Daten- und Kreislaufwirtschaft der Zukunft
In Lemgo startet CUNA Realproduktion
2022 Fraunhofer IOSB-INA
2022 Fraunhofer IOSB-INA
Es ist eine enorme Zahl: 320.000 Einwegbecher für Heißgetränke werden in Deutschland laut der Deutschen Umwelthilfe verbraucht – stündlich. Die beschichteten, größtenteils aus nicht wiederverwertbarem Material hergestellten Becher sind nur einmalig nutzbar, wobei die durchschnittliche Nutzung nicht länger als zehn Minuten andauert. Zudem werden in der Herstellung Papier und Kunststoffe eingesetzt, so dass laut der Deutschen Umwelthilfe jährlich 48.000t CO²-Emissionen alleine bei der Produktion von Einwegbechern entstehen.
Anlass genug für Rafael Dyll, im Jahr 2018 ein Startup-Unternehmen in Mett-mann namens CUNA Products GmbH zu gründen. Die CUNA Products GmbH stellt Mehrwegbecher aus CO2-neutralem, pflanzlichen Material her und cha-rakterisiert sich durch ein nachhaltiges Konzept mit einer zukunftsfähigen Pro-duktidee: Die Becher werden aus einem biobasierten Kunststoff ohne Einsatz von Öl hergestellt und sind wiederverwend- sowie recyclebar. Besonders ist, dass nicht nur das für die Produktion verwendete Material aus nachwachsen-den Rohstoffen nachhaltig ist, sondern auch das eigens von CUNA organisierte Recycling. Hierzu entsteht über den Rückfluss von genutzten Bechern des Poolsystems ein Materialkreislauf, denn die ökologischen Mehrwegbecher mit dem markanten CUNA Blumensymbol kommen vor allem als Pfandsystem in der Gastronomie, in Bäckereien, in Unternehmenskantinen oder auf Festivals zum Einsatz.
Das Produkt hat auch das Fraunhofer IOSB-INA überzeugt, welches im Rah-men des seit Anfang 2020 vom BMWK geförderten Projekts „KI-Reallabor“ die industrielle Datenwirtschaft erforscht und umsetzt. In diesem Kontext suchte das Forschungsinstitut aus Lemgo Produktionspartner für den Aufbau einer wirtschaftlichen Fertigung in der SmartFactoryOWL, einer gemeinsamen Initia-tive des Fraunhofer IOSB-INA und der Technischen Hochschule OWL.
Grund der Suche nach Wirtschaftspartnern war zum einen das Vorhaben, da-tengetriebene Anwendungsfälle gemeinsam mit der “Plattform Industrie 4.0“ an einer realen Produktion umzusetzen. Zum anderen sollten in Lemgo in einer of-fenen, aber geschützten Umgebung reale Industriedaten für die Entwicklung in-dustrieller, datenbasierter Lösungen zugänglich gemacht werden. Mittlerweile besteht die Kooperation mit dem Ziel der datengetriebenen Fertigung aus zehn Partnern und die Produktion ist aufgebaut.
Folgende Unternehmenspartner sind mittlerweile an der nachhaltigen Produk-tion beteiligt: Der mittelständische Kunststoffverarbeiter Hadi-Plast GmbH & Co. KG übernimmt die Produktionsleitung und den Betrieb der Fertigung in der SmartFactoryOWL und bringt hierbei Expertise aus jahrelanger Spritzgussferti-gung ein. Die Gesamtkonzeption und Integration der Anlagentechnik übernimmt federführend der Maschinenhersteller ARBURG aus Loßburg. Begleitet wird Ar-burg von weiteren Industriepartnern, wie dem Robotik-Hersteller KUKA sowie den Automatisierungsspezialisten fpt Robotik und der Barth Mechanik GmbH. Für die individualisierte Beschriftung der CUNA Becher kommt ein Lasersystem der REA Elektronik GmbH zum Einsatz.Die Materialversorgung wird von dem Herforder Mittelständler digicolor GmbH organisiert, der unter anderem Granu-lattrockner und Farbsysteme herstellt. Das beteiligte Unternehmen IANUS Simulation simuliert Komponenten der Spritzgussanlage und stellt Daten zur kontinuierlichen Optimierung der Produktionsprozesse zur Verfügung.
