Am Anfang war der Butterkeks. Diesen Sommer vor 125 Jahren startete die «Hannoversche Cakesfabrik H. Bahlsen» - mit zehn Mitarbeitern. Mittlerweile sind es gut 2500. Der heutige Chef Werner M. Bahlsen wird im Jubiläumsjahr 65 - und hat mit dem Marktführer noch viel vor.
Ginge es nach dem Kinoknüller «Fack ju Göhte», wäre Werner Michael Bahlsen schon am Ziel. In einer Szene ist ein Schüler im Snackautomaten eingesperrt. Die Maschine bietet nur einen Bahlsen-Riegel an - null Konkurrenz. Ganz so ist die reale Welt für den Marktführer unter den Süßgebäckherstellern freilich nicht. Und daher ist Konkurrenzbeobachtung bei Bahlsen Chefsache. «Regelmäßig» beäugt der Firmenlenker in Supermärkten die Produkte. «Klar! Und in allen Ländern, in denen ich bin, mache ich das», sagt Werner Michael Bahlsen. Am 13. April wird er 65, sein gleichnamiges Keksimperium feiert dieses Jahr am 1. Juli 125 Jahre Jubiläum.
Grund genug, aufzuhören? Nicht für Bahlsen, der sich in fünf Jahren, also mit 70, immer noch in der Firmenzentrale in Hannover sieht. «Ich denke schon, dass ich hier die Geschicke noch mitbestimmen werde. Nicht alleine, aber mit den Kollegen», sagt er anlässlich des nahenden Geburtstags, den er «im kleinen Familienkreis» begehen will.
Arbeit für sein Unternehmen mit den beiden Dachmarken Bahlsen und Leibniz gibt es genug. «Ich sehe uns in einer internationalen Rolle. Wir sind stark in Deutschland, aber wir haben in vielen Regionen der Welt, zum Beispiel im arabischen oder asiatischen Raum, noch großes Potenzial, und das testen wir gerade aus», sagt der Lenker der Firma, deren Produkte etwa die Österreicher als Kornland kennen oder die Polen als Krakuski. Es scheint fast, als wäre seine Bürowelt voller Kekse. Doch der Chef meint: «Wenn wir hier Besprechungen haben, reden wir im Zweifelsfall über Zahlen und Marketingentwicklung, aber wenn ich in der Produktion bin, wird schon häufig über Kekse geredet.»
Themen gibt es für die Manager genug: Der Preisdruck durch die Handelsmarken von Discountern, veränderte Ernährungsgewohnheiten und wegbrechende Märkte zwangen das Unternehmen zur Verjüngungskur. Und so ist Bahlsen nicht nur im Kinofilm «Fack ju Göhte» mit Product Placement umtriebig.
Firmenchef Bahlsen, 1949 in Göttingen geboren, lernte sein Handwerk von der Pike auf als Konditor. Anfang der 1970er Jahre studierte er Betriebs- und Volkswirtschaft in Zürich und Genf, arbeitete als Praktikant in Großbritanniens Industrie und absolvierte schließlich eine Trainee-Ausbildung in der Keksindustrie in den USA.
Eine gute Basis für eine Branche, die nicht nur auf Produktseite in Bewegung ist, sondern auch bei den Vertriebswegen. Für Snackprodukte, die direkt verzehrt werden, sind international gesehen sogenannte Convenience Stores interessant. «Dieses Format steckt aber in Deutschland nach wie vor in den Kinderschuhen», sagt Denise Klug, Analystin beim Branchenkenner Planet Retail. «Rewe betreibt eine Hand voll Convenience Stores in Nordrhein Westfalen und ist somit der einzige der großen Player, der sich wirklich in dieses Feld gewagt hat.» Konkurrenz komme aus dem Ausland, den Niederlanden. «Ahold mit Albert Heijn to go hat 2012 die Lücke im deutschen Markt erkannt und ein paar Läden eröffnet.» Doch aus das ist bisher regional geblieben.
Das Ausland sei da viel weiter. «Hierzulande spielen immer noch Bäckereien und Imbissbuden die wichtigste Rolle im Direktverzehr, außerdem gibt es ein dichtes Netz an Supermärkten und Discountern», sagt die Branchenanalystin zur Lage am heimischen Bahlsen-Markt.
Den Firmenchef reizt auch nach 65 Jahren die Kombination aus Kaufmann und Konditor, denn neben dem Handwerk gehe es «auch um Technologie und um Zahlen, das Produkt muss sich rechnen». Ihn begeistere oft gerade der Nachwuchs: «Junge Leute zu erleben, die anpacken und mit neuen, zum Teil auch unbequemen Ideen das Geschäft vorantreiben.»
Neue Ideen hat Bahlsen durchaus auch für den Keks der Zukunft. «Der schmeckt süß, ist richtig lecker, hat eine emotionale Form und es gibt ihn auch mal in ungewöhnlichen Geschmacksrichtungen», meint der Unternehmenslenker. Eine emotionale Form bei Keksen, das sei einer «der nicht nur gut schmeckt, sondern alle Sinne anspricht».
Dabei sind Kekse bekanntlich in Massen ungesund. Diplomatisch sagt der Firmenchef dazu: «Wenn ich mit diesem Unternehmen im Rücken Verzicht auf Genuss predigen würde, würde das nicht passen. Ich finde, man soll das Leben genießen und sich nicht kasteien - aber alles in Maßen.» Zumindest für einen Tag könnte sich der Keks-Unternehmer auch in ganz anderer Rolle sehen. Als Cellist, um «einfach mal den ganzen Tag nur Kammermusik zu machen».