Die komplizierte Finanzoperation 'Tierwohlabgabe'
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Ministerin Julia Klöckner (CDU) will über die nächsten Schritte nun parteiübergreifend im Bundestag und mit den Ländern sprechen. "Für mich geht es nicht um das Ob, wie reden über das Wie." Der Umbau des Systems sei Voraussetzung für gesellschaftliche Akzeptanz und die Zukunft der Tierhaltung in Deutschland. Mehr Tierwohl gebe es aber nicht zum Nulltarif. Und beim Umsetzen müsse es für die Landwirte mit Investitionen in Ställe und höheren laufenden Kosten auch ökonomisch zusammengehen. "Sonst exportieren wir Tierwohlfragen ins Ausland, und mit den Produkten importieren wir wieder die alten Probleme."
In die lange schwelende Debatte ist Bewegung gekommen, seit eine Expertenkommission um den früheren Agrarminister Jochen Borchert (CDU) vor einem Jahr ein Konzept vorgelegt hat - und zwar samt der favorisierten Idee einer "Tierwohlabgabe", um einen dringend nötigen Umbau für mehr Platz, Luft und Licht im Stall zu finanzieren. Denkbar wären demnach Aufschläge von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst, 2 Cent pro Kilo für Milch und Milchprodukte, 15 Cent pro Kilo für Käse und Butter. Umgesetzt werden könnte es als Verbrauchsteuer.
Gangbar wäre das - wie etwa schon bei Vebrauchsteuern auf Kaffee, Tabak oder Alkopops, erläuterte Studienleiter Ulrich Karpenstein von der beauftragten Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs. Verbunden wäre damit aber bürokratischer Aufwand. Und "ein Pferdefuß" sei auch das europarechtliche Benachteiligungsverbot. Die Einnahmen dürften nicht allein deutschen Landwirten zugute kommen, weil ja auch importierte Produkte mit der Steuer belegt würden. Von solchen Rechtsrisiken kann Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ein Lied singen - die Pkw-Maut scheiterte wegen Ungleichbehandlung von Bürgern anderer EU-Staaten.
Prinzipiell rechtlich möglich wäre laut der Studie auch eine Anhebung des Mehrwertsteuersatzes von ermäßigten 7 auf volle 19 Prozent für tierische Produkte oder für alle Lebensmittel. Machbare Option Nummer drei könnte eine Ergänzungsabgabe auf die Einkommensteuer sein, also eine Art Tierwohl-Soli. Knifflig ist aber auch, wie Bauern besiegelte Planungssicherheit für lange laufende Investitionen bekommen könnten. Förderzusagen müssten nach EU-Beihilferecht zeitlich begrenzt sein, erklärten die Studienautoren. Das seien in der Regel fünf bis sieben Jahre. Aber für 20 Jahre oder unbegrenzt sei es nicht zu garantieren.
Der Bauernverband forderte zügige weitere Klärungen. Denn viele Landwirte stünden in den Startlöchern, bräuchten aber dringend Planungssicherheit, wie der Konsens über die Art der Tierhaltung umgesetzt werden könne. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mahnte: "Jetzt gibt es keine Ausreden mehr." Die Bundesregierung müsse endlich anfangen, die Empfehlungen der Borchert-Kommission umzusetzen. Ausschlaggebend sei, sich für einen verlässlichen Finanzierungsweg zu entscheiden.
Generell ist eine große politische Zustimmung da. Der Bundestag hatte das Gesamtkonzept der Kommission mit breiter Mehrheit unterstützt und die Regierung aufgefordert, noch bis zur Wahl am 26. September eine Strategie mit Finanzierungsvorschlägen vorzulegen. Die Agrarminister der Länder sind ebenfalls prinzipiell dafür. Aber was geht nun noch?
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte, dass die Studie erst jetzt komme. Eine Verbrauchssteuer könne sie sich vorstellen. Diese dürfe aber nicht dazu führen, Menschen mit geringem Einkommen besonders zu belasten. "Soziale Abfederung gehört dazu." Der FDP-Agrarexperte Gero Hocker warnte vor neuen Belastungen für die Bürger. Tierwohl müsse sich über die Ladentheke finanzieren.
Der CDU-Fachpolitiker Albert Stegemann sagte, wenn der Wille in der großen Koalition vorhanden sei, sollte man noch in dieser Wahlperiode versuchen, eine erste Grundsatzentscheidung zur Finanzierung der Borchert-Vorschläge zu treffen. Da wäre auch noch ein anderer, lange geplanter Baustein: Für ein Tierwohlkennzeichen für Fleisch aus besserer Haltung hat das Kabinett im September 2019 einen Entwurf von Klöckner beschlossen - seitdem steckt der aber im Bundestag fest./sam/DP/stw (dpa)