Larven statt Soja - Insekten als Ersatz beim Viehfutter?
"Nutzinsekten sind grundsätzlich in der Lage, nicht verwertbare Biomasse oder Lebensmittelnebenprodukte in hochwertige Fette, Proteine und Düngemittel zu verwandeln", sagt Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes. Gegenwärtig spielten sie jedoch eine vernachlässigbare Rolle als Futterkomponente. Doch auch Krüsken sieht den Bedarf, das Potenzial im Sinne der Nachhaltigkeit besser zu nutzen.
Bisher wird vor allem Sojaextraktionsschrot und Fischmehl für Futtermittel herangezogen. Deren Nachhaltigkeit steht vor allem vor dem Hintergrund von schrumpfenden Fischbeständen und einem hohen Flächenverbrauch beim Sojaanbau im Zweifel. Die Idee, stattdessen Insekten zu verfüttern, hat längst auch die Europäische Union auf den Plan gerufen. "In der EU sind mittlerweile acht Insektenarten als Nutztiere zugelassen, die als "processed animal protein" für die Nutztierfütterung eingesetzt werden können", heißt es vom Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) aus der Nähe von Rostock. Deren Anteil an Protein sei vergleichbar mit dem von Sojabohnenmehl - 40 bis 47 Prozent in der Trockenmasse -, aber geringer als beim Fischmehl.
Fragt man die Forscher, so sind Insekten jedoch nicht gleich Insekten. Beispielhaft zieht das FBN die Unterschiede zwischen den Larven der Schwarzen Soldatenfliege und des Mehlwurms heran. Der Mehlwurm - der kein Wurm, sondern ein Käfer mit dem lateinischen Namen "Tenebrio Molitor" ist - weise einen höheren Anteil an wichtigen Omega-3-Fettsäuren auf, brauche jedoch als Futter hauptsächlich Getreide- und Getreideprodukte. Die Biologen sehen ihn damit in Konkurrenz zur menschlichen Ernährung. Das Futter für die Insekten könne zudem unter Umständen auch direkt für die Viehhaltung verwendet werden. Die Experten bewerten die Nachhaltigkeit des Mehlwurms daher geringer. Die Schwarze Soldatenfliege sei dagegen weit weniger anspruchsvoll, wachse sogar mit Kot oder Gülle. Dies sei aber aus Gründen des Gesundheitsschutzes verboten.
Im baden-württembergischen Bruchsal versucht das Start-up Alpha Protein durch Zweitverwendung von Lebensmittelabfällen die Klima-Bilanz des Mehlwurms aufzubessern. "Wir entwickeln Industrieanlagen für die Aufzucht von Insekten als Futter- und Nahrungsmittel", sagt Geschäftsführer Gia Tien Ngo. Zudem sei man selbst Züchter. Zurzeit sei eine großindustrielle Produktion in Ludwigshafen auf zwei Hektar in Planung. Dort sollen 1100 Tonnen getrocknete Insekten und zusätzlich über 5000 Tonnen an Dünger aus Exkrementen jährlich produziert werden. Geplant ist, neben Weizengries und Weizenkleie auch viel Altbrot von Bäckereien aus dem Umfeld zu verfüttern. Dieser regionale Kreislaufgedanke ist dem Geschäftsführer zufolge wesentlich.
Ngo und die Wissenschaftler das FBN sehen den Hauptvorteil gegenüber dem bisher in der Viehhaltung eingesetzten Futtermitteln in dem geringeren Flächen- und auch den Wasserverbrauch bei der Züchtung von Insekten. Obwohl diese in der Theorie auch als normales Nahrungsmittel zur Verfügung stünden, sehen beide hier bisher ein Akzeptanzproblem in der Bevölkerung. Laut dem Start-up-Geschäftsführer liegt das auch am Preis, der jedoch durch die Weiterentwicklung der Technologie in der Insektenzucht in Zukunft sinken soll.
An der Kreislaufwirtschaft wird auch andernorts getüftelt. Im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF geförderten Projekt "Innovationsraum Bioökonomie an marinen Standorten" wird laut FBN in einen Kreislaufsystem die Nutzung regionaler Neben- und Kopplungsprodukte erforscht. Teil dessen seien unter anderem Fischzucht, Algenproduktion und der Einsatz der Larven der Schwarzen Soldatenfliegen als Fisch-Futtermittel. In Bergen auf Rügen soll ein Modellstandort entstehen.
Ob Insekten künftig die bisherigen Futtersorten komplett ersetzen werden, ist offen. Der Deutsche Verband Tiernahrung (DVT) sieht in ihnen laut Mitteilung "nur eine weitere Möglichkeit zur Ergänzung des Rohstoffangebots für die Herstellung von Mischfutter oder den direkten Einsatz als Einzelfuttermittel". Beim Rinderfutter fehle zudem noch die Zulassung von tierischem Protein aus Nutzinsekten.
Eine langfristige Aussage zur Marktbedeutung will der DVT nicht machen, diese sei nicht seriös möglich./ssc/DP/zb (dpa)