Der ‘Gutedel’ ist eine alte Rebsorte. Eine Angabe über die Herkunft ist mangels entsprechender Dokumente fast nur auf Vermutungen angewiesen. Die jahrtausendelange Verbreitung der Rebsorte durch zahlreiche Völker, Ägypter, Phönizier, Griechen und Römer, aber auch Kreuzritter, auf verschiedenen Wegen über und um das zentrale Mittelmeer hat reichliche Möglichkeiten zur Verbreitung von Rebsorten geboten.
Ägypten
In der Literatur wird für Gutedel als Ursprungsland häufig Ägypten angeführt, wo er seit rund 5000 Jahren angebaut werde. Mehrere Formen des ‘Gutedels’ seien noch heute in der Oase Fayyum, rund 70 Kilometer südwestlich von Kairo zu finden. Mehrere Spielarten des ‘Gutedels’, die denen auf den Wandgemälden in den Königsgräbern bei Luxor in Oberägypten dem Gutedelblatt gleichen, gedeihen dort bis auf den heutigen Tag. Die Sorte Fayoumi in dem großen Rebberg von Gianaclis beispielsweise weist eine auffallende Ähnlichkeit mit dem europäischen Gutedel auf. Die Hypothese eines Ursprungs in Ägypten stammt vom französischen Ampelographen Adrien Berget, der die Rebsorte im Jahr 1932 dort wiedererkannt zu haben glaubte. Diese These wurde später von Henry Wuilloud (1947) verteidigt. Erst später entstand die Behauptung, die Sorte sei in Fayyum seit 5000 Jahren bekannt. Die Römer sollen die Rebsorte dann nach Europa gebracht haben. Eine andere Interpretation legt den Ursprung der Rebsorte innerhalb der Region Palästina in das Tal des Jordan.
Konstantinopel
Belegt ist, dass 1523 der Vicomte von Saint-Auban, Botschafter des Königs von Frankreich Franz I. am Hofe des Sultans Süleyman I., Chasselas-Weinstöcke aus Konstantinopel, in dessen Umgebung ‘Chasselas’ dort seit langem kultiviert wurde, nach Fontainebleau und Burgund gebracht hat. Dieser Wein wurde zum Lieblingsgetränk am Königshof. Von dort soll de Courten, General von Ludwig XV., Chasselas-Reben von Fontainebleau weiter ins Schweizer Wallis nach Siders gebracht haben.
Weitere
Andere Autoren verlegen den Ursprung nach Südfrankreich in die Gegend von Cahors, Hauptort des Départements Lot. Von dort sollen Franz I. und Heinrich IV. Rebholz in dem berühmten königlichen Weingarten in Fontainebleau angepflanzt haben. Aus Zypern hingegen, glaubt August Wilhelm von Babo, habe Kaiser Franz I. den Chasselas nach Frankreich eingeführt. Johann Philipp Bronner wiederum vermutet als Herkunft Spanien. Der Provenzale Michel (1819) schließlich vermutet, alle französischen Rebsorten stammten von Mutterreben ab, welche die ionischen Phokäer bei der Gründung von Massalia (Marseille) aus Kleinasien mitgebracht hätten.
Der rege Warenverkehr in Europa verstärkte die Ausbreitung von Chasselas von Ost nach West und Nord, damit konnte sich frühzeitig die Chasselasrebe im Rhonetal über Burgund bis ins Wallis ausbreiten. Von der Westschweiz hat sich der Chasselas unter verschiedenen Synonymen über Elsaß, Rheinpfalz, Baden, Württemberg und ganz Mitteleuropa verbreitet. Hertwig (1660) beispielsweise berichtet aus Ungarn von ihm. Nach seinem Förderer Josef Fabián, der ihn aus Frankreich einführte, ist er dort Ende des 18. Jahrhunderts unter dem Namen Fabiántraube weit verbreitet gewesen.
Den Ursprung für den Gutedel beanspruchen viele Gebiete. Mit Nachdruck meldet sich der Ort “Chasselas” in Burgund unweit Mâcon an. Die Rebsorte seines Namens gedeihe hier seit Menschengedenken, trüge deshalb den Namen mit vollem Recht, stamme von Schweizer Wildreben ab, über welche die Westschweiz so reichlich verfüge.
DNA-Analyse
Eine umfangreiche DNA-Analyse an der Universität Neuenburg konnte keinen Hinweis auf eine Verwandtschaft mit Rebsorten aus Ägypten und Palästina finden. Gutedel sei hingegen mit autochthonen Rebsorten des Alpenraums im Osten Frankreichs, der Schweiz sowie dem Norden Italiens verwandt. Die wichtigsten Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Arbeit sind: Die Elternsorten des Chasselas konnten nicht festgestellt werden. Es konnten aber 20 Klonvarianten mit derselben DNA identifiziert werden. Die Chasselasrebe hat genetische Ähnlichkeit mit den meisten alten Rebsorten des Alpenbogens. Zum Beispiel mit der Sorte Teroldego, dem Lagreiner oder der Altesse. Burgund, wo der Chasselas 1612 unter dem Namen Fendans, Fendant oder Lausannois erwähnt wurde, befindet sich im Bereich der genetischen Verwandtschaft des Chasselas, insbesondere das gleichnamige Dorf, das mit großer Wahrscheinlichkeit eine Durchgangsstation dieser Sorte darstellt. Die Bezeichnung Lausannois oder Luzannois verrät noch wahrscheinlicher die Anfänge des Chasselas. Die glaubhafteste Hypothese sieht den Ursprung des Chasselas im Genferseebogen, am ehesten im Kanton Waadt.
Fazit
Auf Grund der vielen Annahmen, Ähnlichkeiten und wissenschaftlichen Untersuchungsergebnissen wird die genaue Herkunft wohl nie festgestellt werden können. Die Ururahnen des Gutedel mögen vielleicht aus Ägypten oder dem Jordan-Tal stammen (auf Grund einer gewissen Ähnlichkeit im Aussehen). Mit der verschiedenen und über Jahre andauernden Verbreitung der Reben nach Mitteleuropa sind durch natürliche Kreuzung, Mutationen und Vermehrung mit Samen neue Typen und Sorten entstanden. Die Ergebnisse lassen die Hypothese zu, dass der heute bekannte Gutedel in Mitteleuropa, im Bereich der Westalpen, von Winzern selektioniert wurde. Wie eben bei vielen der heutigen Sorten werden die Ururahnen im Südosten angenommen. Eine vollständige Klärung ist auch mit den Mitteln der Gentechnik nicht möglich.