Fehlzeiten-Report 2021
Resiliente Beschäftigte und Unternehmen haben Pandemie-Stresstest besser bestanden
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Allerdings zeigen sich gerade bei emotionalen und psychosomatischen Beschwerden große Unterschiede zwischen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern: Beschäftigte mit niedriger individueller Resilienz berichten mehr als doppelt so häufig über Zweifel an den eigenen Fähigkeiten (69 Prozent versus 27 Prozent) oder über Angstgefühle (52 versus 11 Prozent) wie Beschäftigte mit besonders hoher individueller Resilienz. Auch bei körperlichen Beschwerden wie Magen-Darm-Problemen (38 versus 13 Prozent) oder Herz-Kreislauf-Beschwerden (36 versus 12 Prozent) gibt es deutliche Unterschiede.
Krisenbewältigung im Unternehmen beeinflusst Fehltage
Die Studie beleuchtet außerdem die Krisenbewältigung durch die Unternehmen: Beschäftigte, die ihr Unternehmen in der Krise als besonders anpassungsfähig, die Führungskraft als Unterstützung und den Zusammenhalt im Betrieb als gut erleben, berichten seltener von gesundheitlichen Beschwerden. Dieser Effekt spiegelt sich auch in den krankheitsbedingten Fehltagen wider: Beschäftigte, die der Resilienz ihres Unternehmens besonders gute Noten geben, haben im Schnitt 7,7 krankheitsbedingte Fehltage in den letzten zwölf Monaten. Bei Erwerbstätigen, die die Unternehmensresilienz besonders schlecht bewerten, sind es dagegen 11,9 krankheitsbedingte Fehltage. Diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen nach eigenen Angaben auch häufiger krank zur Arbeit. "Insgesamt wird deutlich, dass ein offener Umgang mit Fehlern, ein guter Informationsfluss und schnelle Entscheidungen ein Unternehmen in Krisen widerstandsfähiger machen", betont Helmut Schröder.
Mehr psychische Beschwerden im Zuge der Pandemie
In den Ergebnissen der Befragung nach einem Jahr Pandemie spiegelt sich ein großer Umbruch in der Arbeitswelt wider. So geben 80 Prozent der Beschäftigten an, dass sich ihre persönliche Arbeitssituation in den letzten drei Monaten verändert habe. Fast 70 Prozent arbeiteten im Homeoffice, über 60 Prozent berichten von einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten.
Der Anteil der Erwerbstätigen, die über psychosomatische Beschwerden klagen oder sich durch negative Emotionen beeinträchtigt fühlen, ist laut der Befragung im Zuge der Coronavirus-Pandemie insgesamt gestiegen. Das zeigt der Vergleich der aktuellen Zahlen aus dem Frühjahr 2021 mit den Ergebnissen einer Befragung des WIdO, die kurz vor Beginn der Pandemie durchgeführt worden ist: Während Anfang 2020 etwa 69 Prozent der Befragten über emotionale Probleme wie Lustlosigkeit, Nervosität oder Niedergeschlagenheit berichteten, waren es in diesem Frühjahr 88 Prozent. Auch der Anteil der Beschäftigten mit mindestens einer psychosomatischen Beeinträchtigung ist im Zuge der Pandemie von 80 auf 84 Prozent gestiegen. Besonders deutlich war der Anstieg bei Konzentrationsproblemen (plus 10 Prozent) und Schlafstörungen (plus 7 Prozent). Ein Rückgang der Beschwerden zeigte sich laut der Befragung dagegen bei den Atemwegserkrankungen und bei den Infektionskrankheiten.
Zusätzliche Belastungsfaktoren für Beschäftigte in der Altenpflege
In einem eigenen Beitrag beleuchtet der diesjährige Fehlzeiten-Report die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Beschäftigten in der Altenpflege. Eine Befragung von mehr als 500 Führungskräften aus Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten aus der ersten Pandemiewelle ergab, dass in dieser ohnehin schon stark belasteten Berufsgruppe ein weiterer Anstieg der Herausforderungen und Belastungen zu verzeichnen war. "Der Haupt-Belastungsfaktor war die Sorge um das psychische Wohlergehen der Pflegebedürftigen, insbesondere bei Menschen mit demenzieller Erkrankung", berichtet Dr. Kira Isabel Hower, Autorin des Beitrags im Fehlzeiten-Report 2021. Auch die Einhaltung von Hygienevorschriften, die Durchführung der Tests im Team und bei den betreuten Personen sowie die Bewältigung von Personalausfällen seien zusätzliche Belastungsfaktoren für die Pflegekräfte gewesen. Ihr persönlicher Gesundheitszustand hat sich nach Einschätzung der Pflegekräfte im Zuge der Pandemie verschlechtert. Eine ohnehin bei den Führungskräften vorhandene Tendenz, trotz einer Erkrankung zur Arbeit zu gehen, habe sich laut der Befragung durch die Pandemie verstärkt. "Die Ergebnisse zeigen, dass der Bedarf nach Betrieblicher Gesundheitsförderung in Pflegeeinrichtungen und bei Pflegediensten durch die neuen Herausforderungen noch gewachsen ist", so Hower.
