Schinkenbrot als Schaum: «Smooth Food» erleichtert Kranken das Essen
Ein Schnitzel zum Mittag - für Menschen mit Kau- und Schluckbeschwerden oft ein unerreichbarer Wunsch. Es sei denn, sie essen es püriert. Ein Bremerhavener Unternehmen sorgt dafür, dass der Brei wieder so aussieht wie ein Schnitzel.
Früher wurden den Bewohnern mit Kau- und Schluckbeschwerden in seinen Häusern Pürees und Suppen serviert. «Wir sind schnell an unsere Grenzen geraten», sagt Amer. Inzwischen essen die Betroffenen dasselbe wie die anderen Bewohner, sei es Schnitzel oder Hähnchen - nur eben püriert und in luftige oder cremige Schäume sowie Gele verwandelt. Mithilfe von Silikonförmchen lassen sich Möhren- oder Hähnchenpasten in fast echt aussehende Möhrenkugeln und Hähnchenschenkel verwandeln. «Das ist zurückgewonnene Lebensqualität für die Bewohner», sagt Amer.
Die Pulvermischungen, die für die Verwandlung der Lebensmittel benötigt werden, wurden vor vier Jahren von Biozoon entwickelt, einem kleinem Unternehmen mit 25 Mitarbeitern in Bremerhaven. «Smooth Food» (übersetzt aus dem Englischen: weiches Essen) nennt sich das Ernährungskonzept. 1000 Pflegeheime und Krankenhäuser beliefert Biozoon. Die Firma ist nach eigenen Angaben Vorreiter auf dem Geschäftsfeld.
Die aus Stabilisatoren und Emulgatoren bestehenden Pulver verändern nur die Konsistenz der Lebensmittel, wie Geschäftsführer Matthias Kück betont. «Sie beeinflussen nicht den Geschmack.» In manchen Heimen werde pürierte Kost mit Stärke, Ei oder Soßenbindern angedickt. Kück findet das schauderhaft: «Der Kau- und Schluckreflex wird schließlich über die Geschmacksrezeptoren angeregt.» Wenn das Essen fade ist und unappetitlich aussieht, vergeht der Appetit. Mangelernährung, Gewichtsverlust und Flüssigkeitsmangel können die Folge sein.
Für Menschen, die bereits mit einer Sonde ernährt werden, haben luftige Schäume - etwa aus Kirschsaft - einen stimulierenden Effekt, wie Kück beobachtet haben will. Der Schaum müsse nicht geschluckt werden, er benetzt nur Zunge und Gaumen. Da dort die meisten Rezeptoren sitzen, komme es zu einer «oralen Geschmacksexplosion». Die Betroffenen würden wieder zum Essen angeregt.
Der Kommunikationswissenschaftler Christian Schindler schreibt in seinem Internetblog, der sich mit der Zukunft des Essens beschäftigt: «Smooth Food ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, da unsere Gesellschaft älter wird.» 2,5 Millionen Pflegebedürftige leben laut Statistischem Bundesamt in Deutschland. Viele von ihnen leiden etwa nach einem Schlaganfall oder wegen Demenz unter Kau- und Schluckbeschwerden. Sie brauchen Breikost - und die sollte schmackhaft sein, findet Schindler: Zum Beispiel als komplettes Frühstück aus dem Sahnespender.
Doch die manuelle Zubereitung der Schäume und Gele schrecke große Einrichtungen ab, sagt Kück. Deshalb beteiligt sich das Unternehmen an einem EU-geförderten Projekt. «Ziel ist es, einen 3D-Drucker zu entwickeln, der personalisierte Gerichte industriell herstellt», sagt Kück. Die Maschine spritzt Breie Schicht für Schicht in unterschiedlichen Formen auf den Teller. Heimköche brauchen die Gerichte nur noch zu erwärmen.
Auch Karim Amer will sich das Essen für seine Einrichtungen liefern lassen, sobald das möglich ist. Bis dahin kochen seine Köche weiter selbst. Die freuen sich schon auf die Spargelsaison: «Pürierter Spargel in Stäbchenform ist fast besser als das Original», sagt Amer. - (dpa) -
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