Wenn der Stoffwechsel mitentscheidet

22.07.2024
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Menschen mit starkem Übergewicht (Adipositas) zeigen nicht nur ein verändertes Risikoverhalten, sondern auch Veränderungen im Stoffwechsel und in der Psyche. Bisher ging man davon aus, dass stark adipöse Menschen impulsiver sind und eine erhöhte Risikobereitschaft zeigen. Wissenschaftler*innen des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) haben nun untersucht, ob ein massiver Gewichtsverlust zu einer Verbesserung des metabolischen und psychologischen Zustands führt und ob die Entscheidungsfindung verbessert wird. Die Ergebnisse wurden im Journal Clinical Nutrition veröffentlicht.

Übergewicht lässt Stoffwechsel entgleisen

Unser Verhalten ist von vielen Faktoren abhängig. Zum einen ist es Ausdruck unserer Persönlichkeit, aber es wird auch durch interne Signale gesteuert, beispielsweise durch den Glukosestoffwechsel und unsere Stimmung. Studien haben gezeigt, dass bei Menschen mit Adipositas Entscheidungen von diesen Faktoren ganz anders beeinflusst werden. Der Glukosestoffwechsel und die Stimmung sind in diesem Fall beeinträchtigt und somit sind sie keine zuverlässigen Signalgeber mehr für Entscheidungen. 

Ob sich dieser Zustand durch eine massive Gewichtsabnahme wieder umkehren lässt, haben Beatrix Keweloh, Promovierende der Abteilung Neurowissenschaft der Entscheidung und Ernährung, und ihr Team in einer Interventionsstudie untersucht. Dafür rekrutierten sie 62 Proband*innen zwischen 18 und 75 Jahren mit schwerer Adipositas (BMI > 35 kg/m2) und verordneten ihnen eine intensive 10-wöchige Diät mit einer täglichen Energiezufuhr von 800 Kilokalorien. Zu Beginn und am Ende der Intervention wurden Gewicht und Körperfett der Teilnehmenden gemessen, die Stimmung mithilfe eines Fragebogens erfasst und die Risikobereitschaft durch einen computergestützten Test ermittelt.

Die Rolle des Langzeitzuckerwerts HbA1c

Wie zu erwarten war, zeigte sich nach der 10-wöchigen Diät eine signifikante Reduktion des Body Mass Index (BMI) und des HbA1c -Werts als Marker für den Glukosestoffwechsel, sowie eine signifikante Verbesserung der Stimmung. Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler*innen eine positive Verhaltensänderung nachweisen, denn der Gewichtsverlust führte zu risikovermeidenden Entscheidungen. Demnach scheint das Risikoverhalten bei Fettleibigkeit in hohem Maße vom BMI abhängig zu sein. „Unsere Ergebnisse haben zudem gezeigt, dass der metabolische Faktor HbA1c nach dem Gewichtsverlust zum führenden Vorhersageparameter für die Risikobereitschaft wird“, sagt Erstautorin Beatrix Keweloh. 

Darüber hinaus zeigte sich, dass die Stimmung nach der Gewichtsabnahme ihren Einfluss auf die Entscheidungsfindung verliert. Die Teilnehmenden waren also hinsichtlich ihres Risikoverhaltens stärker von metabolischen Signalen beeinflusst als von emotionalen. „Wir haben gezeigt, dass sich ein Gewichtsverlust positiv auf den Glukosestoffwechsel und auf die Stimmung auswirkt und insbesondere die Funktion des Glukosestoffwechsels als Steuerungssignal wiederhergestellt werden konnte“, fasst Keweloh zusammen. 

Metabolisch gesteuerte Entscheidungen fördern

Die Studie macht deutlich, dass es hinsichtlich der Risikobereitschaft komplexe Wechselwirkungen zwischen Gewichtsverlust, metabolischen und psychologischen Faktoren gibt. Der BMI scheint dabei eine zentrale Rolle zu spielen. Da eine verringerte Risikobereitschaft mit einem gesünderen Lebensstil verbunden ist, stellt sie eine wichtige Voraussetzung für den Gewichtsverlust und die Aufrechterhaltung eines gesunden Körpergewichts dar. Dementsprechend sollten Interventionsstrategien zur Unterstützung des Gewichtsmanagements sowohl metabolische als auch psychologische Faktoren berücksichtigen, um Rückfälle in ungesunde Verhaltensweisen zu verhindern und metabolisch gesteuerte Entscheidungen zu fördern.

„Die vorliegende Studie gehört zu den ersten ihrer Art, weil sie sowohl metabolische als auch psychologische Faktoren bei übergewichtigen Menschen berücksichtigt“, fasst Prof. Soyoung Q Park, Leiterin der Abteilung Neurowissenschaft der Entscheidung und Ernährung, zusammen. „Sie stellt somit einen wichtigen Beitrag zur Forschung auf diesem Gebiet dar. Andererseits zeigt sie, dass wir erst am Anfang stehen und weiterforschen müssen, um genau zu verstehen, wie sich Energiehaushalt und Psyche auf unsere Entscheidungen auswirken.“ 

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