Wie Internet-Stars mit Jugendlichen zu Ernährung und Bewegung kommunizieren
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Die Wittener Forscherinnen haben 1.000 Bilder von Deutschlands Top-50 Fitness-Influencern untersucht und teilweise Kommunikationsstränge mit bis zu 2.000 Kommentaren analysiert. Die Ergebnisse sind eindeutig: Fitness-Influencer vermitteln Ernährung und Bewegung als Stellschrauben für die Perfektionierung des eigenen Körpers. Auf mehr als der Hälfte der Bilder ist ein muskulöser nackter Bauch zu erkennen. Sichtbare Muskulatur und ein geringer Anteil an Körperfett sind Ideale des aktuellen Körperkults, der Schönheit nur durch aktive Formung des eigenen Äußeren erlaubt. Durch Kontrolle erschaffene, gestaltete Körper folgen einem unrealistischen Schönheitsideal. Sie werden aber als Signale für Gesundheit und Selbstbestimmung umkodiert und als Indikator für Kontrolle, Leistung und Macht angesehen.
„Jugendliche kommunizieren mit Influencern über das Internet wie mit besten Freundinnen, sie klagen über ihre Figur, kommentieren umfangreich das Aussehen, die Kleidung, das Essen ihrer Idole, und sie suchen Rat, wie auch sie so perfekt werden können“, erklärt Katharina Pilgrim, die zu dieser Thematik ihre Doktorarbeit verfasst hat. „Dass die dargestellten Fotos aufwändig in Szene gesetzt und umfangreich bearbeitet sind, ist ihnen oft nicht bewusst.“ Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko, Betreuerin der Arbeit, ergänzt: „Jugendliche bewegen sich täglich mehrere Stunden in sozialen Netzwerken, dort informieren sie sich auch über gesundheitsrelevante Themen wie Ernährung und Bewegung. Wir müssen diese Art der Kommunikation und ihre Hintergründe verstehen, wenn wir gesundheitsfördernde Maßnahmen planen, sonst zielen wir an der Lebenswelt der Jugendlichen vorbei. Das war der Ausgangspunkt unserer Studie.“
Selbstoptimierung als Schlüssel zum Glück
Es geht natürlich auch um Geld. Influencer verdienen über den Verkauf der Produkte, die sie auf ihren Bildern präsentieren. „Nicht ständig, aber doch regelmäßig geht es auch um die Vermarktung von Produkten wie Sportbekleidung und Nahrungsergänzungsmittel,“ erläutert Katharina Pilgrim. Jugendliche gewinnen den Eindruck, dass die von ihren Idolen genutzten Produkte einen etwas einfacheren Weg zum angestrebten Äußeren bieten. Insgesamt wurde auf zwei von drei Bildern ein Hersteller, ein Produkt, eine Marke oder ein Unternehmen eingebunden, wobei nur die Hälfte als Werbung gekennzeichnet war. Die Vermarktung und damit einhergehende Einnahmen stehen somit speziell bei Fitness-Influencern eindeutig im Fokus des Interesses. „Konsum, Schönheit und Glück werden so in einen direkten Zusammenhang gestellt“, sagt Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko. Im Ergebnis stellten die Forscherinnen fest, dass auf fast der Hälfte der Bilder Nahrungsergänzungsmittel in Pulver oder Pillenform abgebildet waren.
Zum Hintergrund:
Die anhaltend große Zahl von Minderjährigen mit Essstörungen von Magersucht bis Übergewicht gibt in Deutschland Anlass zu Besorgnis: 20 Prozent sind unzufrieden mit Figur und Gewicht oder leiden an Heißhungeranfällen, jede sechste Person zwischen 14 und 17 leidet an Übergewicht. Familien, Schulen und Krankenkassen versuchen, Einfluss zu nehmen und diese gefährliche Entwicklung zu bremsen, doch dies ist in Zeiten des Internet nicht leichter geworden: Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass 12- bis 17-Jährige täglich bis zu drei Stunden in sozialen Netzwerken verbringen. Über ein Drittel der Jugendlichen steuert dabei gezielt die Seiten sogenannter Influencer - Personen, die in sozialen Netzwerken besonders einflussreich sind und deshalb bevorzugt als Webebotschafter eingesetzt werden - an. Speziell wird das Gefühl geschätzt, persönlich angesprochen zu werden und eine überzeugende Erklärung von Vor- und Nachteilen zu erhalten.
Soziale Medien als eigene Lebenswelt
„Die Fitness-Influencer prägen Jugendliche heute maßgeblich in ihren gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen. Dabei betreiben diese keine Gesundheitsförderung, sondern wollen Geld verdienen. Es besteht also ein deutlicher Bedarf, Jugendliche in ihrer psychischen und physischen Entwicklung zu schützen und zu begleiten“, betont Katharina Pilgrim.
„Aktuell sehen wir großes Interesse in der Medienwelt, wenn Influencer wegen Schleichwerbung abgemahnt werden. Aber viel wichtiger ist es, Lehrende, Erziehungsberechtigte sowie Entscheiderinnen und Entscheider zu befähigen, Minderjährige angemessen aufzuklären, zu beraten und zu schützen. Dazu gehört auch das Umdenken, die sozialen Medien als eigene Lebenswelt wahrzunehmen. Sie also nicht pauschal zu verdammen, sondern sie zu nutzen, um mit wirklicher Gesundheitsförderung die Jugendlichen zu erreichen“, legt Bohnet-Joschko nach.