zentrums in München die Analyse dieses Grossteils des Genoms.
Die repetitiven DNA-Sequenzen bestehen vor allen aus sogenannten Transposons. «Das sind mobile
genetische Einheiten, die fähig sind, Kopien von sich selbst herzustellen. Transposons werden daher
auch als ‹egoistische DNA› oder ‹genomische Parasiten› bezeichnet», erklärt Wicker.

Transposons und Gene liegen auf unterschiedlichen Bereichen des Genoms
Einzelne Familien von Transposons waren im Laufe der Evolution so erfolgreich, dass sie Tausende
von Kopien von sich produzierten und heute mehr als 80 Prozent des gesamten Gerstengenoms
ausmachen. Aber wie kann Gerste mit diesen riesigen Mengen genomischer Parasiten umgehen, die
sich ständig im Genom vervielfältigen? Mit dieser Frage beschäftigten sich die Forscher aus Zürich
und München. «Überraschend für uns war die Entdeckung, dass Transposons und Gene
unterschiedliche Kompartimente entlang den Chromosomen besetzen», so Wicker. Die mittleren
Bereiche der Chromosomen sind vor allen von Transposons besetzt, während Gene bevorzugt an
den Enden der Chromosomen sitzen. Nur wenige Transposonfamilien werden in der Nähe von
Genen toleriert.

Was genau diese Kompartimentierung verursacht und welche Rolle Transposons in der Evolution von
Gerste spielen, ist bislang nicht bekannt. Diese Fragen zu beantworten, ist das nächste Ziel der
Forschenden aus Zürich und München.

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