Aus Liebe zum Bier
Frauen aus der Branche erzählen
"Natürlich fand ich es als Kind schade, dass wir eine Bier- und keine Schokoladenfabrik hatten, aber heute ist es das spannendere Produkt für mich", sagt Warsteiner-Chefin Catharina Cramer. Bier sei ein so vielseitiges Produkt, schwärmt die 44-Jährige, die das Familienunternehmen in neunter Generation leitet.
Derselben Meinung ist auch die Bier-Sommelière Jutta Knoll aus Bonn.
Geschmack und Genuss faszinieren sie: "Es kann süß, sauer, fruchtig oder malzig sein - Bier ist breiter gefächert im Aromen-Spektrum als Wein", sagt die 49-Jährige voller Begeisterung. Aber klar, Bier habe schließlich auch mehr Zutaten als Wein, sagt die Expertin, die seit drei Jahren Seminare und Verkostungen rund um das Thema Bier anbietet.
Auch Braumeisterin Schwester Doris, die seit über 40 Jahren in der Klosterbrauerei im bayerischen Mallersdorf am Braukessel steht und nach eigenen Angaben bekannt ist wie ein "bunter Hund", liebt ihre Tätigkeit - und das Produkt, das dabei entsteht. "Zum Abendbrot trinke ich immer ein Bier, einen halben Liter." Das sei ein großer Genuss, sagt die 73-Jährige. Und mit ihrer Liebe zum Bier ist sie im Kloster nicht allein. Etwa 18 Prozent ihrer Bierproduktion von 3000 Hektoliter jährlich trinken die 480 im Kloster lebenden Nonnen, weiß Schwester Doris. Sie ärgert sich über das negative Image des Getränks - vor allem, wenn es um Frauen geht: "Wenn eine Frau zwei Gläser Rotwein trinkt, da sagt keiner was. Wenn aber eine Frau zwei Gläser Bier trinkt, wird schon getuschelt, ob die wohl nicht zu viel trinkt."
Das liegt laut der Soziologin Yvonne Niekrenz vor allem daran, dass Wein zwar weder als männlich noch als weiblich wahrgenommen werde, aber dennoch unterscheidend wirke, in dem es auf den sozialen Status verweise. "Da ist Wein einfach dem Bier übergeordnet. Die Trinkregel "Bier auf Wein, das lass sein" soll ja nicht nur vor Kopfschmerzen schützen, sondern warnt auch vor dem Abstieg in der sozialen Performance, wenn am Ende der Zechtour vielleicht das Geld nicht mehr für den Wein reicht. Das Weintrinken signalisiert also etwas anderes als das Biertrinken, nämlich Status und beispielsweise Kennerschaft", erklärt Niekrenz von der Universität Rostock.
Nach Angaben der Wissenschaftlerin vollzieht sich jedoch mit der Craft-Bier-Bewegung gerade eine Aufwertung des Bieres. Das bestätigt auch Bier-Sommelière Knoll. "Es ist ein anderes Bild, das vermittelt wird." Und das habe mit der großen Vielfalt an Craft-Bieren zu tun, aber auch mit der Darstellung und der Präsentation. "Das fängt schon bei den Gläsern an", so Knoll. "Da sagen viele, dass das ja wie ein Weinglas aussieht. Craft-Bier wird nicht assoziiert mit Fußball und sich betrinken." Daher fänden auch Frauen eher Zugang zum Getränk.
Trotzdem ist Schwester Doris kein großer Craft-Bier-Fan. Bier sei für sie zwar generell "wertvoll", aber ihre Liebe kann auch an Grenzen stoßen: "Einmal hatte ich ein Craft-Bier mit Schokoladengeschmack, bei dem ich dachte, das muss ich mir jetzt nicht antun und habe es weggeschüttet."
Vielseitigkeit, Genuss und Geselligkeit - das sind drei Begriffe, die im Gespräch mit der Sommelière, der Bier-Unternehmerin und der Braumeisterin immer wieder fallen, wenn es um das vermeintliche Männergetränk geht. Aber warum trinken laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) Männer sechsmal mehr Bier als Frauen? "Nicht nur Menschen, sondern auch bestimmte Konsumgüter haben ein Geschlecht. Prosecco beispielsweise wird eher weiblich, Bier als eher männlich wahrgenommen. Das hat mit Sozialisation zu tun, aber auch mit Marketing. Bierwerbung hat mehr männliche Protagonisten", erklärt Niekrenz. Das Biertrinken sei, wie andere Konsumgüter auch, ein soziales Signal, das nicht zuletzt auf geschlechtliche Differenzierung ziele, so die Wissenschaftlerin. "Ich signalisiere damit meine Geschlechtsidentität."
Aber nicht nur der Konsum ist männlich konnotiert - auch die Branche gilt als Männerdomäne. "Momentan ist sie in männlicher Hand, das stimmt. Aber es gibt viele Frauen, die den Betrieb ihrer Familie weiterführen", weiß Schwester Doris. Warsteiner-Chefin Cramer kann das bestätigen: "Ich bin viel gereist und hatte mit vielen Frauen zu tun. Es gibt viele Töchter, die in den Familienunternehmen gerade nachrücken. Da passiert einiges."
