Mehl ist Kunst
MehlWelten Museum schlägt neues Kapitel auf
Mühlenchemie
Mühlenchemie
Das Ausstellungskonzept „Mehl.Macht.Leben“ des MehlWelten Museums beschäftigt sich mit der Bedeutung des Grundnahrungsmittels Mehl für die Geschichte der Menschheit. Diese Geschichte umfasst den Zeitraum von der Kultivierung des Getreides vor 10.000 Jahren – der Moment der Sesshaftwerdung des Menschen in der sogenannten Neolithischen Revolution – bis heute. Das neue Kapitel befasst sich mit der anderen großen Revolution in der Menschheitsgeschichte: der Industriellen Revolution, die sich vor allem im 19. Jahrhundert ereignet hat. Sie hat die Welt noch radikaler verändert als die neolithische Revolution vor 10.000 Jahren. Bemerkenswert daran ist, dass beide Revolutionen eng mit der Getreideverarbeitung verbunden sind.
Vor der Industriellen Revolution gab es in Deutschland über 60.000 Mühlen. Heute sind es noch etwa 200, bei einer Bevölkerung, die sich vervierfacht hat. Die weltweite Entwicklung ist ähnlich. Welche technischen Errungenschaften und Gerätschaften zu dieser Entwicklung hin zur modernen Industriemühle geführt haben, wird in dem neuen Schauraum erlebbar. Drei Exponate stehen im Mittelpunkt und führen durch den Prozess der Mehlherstellung. Ein Optischer Ausleser, ein Walzenstuhl und ein Plansichter veranschaulichen die maschinellen Vorgänge des Reinigens, Mahlens und Siebens. Die Modelle wurden in den letzten drei Jahren von 37 Auszubildenden des Schweizer Traditionsunternehmens Bühler in Uzwil entwickelt und gebaut. Sie ermöglichen einen detaillierten Einblick in die Funktionsweise einer modernen Mühle. Dazu werden alle vollautomatischen Arbeitsschritte in einer modernen Industriemühle schematisch dargestellt.
„Was der Raum vermitteln will, sind neben den verfahrenstechnischen Abläufen, die die moderne Mehlherstellung ausmachen, die Kraft und die Dimensionen, die das Revolutionäre und das Bahnbrechende der industriellen Produktion in sich tragen. Wer heute eine moderne Mühle besichtigt, kann sich angesichts der stählernen Maschinen, der abgeschotteten Reinräume und der Hochtechnologie kaum mehr vorstellen, welche Mengen und Massen sekündlich verarbeitet werden, um ein qualitativ hochwertiges und konstantes Produkt wie Mehl zu erhalten“ so Volkmar Wywiol, Gründer des MehlWelten Museums.
Um diese Energien spürbar zu machen, griffen die Ausstellungsmacher zu künstlerischen Mitteln. Der Brückenschlag lag auf der Hand: Im 17. Jahrhundert nannte man den Mühlenbau wegen seiner technischen Anforderungen „Mühlenkunst“. Eine Rasterwand aus 80 beweglichen Tafeln, die sich langsam um sich selbst drehen - fast wie einst die Flügel der Windmühlen - verwandelt sich in eine geheimnisvolle Maschine. Kristalline Körper tauchen auf, erst wenige, dann immer mehr, und die Maschine beginnt, einzelne dieser Körper aus dem Raster zu werfen. Das Sortieren, dann das Zerkleinern, dann die tanzende Bewegung der Partikel auf den Sieben des Plansichters - in verwandelter Form nimmt die Rasterwand die Prozesse auf, die anhand der Modelle erklärt werden, und gibt sie mit extrem reduzierten Mitteln visuell und akustisch wieder. Dieser scheinbar irrationale Wechsel des Aggregatzustandes von kristallin zu flüssig steht für die Verwandlung des unverdaubaren Getreidekorns in der Mühle in das rein weiße Produkt, das wir Mehl nennen. Eine Verwandlung, die trotz aller Wissenschaft bis heute etwas Magisches bewahrt hat.
Der neue Mühlenraum ist ab sofort im Rahmen eines Museumsbesuches jeden 2. Samstag und immer sonntags von 12 bis 17 Uhr in Wittenburg zu besichtigen. Ein Audioguide erläutert alle Stationen und Ausstellungsexponate. Das MehlWelten Museum ist eine Initiative der Mühlenchemie.