Da braut sich was zusammen - Bier-Boom abseits des Massengeschmacks
Aus Wasser, Hopfen, Malz und Hefe mischt der Braumeister hier nicht nur Standard-Pils, sondern Ales mit Ingwer oder Frucht, bittere Biere mit starker Hopfennote. So wie er entdecken Brauer gerade überall in Deutschland ein altes Handwerk neu - in Zeiten sinkenden Bierkonsums und eines harten Preiskampfes für viele ein rettender Strohhalm.
Seit Jahren schrumpft der deutsche Biermarkt, weil die Einwohnerzahl zurückgeht und eine alternde Gesellschaft weniger trinkt. Trotzdem stieg die Zahl der Brauereien im vergangenen Jahr auf 1349. Immer weniger nationale Markenbiere gingen noch zum Normalpreis weg, sagt Tim Brzoska, Experte für Preisstrategien im Handel. Kleine Brauer müssten über Innovationen ins Geschäft kommen. "Das Bier muss einfach gut sein, anders schmecken und auch besonders daherkommen."
Brokamp erzählt von einem Coffee-Ale, das er mit echtem Kaffee braut. Jede Woche bietet er ein anderes Spezialbier an. Normalerweise halte er sich dabei an die klassischen vier Zutaten, die das Reinheitsgebot vorgibt. "Die Spannbreite bei Malz und Hopfen ist noch lange nicht ausgereizt", betont er.
In den USA, wo der Trend herkommt, geht es bunter zu: Hier wird zu Halloween Pumpkin Ale gebraut, ein Kürbisbier, das geschmacklich an verflüssigten Spekulatius erinnern kann. Craft Beer werden die Sorten abseits des Massengeschmacks genannt - Handwerks-Bier. Nach Angaben der Branchenvereinigung Brewers Association gab es im vergangenen Jahr 2768 Craft Breweries. Vom Volumen her haben sie einen Marktanteil von knapp 8 Prozent. In Dollar sind es wegen der höheren Preise gut 14 Prozent.
So weit sind die Mikrobrauereien in Deutschland noch nicht. "Ihr Anteil am Gesamtausstoß und Gesamtumsatz ist sehr gering", sagt der Hauptgeschäftsführer des Brauerbunds, Holger Eichele. Die Deutschen lieben Pils oder Weißbier. Doch das Bier im Supermarkt sei austauschbar geworden, meint Dieter Prokein von der Versuchs- und Lehranstalt für Brauereien. Man hat ihm Bitterstoffe entzogen, um es gefälliger zu machen. Mit dem Ergebnis, dass viel Charakter verloren gehe, kritisieren die Mikrobrauer.
Der Pionier der Berliner Szene hat einen anderen Geschmack. "Gerne bitter mit viel Hopfen", erläutert Thorsten Schoppe. Aus einem Fass zapft er einen Schluck ab, steckt die Nase ins Glas wie bei der Weinprobe. Es testet ein Double Indian Pale Ale mit zehn Prozent Alkohol. Schoppe nennt es "Holy Shit Ale". "Kein Frühstücksbier", sagt er. Es riecht harmlos, fast fruchtig.
Der Berliner verkauft sein Craft Beer unter dem Slogan "Hopfen, Malz & Muskelschmalz". Das wahre Handwerk sei, alles aus den Rohstoffen rauszukitzeln - das Beerenaroma im Hopfen, die Süße der Malze. Jedes Bier sei eine persönliche Interpretation des Brauers, sagt der Mann mit dem Zopf. Das Schoppebräu läuft so gut, dass er kürzlich mit dem Pfefferbräu die zweite Brauerei übernommen hat.
Seit den Boom der kleinen Kellerbrauer entdecken auch Großbrauereien das aromatische Bier abseits des Massengeschmacks. Die Köstritzer Schwarzbierbrauerei aus Thüringen bietet seit dem 1. April ein Pale Ale mit herber Zitrusnote an. Die Görlitzer Landskronbrauerei experimentiert mit über Torf geröstetem schottischen Malz, das dem Bier ein rauchiges Whisky-Aroma gibt.
"Bevor man Craft Beer braut, muss man richtig gut Bier brauen", sagt Dieter Prokein. Nur wer die biochemischen Prozesse kenne, könne in den immer selben vier Zutaten neue Varianten finden. Doch nicht nur Hopfen, Wasser, Malz und Hefe sorgen für den Geschmack, erläutert Schoppe. Auch auf Temperatur, Gär- und Lagerzeit kommt es an. Letztere könnten auch den berüchtigten Kater-Kopfschmerz verhindern./tam/DP/jha -(dpa)-
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