Haferjoghurt muss nach Joghurt schmecken

Wissenschaftler*innen der TU Berlin optimieren den Geschmack von pflanzlichem Joghurt

23.12.2019 - Deutschland

Nach der Weihnachtsschokolade kommen die guten Vorsätze: Gesunde Ernährung mit einem hohen Anteil an Obst und Gemüse und vielen Ballaststoffen ist dabei ein Dauerbrenner. Hafermilch, Sojajoghurt, Veggie-Schnitzel oder Kichererbsenaufstrich – pflanzliche Produkte liegen im Trend und sind im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. Neben der Gesundheit ist auch die Nachhaltigkeit ein oft verwendetes Konsument*innen-Argument. „Der Wechsel von Fleisch hin zu pflanzlichen Produkten leistet schon einen großen Beitrag im Sinne der Nachhaltigkeit. Ein weiterer wichtiger Schritt wäre es, nicht nur einzelne Bestandteile der eingesetzten pflanzlichen Produkte zu nutzen, sondern die gesamte Pflanze oder zumindest das gesamte Korn“, weiß Prof. Dr. Stephan Drusch, Professor für Lebensmitteltechnologie und -materialwissenschaften an der TU Berlin. „Nachhaltigkeit bedeutet für mich die vollständige Verarbeitung von Rohstoffen.“ Genau daran forscht der Lebensmitteltechnologe.

Ein gutes Beispiel ist die industrielle Verwertung eines Apfels: Nachdem der Saft ausgepresst wurde, verbleibt der Trester, aus dem der pflanzliche Ballaststoff Pektin als Gelier- oder Verdickungsmittel isoliert wird. Die eigentlichen Cellulose-Fasern des Apfels sind weich und gut quellbar und werden deshalb als Ballaststoffe weiterverwendet. Aus den Apfelkernen wird brauner Farbstoff isoliert und zum Teil auch Kernöl gewonnen. „Am Ende bleibt tatsächlich nur der Stiel übrig“, so Stephan Drusch. In der Realität erfolgt allerdings nicht bei allen industriell verwerteten Pflanzen eine vollständige Wertschöpfung. Beispiel Raps: Hier wird das Rapsöl gepresst und der Presskuchen in der Regel als Tierfutter verwendet. „Und das, obwohl lauter interessante Nährstoffe enthalten sind“, so der Wissenschaftler, der nicht nur die Bestandteile des Raps-Presskuchens weiter untersucht, sondern sich in einem anderen Projekt auch mit der Gewinnung von Pektin aus Erbsenschalen beschäftigt. Ziel ist es immer, den eingesetzten Rohstoff vollständig zu nutzen.

So auch in dem europäischen Projekt „OATPRO – Engineering of oat proteins“. In dem Projekt ging es um die verwertbaren Bestandteile von Hafer. Konsument*innenbefragungen hatten ergeben, dass Hafer vor allem in Joghurt, Müsli oder Backwaren akzeptiert würde. „In einem interdisziplinären europäischen Projekt haben wir uns Haferproteine angesehen und insbesondere die Struktur dieser Proteine sowie die Zusammensetzung untersucht“, so Dr. Monika Brückner-Gühmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Prof. Drusch. „Dabei interessieren uns vor allem die chemischen Eigenschaften sowie das Zusammenspiel von Struktur und Funktionalität: Welche Proteine sind vorhanden, wie löslich sind diese, wie stabil sind sie, wie sehen die geschmacklichen Eigenschaften aus?“ Nach diesen Voruntersuchungen haben die Wissenschaftler*innen diese Haferproteine in verschiedene Produkte eingebracht: „Wir haben zum Beispiel tierischen Joghurt mit Haferprotein angereichert und konnten so Stabilisatoren und Verdickungsmittel, wie zum Beispiel Gelatine oder modifizierte Stärke, ersetzen. Daneben haben wir auch rein pflanzliche haferbasierte Joghurtprodukte hergestellt. Dazu mussten wir testen, ob Haferprotein als Substrat für klassische Joghurtbakterien überhaupt geeignet ist. Anschließend haben wir diese Joghurts über Konsument*innenstudien auf ihre Textur und Geschmackseigenschaften untersucht“, so Monika Brückner-Gühmann.

Ähnliche Versuche machen Stephan Drusch und sein Team im Rahmen des europäischen Verbundprojektes NutriAct auch mit Erbsenprotein – einem Nebenprodukt aus der Stärkegewinnung, das gerade aktiv seinen Weg in die Lebensmittelproduktion findet. „Wenn wir mit Haferprotein arbeiten, geht das immer einher mit einem gewissen Getreidegeschmack. Gleiches gilt auch für das Erbsenprotein. In dem Projekt im Rahmen von NutriAct wollen wir versuchen, durch die Verwendung von ganz speziellen Bakterienkulturen das Erbsenaroma zu mildern und gleichzeitig den typischen Joghurtgeschmack zu unterstützen“, meint Stephan Drusch.

Schaut man sich die aktuell auf dem Markt befindlichen tierischen Ersatzprodukte an, dann werden für deren Produktion eine Reihe von Zutaten und Zusatzstoffen genutzt, bei denen die Wissenschaft davon ausgeht, dass Verbraucher*innen das zukünftig nicht mehr akzeptieren werden. „Mit unserer Forschung sind wir dabei, die Nahrungsmittel von übermorgen zu entwickeln, die auf die nachhaltige und vollständige Nutzung von Ausgangsprodukten setzen“, so Stephan Drusch. Nicht zuletzt beschäftigen den Wissenschaftler in diesem Rahmen auch die Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebensmittelproduktion: „Wenn wir davon ausgehen müssen, dass ein potentieller Temperaturanstieg von rund zwei Grad bei manchen Produkten 20 prozentige Ernteeinbußen mit sich bringt, dann müssen wir Wege finden, diese Einbußen auszugleichen“.

Aktuell ist die Johannisbeere ins Visier der Wissenschaftler*innen gerückt. „Wir wissen, dass in den Rückständen nach dem Pressen noch rund 15 bis 18 Prozent Protein enthalten sind. Jetzt untersuchen wir, welche Eigenschaften diese haben und wofür man sie nutzen könnte“, so Monika Brückner-Gühmann.

Photo by Evan Reimer on Unsplash

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