Laut dem Deutschen Brauer-Bund wird die Hälfte der zehn größten Brauereien in Deutschland mehrheitlich von Frauen geführt. Auch in der Bier-Sommelière-Branche tut sich was: So sind laut dem Verband der Diplom Biersommeliers derzeit 593 weibliche Biersommelières dort organisiert - 17 Prozent der Mitglieder. Der Anteil habe sich in den letzten Jahren deutlich erhöht. Während in den Gründungsjahren (2005-2008) sieben Prozent der jährlichen Beitritte von Frauen erfolgte, betrage der Anteil der Neueintritte aktuell 20 Prozent. Und auch im Handwerk des Bierbrauens findet eine (weibliche) Entwicklung statt: Lag der Anteil der angehenden Brauerinnen und Mälzerinnen im Jahr 1997 noch bei gut vier Prozent, waren es im Jahr 2017 bereits über elf Prozent - Tendenz weiter steigend, wie der Deutscher Brauer-Bund mitteilt.
Doch was viele überraschen mag, ist nicht neu, denn in früheren Zeiten war Bierbrauen vor allem Frauensache. Fast 700 Jahre lang - bis ins tiefe Mittelalter - wurde das Brauhandwerk fast ausschließlich von Frauen betrieben. Die Arbeit am Sudkessel gehörte einfach zur Hausarbeit. Erst mit der Industrialisierung hat sich das Bild gewandelt. Schwester Doris hat auch über eine Frau in die Branche gefunden. "Ich habe bei einer Ordensschwester gelernt - Schwester Lisana. Sie hatte 1932 ihre Lehre als Brauerin abgeschlossen und dann die Brauerei im Kloster geführt. Als sie alt war, hatte sie mich gefragt, ob ich die Brauerei weiterführen würde, da habe ich sofort zugesagt. Ich bin da ohne eine Erwartung dran - ich habe dann das Brauerei-Handwerk gelernt."
Über die weibliche Bier-Historie erzählt auch Jutta Knoll gerne bei dem "Mädelsabend", den sie als Veranstaltung anbietet. Die Nachfrage nach diesem Angebot könnte jedoch größer sein, wie die Bier-Expertin zugibt. In drei Jahren habe sie zwei reine Frauenveranstaltungen absolviert. Was aber auffällt, ist, dass sich Männer häufig danach erkundigen, was sich hinter den sogenannten Mädelsabenden verberge, erzählt die 49-Jährige. Es scheint noch immer so, als gehe bei vielen Männern Bier und Frauen nicht zusammen. Und das bekommt auch die Bier-Sommelière hin und wieder bei ihrer Arbeit zu spüren. So nehme sie manchmal ein unterschwelliges Gefühl wahr, dass sie von Männern nicht immer ganz ernst genommen werde und sie sich wundern, wenn sie bei den Tastings von einer Frau empfangen werden - das sei vor allem bei Firmen-Veranstaltungen der Fall, so Knoll. "Ich habe auch schon Sprüche gehört wie: "Was soll ich von einer Frau über Bier lernen?" Aber im Nachhinein wird die Meinung dann revidiert."
Schwester Doris hatte nie mit solchen Vorurteilen zu kämpfen und musste nie den Beweis antreten, dass von Frauen gebrautes Bier genauso gut schmeckt, wie das von männlicher Hand gebraute. Wozu auch? "Gerste, Wasser, Hopfen und Hefe - das sind die Grundbestandteile des Bieres. Es gibt kein Geheimrezept, es gibt kein altes Kloster-Rezept. Es kommt darauf an, wie die Gerste nach dem Ernten ist. Ansonsten ist es Handwerk", sagt die bayerische Nonne unaufgeregt. Und auch Knoll, die Hobby-Brauerin ist, kann das nur bestätigen: "Es ist ein bisschen wie Kochen."
Auch Unternehmerin Cramer musste nach eigenen Worten nicht mit Vorurteilen kämpfen. Schon gar nicht in den eigenen Reihen. "In meiner Familie wurde nie die Frage gestellt, ob das eine Frau genauso gut machen kann wie ein Mann. Meine Eltern haben drei Töchter - es war immer klar, dass es eine Frau machen wird. Mein Vater war da sehr offen." Ihre Eltern hatten im Haus einen Bartresen. Und einen solchen habe sie auch heute noch in ihrem Haus - und trinkt da gerne mal ein Bier in geselliger Runde. Aber hin und wieder dürfe es auch ein Glas Rotwein sein, sagt die 44-Jährige. "Meine Schwester ist Winzerin in der Toskana - es bleibt also in der Familie." Ob das Bierbrauen im Kloster Mallersdorf künftig in weiblicher Hand bleibt, ist noch ungewiss. "Eine Nachfolgerin für mich gibt es bisher nicht", sagt Schwester Doris. Bewerbungen seien willkommen./ara/DP/zb (dpa)