Alkoholkonsum und -risiken steigen global an
Foundry/ Pixabay
Die deutsch-kanadische Kollaboration um Prof. Jürgen Rehm, Leiter der Epidemiologischen Forschungsgruppe Sucht der TU Dresden, beleuchtete den Alkoholkonsum in 189 Ländern von 1990 bis 2017 mit Ausblick auf 2030. „Die Vorhersagen waren deutlich höher als erwartet“, resümiert Prof. Rehm. Die Ergebnisse werden sowohl von den Vereinten Nationen für ihre Berichterstattung benötigt, als auch in der Global Burden of Disease Studie und den WHO Global Status Reports. Erstautor Jakob Manthey, Diplompsychologe am Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der TU Dresden, führt aus: „Unseren Zahlen nach wird das Ziel der WHO, den schädlichen Konsum von Alkohol bis 2025 um 10 Prozent zu senken, global nicht erreicht. Wir brauchen eine effektive Alkoholpolitik, insbesondere in Ländern, die sich schnell entwickeln und einen wachsenden Alkoholkonsum aufweisen.“
7,6 Liter Alkohol im Jahr, das entspricht etwa 410 Milliliter Bier pro Tag – durchschnittlich. Doch an diesen 410 Millilitern sind jene 53 Prozent der Weltbevölkerung, die im Jahr 2017 abstinent lebten, nicht beteiligt, und marginal nur jene, die bloß wochenends und feiertags trinken. Übrig bleibt ein wesentlich höherer Konsumdurchschnitt für Gewohnheitstrinker. Alkohol ist ein bedeutender gesundheitlicher Risikofaktor und wird mit über 200 Krankheiten in Zusammenhang gebracht. Seit 1990 wuchs das Volumen des konsumierten Alkohols, auch durch das Bevölkerungswachstum, um 70 Prozent an. 2030, so die Prognose, wird die Hälfte aller Erwachsenen regelmäßig trinken, rund ein Viertel wenigstens einmal pro Monat Rauschtrinken betreiben – genauer, 60 Gramm (3 Flaschen Bier à 0,5 Liter) oder mehr Alkohol an einer Gelegenheit zu sich nehmen.
Während sich das Volumen in wohlhabenden Ländern stabil hält, pro Kopf sogar leicht abnimmt, ist es insbesondere in Ländern geringer und mittlerer Einkommen gewachsen.
„Alkoholkonsum ist weltweit verbreitet, aber mit klaren regionalen Unterschieden, die weitgehend der Religion, politischen Richtlinien zum Alkoholkonsum und wirtschaftlichem Wachstum zugeschrieben werden können“, führt Manthey aus. „Der wachsende Alkoholmarkt in Ländern mit mittleren Einkommen wird den Schätzungen zufolge den sinkenden Konsum in Ländern hoher Einkommen weit überwiegen, was insgesamt zu einem globalen Anstieg führt.“
Insbesondere Südostasien und China führen die Tendenz des globalen Anstiegs an. Die höchsten Wachstumsraten im Alkoholkonsum verzeichneten Indien und Vietnam. Noch ist Europa zwar Spitzenreiter mit einem pro-Kopf-Volumen von 9,8 Litern Alkohol jährlich, Südostasien liegt mit 4,7 Litern weit darunter; doch das Wachstum in dieser Region zwischen 1990 und 2017 um 104 Prozent, seit 2010 zumindest noch um 34 Prozent, sehen Modellrechnungen als Trend, der 2030 das europäische Alkoholvolumen einholen soll. Die westliche Pazifikregion mit China wird den Prognosen zufolge sogar deutlich darüber liegen. Einige Regionen jedoch machen Hoffnung auf gesunde Trends: Osteuropas Konsum hat stark abgenommen. Die niedrigsten Alkoholraten verzeichnen der Nahe Osten und Nordafrika.
Neben leichten Schwankungen in der lebenslangen Abstinenz, die von 46 auf 43 Prozent der Weltbevölkerung gesunken ist, und im marginal ansteigenden Rauschtrinken, heben die Autoren hervor: Das konsumierte Alkoholvolumen wächst stärker als die Anzahl an Trinkern – und somit auch der pro-Kopf-Verbrauch.
Um den Alkoholkonsum zu begrenzen, schlagen die Forscher beispielsweise höhere Besteuerung, Einschränkungen in der Verfügbarkeit oder Werbeverbote vor.
Deutschland wird der Prognose zufolge mit jährlich mindestens 12 Litern pro-Kopf-Konsum weiterhin unter den höchsten Alkoholraten weltweit bleiben. Deutliche Unterschiede zeigt die Studie übrigens zwischen den Geschlechtern: So trinken zentraleuropäische Frauen mit 5,3 Litern jährlich weniger als ein Drittel der Alkoholmenge, die Männer mit 17,8 Litern konsumieren. Ähnlich die geschlechterspezifische Verteilung des Konsums im globalen Durchschnitt: 2,7 Liter bei Frauen jährlich stehen 9,8 Litern bei Männern gegenüber.