Thaumatin: Natürlicher Süßstoff mit entzündungshemmendem Potenzial

01.10.2024
G. Olias / Leibniz-LSB@TUM

Doktorand Phil Richter bei Arbeiten im Labor

Eine neue Studie des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München zeigt erstmals, dass beim Verdau des natürlichen Süßstoffs Thaumatin bittere Eiweißfragmente (Peptide) im Magen entstehen. Letztere sind in einem zellulären Testsystem in der Lage, die Säurefreisetzung menschlicher Magenzellen zu stimulieren und Entzündungsreaktionen zu beeinflussen. „Unsere Forschung trägt dazu bei, die gesundheitlichen Effekte des als Süßstoff weit verbreiteten Pflanzenproteins aufzuklären“, sagt Veronika Somoza, Leiterin der Studie und Direktorin des Leibniz-Instituts.

Das Team um Veronika Somoza erforscht unter anderem, wie bitter schmeckende Lebensmittelinhaltsstoffe den Stoffwechsel von Magenzellen und damit die Gesundheit beeinflussen. Hierzu hat das Team eine menschliche Magenzelllinie (HGT-1-Zellen) als Testsystem etabliert. An dieser hatte es bereits gezeigt, dass bestimmte Bitterstoffe im Zusammenspiel mit magenzelleigenen Bitterrezeptoren, die Protonenfreisetzung und damit die Säureproduktion der Zellen stimulieren. Zu solchen Bitterstoffen zählen auch Peptide, die beispielsweise beim Verdau von Milcheiweiß entstehen.

Aufbauend auf früheren Erkenntnissen

„Aber nicht nur Bitterstoffe, sondern auch die gesundheitlichen Effekte von Süßstoffen stehen immer wieder im Fokus des öffentlichen Interesses. Auf Grundlage unserer früheren Erkenntnisse haben wir daher untersucht, ob aus dem süßen Protein Thaumatin im Magen ebenfalls bittere Peptide entstehen, die physiologisch wirksam sein könnten“, berichtet Phil Richter, Erstautor und Doktorand am Leibniz-Institut.

Mithilfe von Untersuchungen an Schweinen, In-vitro-Experimenten und Geschmackstests identifizierte das Team zunächst drei Peptide, die bei der Verdauung von Thaumatin im Magen entstehen und bitter schmecken. Die bitteren Peptide stimulierten im Testsystem die Protonenfreisetzung aus HGT-1-Zellen bereits in extrem niedrigen Konzentrationen, das heißt, im nanomolaren Bereich.

Um mehr über die potentiell entzündungshemmende Wirkung der drei Peptide zu erfahren, untersuchte das Team zunächst, wie die Magenzellen des Testsystems generell auf die Zugabe von Helicobacter pylori-Proteinen reagieren. Das Bakterium H. pylori kann entzündliche Magenerkrankungen bis hin zu Magenkrebs verursachen. Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung ist mit diesem Krankheitserreger infiziert. Im Gegensatz zu vielen anderen Bakterien ist er in der Lage, im extrem sauren Magenmilieu zu überleben, indem er unter anderem den niedrigen pH-Wert der Magensäure neutralisiert.

Entzündungshemmender Effekt

Wie die Versuchsergebnisse des Teams belegen, induzieren H. pylori-Proteine in den Testzellen eine erhöhte Freisetzung von entzündungsförderndem Interleukin 17A. „Interessant ist, dass wir durch Zugabe von jeweils einem der identifizierten bitteren Peptide die induzierte Interleukinfreisetzung der Magenzellen um bis zu 89,7 Prozent verringern konnten. An diesem entzündungshemmenden Effekt und auch an dem Effekt auf die Protonenfreisetzung war der magenzelleigene Bittergeschmacksrezeptor TAS2R16 beteiligt“, berichtet Phil Richter.

„Die in unserer Studie getesteten Peptidkonzentrationen basieren auf realistischen Konzentrationen, die durch den Verzehr einer handelsüblichen Süßstofftablette im Magen erreicht werden können. Daher legen unsere Ergebnisse nahe, das entzündungshemmende Potenzial von Thaumatin beziehungsweise seiner bitteren Verdauungsprodukte ebenso wie die Funktionen endogener Bitterrezeptoren weiter zu untersuchen. Unser Ziel ist es, die molekularen Mechanismen ernährungsbedingter entzündlicher Magenerkrankungen besser zu verstehen. Nicht zuletzt im Hinblick auf Infektionen mit Helicobacter pylori“, erklärt Veronika Somoza.

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