Local Food Systems: Wie zukunftsfähig sind Geschäftsmodelle für lokale Lebensmittelkreisläufe?
Im Projekt FOX (Food processing in a box) haben 25 Projektpartner:innen aus Deutschland, den Niederlanden, Spanien, Frankreich, Belgien, Polen und Tschechien an innovativen Lebensmitteltechnologien für den Einsatz vor Ort geforscht: Mit den mobilen und flexiblen Einheiten können Landwirt:innen sowie kleine und mittlere Unternehmen beispielsweise Obst und Gemüse unter geringem Sauerstoffgehalt entsaften und schonend konservieren oder bei niedriger Temperatur trocken. Eine weitere Technologie ist das Auswählen und Verpacken von Überschüssen.
Doch wie passen diese Technologien in die sich wandelnde Welt? Um das herauszufinden, hat das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI im Rahmen des FOX-Projekts Szenarien für den Lebensmittelsektor im Jahr 2035 entwickelt und analysiert, wie resilient Geschäftsmodelle gegenüber unterschiedlichen Zukünften sind. Die Szenarien zeigen drei mögliche nachhaltige Zukünfte auf:
- Im ersten Szenario sichert die Politik die Nachhaltigkeit durch strenge Vorgaben und durch die Produktion von Lebensmitteln auf eigenen landwirtschaftlichen Flächen. Den Verbraucher:innen sind Nachhaltigkeit und fairer Handel zwar wichtig, entscheidend für den Kauf sind aber Preis und Qualität.
- Im Gegensatz dazu kommt im zweiten Szenario der Wandel aus der Gesellschaft: Die Bürger:innen sind bereit, höhere Preise für nachhaltige, fair gehandelte und regionale Lebensmittel zu bezahlen. Die Flächen gehören einzelnen Landwirt:innen, die Biodiversität ist hoch.
- Das dritte Szenario beschreibt ein wettbewerbsorientiertes Umfeld mit großer Macht des Handels. Es ist von Wachstum, Fortschritt, Preisdruck, Monokulturen und Verlust der Biodiversität geprägt. Nachhaltigkeit ist zwar wichtig, wird von den Unternehmen aber lediglich aus Eigeninteresse eingesetzt, um auch zukünftig noch produzieren und wirtschaften zu können.
Auf dieser Grundlage hat das Fraunhofer ISI in einem Foresight-Prozess den Einfluss der Szenarien auf die Geschäftsmodelle der FOX-Technologien erforscht. Projektleiter Dr. Björn Moller fasst zusammen: »Über alle Szenarien und Modelle hinweg zeigt sich, dass die mobilen Einheiten zum Verarbeiten von Lebensmitteln auch in Zukunft Potenzial haben. Die Nutzer:innen der Technologien – das können Landwirt:innen, landwirtschaftliche Kooperativen oder Unternehmen sein – müssen aber Herausforderungen wie Regulierungen, Preisdruck und veränderte Ansprüche bewältigen. Vor allem unsere Darstellung der möglichen Probleme zeigt Unternehmen, an welchen Punkten sie ihr Geschäft gegebenenfalls anpassen müssen, um robust für die Zukunft zu sein.«
Chancen für lokale Gemeinschaften, Herausforderungen durch Preisdruck
Das Szenario, in dem die Politik hauptverantwortlich für die Lebensmittelproduktion ist, hat für alle drei Technologien positive Auswirkungen durch das gesetzliche Verbot der Lebensmittelverschwendung. Negativ wirkt sich aber aus, dass die Menschen den Preis wichtiger finden als die Nachhaltigkeit, da neue Technologien teurer sein können als bewährte. Ebenso können die Regulierungen und Entscheidungsprozesse das Etablieren neuer Technologien schwierig machen – hier gilt es, eventuelle Bedenken ernst zu nehmen und frühzeitig auszuräumen.
Speziell für die Methode zum Trocknen von Obst und Gemüse bei niedriger Temperatur kann der hohe Energieverbrauch durch die strengen staatlichen Regeln zum Problem werden. Hier ist es für die Unternehmen sehr wichtig, den CO2-Fußabdruck im Blick zu behalten und den Energieverbrauch so weit wie möglich zu senken, um im Geschäft bleiben zu können.
Die größte positive Auswirkung des Szenarios, in dem die Gesellschaft die Nachhaltigkeit vorantreibt, ist die Stärkung lokaler Produktion: Die Bürger:innen sind Akteur:innen und haben direkten Kontakt zu den Landwirt:innen, lokale Produkte werden aus Nachhaltigkeitsgründen bevorzugt, durch die kurzen Wege gibt es weniger verdorbene Lebensmittel.
Schwierigkeiten könnten darin bestehen, dass es wenig Interesse an »Premiumprodukten« gibt und dass es speziell bei der Technologie zum Verarbeiten von Überschüssen Gesundheitsbedenken gibt. Hier müssen die Lebensmittelproduzent:innen aktiv mit den lokalen Verbraucher:innen zusammenarbeiten, um deren Erwartungen an hochwertige und gesunde Produkte zu evaluieren und bestmöglich zu erfüllen. Der Aufwand dafür wird dadurch wettgemacht, dass die Kund:innen bereit sind, mehr zu bezahlen und sich langfristig zu binden.
Das Szenario mit einer starken Industrie wäre für alle Technologien die größte Herausforderung, vor allem in Hinblick auf die schwächere Rolle der Landwirt:innen gegenüber dem Einzelhandel und durch den hohen Preisdruck. Chancen ergeben sich allerdings durch den prinzipiell höheren Konsum, viel Interesse an neuen Produkten sowie eine Diversifizierung durch Online-Plattformen.
Unter anderem bei der mobilen Einheit zum Entsaften mit wenig Sauerstoff und die schonende Konservierung können Landwirt:innen neue Einkommensquellen erschließen, indem sie die Lieferketten effizienter machen beziehungsweise die existierenden effizienteren Lieferketten nutzen, von den Möglichkeiten des zunehmenden elektronischen Handels profitieren und auch Überschüsse verwerten.
Die FOX-Projektkoordinatorin Dr. Kerstin Pasch vom Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik e. V. sieht den Mehrwert des Foresight-Prozesses des Fraunhofer ISI vor allem darin, »dass durch die systematische und strukturierte Vorgehensweise unterschiedliche Einschätzungen für die Zukunftspotenziale der Technologien abgebildet und neue Blickwinkel und Lösungsoptionen aufgezeigt werden konnten«.