Bayrisches Bier in aller Munde - Südliche Brauer überholen NRW

Bayerns Bier schlägt immer öfter das traditionelle Pils aus Nordrhein-Westfalen. Ihren Erfolg verdanken die weiß-blauen Brauer trendbewussten Trinkern in deutschen Städten und durstigen Chinesen.

01.08.2014 - Deutschland

Bayern hat Nordrhein-Westfalen den Rang als deutsches Bierland Nummer 1 abgelaufen. Ungeachtet der eigentlich für Bierbrauer ungünstigen demografischen Entwicklung steigern die Bayern ihren Ausstoß: Im ersten Halbjahr 2014 kamen aus den bayrischen Braukesseln rund 245 000 Hektoliter mehr Gerstensaft als aus denen an Rhein und Ruhr, hat die amtliche Steuerstatistik festgestellt. Zumindest einige der Brauereien in NRW befinden sich auf einer längeren Durststrecke, während die Bayern vor allem ihre Sorten Weizen und Hell mit ständig steigendem Erfolg in den Rest Deutschlands und in alle Welt liefern. 

Die Münchner Platzhirsche Paulaner und Augustiner konnten nach einer Auswertung des Fachmagazins «Inside-Getränke» im ersten Halbjahr ihren Absatz jeweils um nahezu 10 Prozent steigern. Zu den Verlierern auf der anderen Seite gehörten bekannte «Fernseh-Biere» wie Hasseröder, das sächsische Oetker-Flaggschiff Radeberger und die beiden NRW-Biere Warsteiner und König. Trotz eines insgesamt wachsenden Marktes verzeichneten sie Absatzverluste zwischen 6 und 8,4 Prozent. «Das sind Marken, die es in den vergangenen Jahren besonders häufig als Aktionsware gab», sagt der Inside-Experte Niklas Other. Die Kunden wollten die jüngste Preiserhöhungswelle für diese «gefühlt billigeren» Marken nicht mehr mitmachen, meint er. 

Krombacher, Bitburger und Veltins konnten die um etwa einen Euro pro Kasten erhöhten Preise hingegen am Markt durchsetzen. Den zusätzlichen Erlös können die Brauereien gut gebrauchen, um die vom Bundeskartellamt verhängten Millionenbußen wegen früherer Preisabsprachen zu zahlen. 338 Millionen Euro Buße verlangen die Bonner Wettbewerbshüter von den beteiligten Brauereien, von denen sich nur noch Radeberger und Carlsberg juristisch wehren. Kurioserweise setzen die Brauereien nach der Zerschlagung des Kartells auf breiter Front höhere Preise durch.

Ganz oben in der Preisschiene tauchen in den Getränkemärkten auch nördlich des Mains immer mehr süddeutsche Biere auf. Gefühlt ist Bayern schon länger das Bierland Nummer eins. Fast die Hälfte aller deutschen Braustätten steht hier, wenn auch eher die Kleineren und Kleinsten. Sie produzieren zwar eine riesige Vielfalt, die es aber bislang oft nur in der nächsten Umgebung zu kaufen gab. Export war für viele Unternehmen höchstens eine Biersorte.

Doch nachdem bayerisches Bier - vor allem Weißbier und inzwischen auch Helles - im übrigen Deutschland stetig beliebter wurden, wächst auch im Ausland die Begeisterung. Inzwischen wird jede fünfte in Bayern gebraute Maß im Ausland getrunken. Paulaner etwa liefert immer größere Mengen - vor allem Weißbier - nach China. In Asien sehen viele Brauer neuerdings großes Potenzial. Schon jetzt platzt die Brauerei am Münchner Nockherberg aus allen Nähten. Der Erfolg erzwingt einen Umzug der seit fast 380 Jahren bestehenden Braustätte - aber nur innerhalb Münchens, denn die geschützte Bezeichnung Münchner Bier will man unter keinen Umständen verlieren.

Der Trend zum milden Hellen läuft in der Hauptstadt Berlin schon seit Jahren, berichtet der dortige Bierverleger Christian Rössler. Konzernunabhängige Marken wie Tegernseer oder Augustiner haben den vormaligen Überraschungserfolg des Schwarzwaldbieres Tannenzäpfle beendet und dominieren in vielen Szene-Kneipen. Da macht es auch fast nichts, wenn der bayrische Gerstensaft im Sommer mal ausgeht. «Das steigert eher noch die Nachfrage, wenn etwas knapp ist.»

Das will die Herzoglich Bayerische Brauhaus Tegernsee KG naturgemäß ändern. Das Unternehmen, das sich zu den ältesten Brauereien Bayerns zählt, will seine Produktion in den kommenden Jahren nahezu verdoppeln und dafür seine beiden Standorte kräftig ausbauen. Mitten im Alpen-Idyll am Tegernsee wird künftig im Dreischichtbetrieb gebraut und abgefüllt - mit dem entsprechenden Liefer-Schwerverkehr, der prompt für Ärger sorgt.  

Den nächsten Trend auf dem Biermarkt nach den weitgehend ausgereizten Biermischungen wollen die deutschen Brauer keinesfalls verpassen. Handwerklich hergestelltes «Craftbeer» mit allerlei durchaus auch exotischen Geschmacksrichtungen ist im US-Markt das aktuelle Erfolgsrezept, nimmt den wässrigen Lagerbieren der Großbrauereien seit Jahren Marktanteile ab. Ob das in Deutschland mit mehr als 1300 Braustätten und geschätzten 5000 Biersorten auch so läuft, ist zumindest fraglich. Fast die Hälfte (668) brauen jeweils noch nicht einmal 1000 Hektoliter Bier im Jahr. «Da ist auch vieles noch Craftbeer», meint Rössler. Und auch die Großen haben den Trend längst erkannt, lassen kleine Einheiten an exotischen Bieren tüfteln oder vertreiben externe Produkte. Beispiele sind das «Craftwerk» von Bitburger und «Braufactum» von Radeberger.

-(Von Christian Ebner und Sebastian Raabe, dpa)-

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