AOK startet Initiative für mehr Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege
AOK-Vorstand Martin Litsch rief die Unternehmen auf, gerade vor dem Hintergrund der großen Veränderungen der Arbeitswelt durch die Pandemie die Angebote der gesetzlichen Krankenkassen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung zu nutzen. "Dies gilt insbesondere für die Pflegebranche, wo die Fehlzeiten im Vergleich zu allen anderen Berufen überdurchschnittlich hoch waren", sagte Litsch. Bei den knapp 660.000 Pflegekräften, die bei der AOK versichert sind, waren letztes Jahr im Durchschnitt 25,4 AU-Tage zu verzeichnen. Das waren 6,1 Fehltage mehr als im Durchschnitt der AOK-Mitglieder. "Die AOK stellt sich den Problemen in der Pflege, die durch die Pandemie noch einmal verschärft worden sind", betonte Litsch. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen in der Pandemie sei die AOK im vergangenen Jahr in über 1.300 Einrichtungen der Pflegebranche mit ihren BGF-Maßnahmen aktiv gewesen. Damit nehme die Gesundheitskasse eine Spitzenposition unter den gesetzlichen Krankenkassen ein. Mit der Initiative "Pflege.Kräfte.Stärken" werde man das Angebot noch weiter ausbauen - insbesondere durch zusätzliche digitale Angebote wie Online-Seminare. Daneben gelte es, die Rahmenbedingungen für die Pflege zu verbessern. "Dazu engagieren wir uns in der Konzertierten Aktion Pflege der Bundesregierung. Die dort vereinbarten Maßnahmen wie die schrittweise Einführung eines Personalbemessungs-Verfahrens für vollstationäre Pflegeeinrichtungen müssen auch in der nächsten Legislaturperiode konsequent weiter umgesetzt werden", forderte Litsch.
Längere Arbeitsunfähigkeits-Zeiten in der Pandemie
Eine aktuelle Auswertung des WIdO zum Erscheinen des Fehlzeiten-Reports zeigt: Im Vergleich zur Situation vor der Pandemie ist unter den 15,6 Millionen AOK-versicherten Erwerbstätigen insgesamt kein höherer Krankenstand festzustellen. Dies liegt in einem gegenläufigen Effekt begründet: Einerseits ist die Zahl der Arbeitsunfähigkeitsfälle im betrachteten "Pandemie-Zeitraum" von März 2020 bis Juli 2021 gegenüber dem Vergleichszeitraum vor der Krise gesunken. Andererseits waren in der Pandemie aber längere krankheitsbedingte Ausfallzeiten der Beschäftigten zu verzeichnen.
Die größte Differenz ergab sich bei den Atemwegserkrankungen, die im Pandemie-Zeitraum mit 30,6 Arbeitsunfähigkeitsfällen je 100 AOK-Mitgliedern im Durchschnitt 18,2 Fälle weniger verursachten als im Vergleichszeitraum. Beschäftigte fehlten prinzipiell länger am Arbeitsplatz als im Vorjahreszeitraum. So dauerte ein Arbeitsunfähigkeitsfall wegen einer psychischen Erkrankung in der Pandemie im Durchschnitt vier Tage länger als im Vergleichszeitraum vor der Pandemie. Bei Herz-Kreislauferkrankungen liegt die Differenz bei 2,5 Tagen je Fall, bei Atemwegserkrankungen und Muskel-Skelett-Erkrankungen fiel die Differenz mit 1,8 bzw. 1,6 Tagen je Fall geringer aus.
Krankschreibungen wegen Covid-19: Soziale Berufe besonders häufig betroffen
Auch der Verlauf der Pandemiewellen lässt sich in den Arbeitsunfähigkeits-Meldungen der Beschäftigten nachverfolgen: Die aktuelle Auswertung des WIdO zeigt, dass von März 2020 bis Juli 2021 insgesamt 3,2 Prozent der AOK-versicherten Erwerbstätigen mindestens eine Krankschreibung aufgrund einer Covid-19-Diagnose erhielten. Dies entspricht etwa 499.000 Beschäftigten. Der Höhepunkt der Krankschreibungen aufgrund einer Verdachtsdiagnose oder einer nachgewiesenen Infektion wurde im Dezember 2020 mit 705 Betroffenen je 100.000 AOK-Versicherten erreicht.
Ein Vergleich der Berufsgruppen für den gleichen Zeitraum macht deutlich, dass soziale Berufe besonders stark von Covid-19-Infektionen betroffen waren. An der Spitze des Rankings stehen Berufe in der Betreuung und Erziehung von Kindern (6.609 Krankschreibungen je 100.000 AOK-Mitglieder), gefolgt von Berufen der Ergotherapie (5.867 Krankschreibungen je 100.000 AOK-Mitglieder). Auf den weiteren Plätzen folgen Berufe in der Gesundheits- und Krankenpflege, der Altenpflege und der Haus- und Familienpflege. Bei den Beschäftigten in der Kranken- und Altenpflege findet sich auch der höchste Anteil von Krankschreibungen aufgrund einer nachgewiesenen Infektion mit dem SARS-Cov-2-Virus.