Am 26. Januar haben die Partner gemeinsam mit dem BWMK und der Plattform Industrie 4.0 in einem kleinen Kreis feierlich die CUNA Produktion in der Smart-FactoryOWL eingeweiht. Ein weiterer großer Teil von Interessierten konnte die Einweihung virtuell über einen Livestream verfolgen. An die 100 Personen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft konnten auf diesem Weg an der Veranstal-tung teilnehmen. Begrüßt wurden Sie vom Direktor des Fraunhofer IOSB-INA, Prof. Dr.-Ing. Jürgen Jasperneite: „Wir freuen uns sehr, dass wir mit den indust-riellen Partnern nun eine Realproduktion in unserer Forschungs- und Demonst-rationsfabrik realisieren konnten. Ein derartiges „Operieren am offenen Herzen“ ist unseres Wissens deutschlandweit einmalig. Sie stellt die höchsten Anforde-rungen an die Gestaltung des Technologietransfers bei laufendem Betrieb. Gleichzeitig bietet dieser Ansatz aber den schnellsten Reifeprozess“.
Ernst Stöckl-Pukall, Leiter des Referats IV A 3 – Digitalisierung und Industrie 4.0 im neuen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK, war ebenfalls aus Berlin in die SmartFactoryOWL nach Lemgo angereist, um die neue Produktion zu begutachten: „Bei Industrie 4.0 setzen wir mit der Plattform Industrie 4.0 und deren Netzwerk globale Maßstäbe, u. a. mit dem Konzept für den digitalen Zwilling. Der nächste Schritt ist, die datengetriebene Vernetzung und neue Geschäftsmodelle in die Tat umzusetzen. Dafür braucht es auch vor allem eine unternehmensübergreifende Kooperationsbereitschaft. Das KI-Real-labor zeigt erfolgreich auf, dass davon alle Beteiligten profitieren können“.
Um die Zielvorgaben des BMWK zu erreichen, bildet die CUNA Produktion die gesamte Wertschöpfungskette vom Komponentenhersteller über den Betreiber der Produktion bis zum Kunden ab und wird zu einer nach Industrie 4.0-Ge-sichtspunkten ausgerichteten Produktion entwickelt. Somit entsteht ein reales Experimentierfeld für Technologien der Industrie 4.0 und Künstlichen Intelli-genz. Schneller und agiler Technologietransfer und -integration von gemeinsam entwickelten Lösungen bilden dabei die Grundlage der Zusammenarbeit dieser zukunftsweisenden Produktion in der SmartFactoryOWL.
CUNAs Gründer und Geschäftsführer Rafael Dyll ist stolz: „Wir produzieren in Deutschland und aus nachwachsenden Rohstoffen, reduzieren den CO2 Aus-stoß und recyclen selbst. Das sind alles schon jetzt wegweisende Features. Wir wollen nun den nächsten Schritt gehen und freuen uns sehr auf die Kooperation mit einer weltweit führenden Forschungsorganisation. Beim Fraunhofer-Institut in Lemgo zeigen wir außerdem, dass Deutschland Nachhaltigkeit und Digitali-sierung kann. Und zwar im Einklang. Außerdem stehen uns mit ARBURG und weiteren Partnern führende Maschinenbauer für die Kunststoffproduktion zur Seite. Diese Konstellation der Zusammenarbeit ist einzigartig für die Erfor-schung der zukünftigen Biokunststoffproduktion, da bin ich mir sicher."
Kunden können künftig online ihre Bestellung von CUNA Bechern aufgeben, ihre Produkte individualisieren und als Besucher live in der SmartFactoryOWL die Produktion ihrer Becher verfolgen. Die Produktion liefert kontinuierlich Daten für das Datenportal des KI-Reallabors. Diese Daten und Lösungsansätze ste-hen für zukünftige KI-Anwendungen Forschungseinrichtungen, KI-Entwicklern sowie Unternehmen mit ähnlichen Herausforderungen zur Verfügung.
Interessierten Einrichtungen, Unternehmen, Schulen oder Universitäten sowie Privatpersonen wird ebenfalls die Möglichkeit gegeben, sich einen Eindruck von dem aktuellen Stand der datengetriebenen Produktion zu machen. Das Team der SmartFactoryOWL freut sich über die Kontaktaufnahme.