Orange oder Orangensaft: Was ist gesünder?
Wissenschaftliche Studie der Universität Hohenheim zeigt: Nährstoffe werden aus Orangensaft besser vom Körper aufgenommen als aus der Frucht.
Die Orange ist seit langem wegen ihres hohen Gehaltes an gesundheitlich förderlichen Nährstoffen beliebt. Neben einer hohen Konzentration an Vitamin C verfügt sie über eine Vielfalt an Carotinoiden und Flavonoiden, die das Risiko für bestimmte Krebs- oder Herzkreislauferkrankungen senken können.
Gegenüber der Frucht genießt der Orangensaft jedoch aufgrund seines relativ hohen natürlichen Zuckergehaltes neuerdings keinen guten Ruf. Für viele Ernährungsberater ist Zucker in Lebensmitteln ein grundsätzliches Übel. Sie raten daher anstelle von gepresstem Orangensaft eher zum Verzehr von Orangen. In England wurde sogar eine „Strafsteuer“ auf alle Fruchtsäfte vorgeschlagen und Orangensäfte als „Junkfood“ aus einigen Kindergärten verbannt.
Eine Studie der Universität Hohenheim widerlegt nun die Vorbehalte gegenüber Orangensaft. Ihre Ergebnisse zeigen, dass der Körper die Nährstoffe aus dem Saft potentiell besser aufnehmen kann als aus der Frucht selbst, sagt Prof. Dr. Dr. Reinhold Carle, Inhaber des Lehrstuhls für Technologie und Analytik pflanzlicher Lebensmittel und Initiator der Studie.
„Zwar werden die Carotinoid- und Vitamin C-Gehalte bei der Saftherstellung geringfügig vermindert“, sagt Prof. Carle. „Gleichzeitig aber nimmt die Freisetzung dieser Inhaltsstoffe und somit der Anteil, den der Körper aufnehmen und verwerten kann, um ein Vielfaches zu.“
In vitro-Modell simuliert Verdauungsprozess des menschlichen Körpers
Für die Studie stellte der Doktorand Julian Aschoff Saft aus einer der beliebtesten Orangensorten her: der Navel-Orange. „Wir haben sowohl Frischsaft, gewöhnlichen Direktsaft, als auch einen flash-pasteurisierten Saft hergestellt. Letzterer wird in Supermärkten oft gekühlt als „Premiumsaft“ verkauft so Aschoff zum Aufbau der Studie. „Die Freisetzung der Nährstoffe aus diesen drei Säften haben wir dann mit der aus der Frucht verglichen.“
Das Team um Prof. Carle benutzte hierfür ein in vitro-Modell des menschlichen Verdauungstraktes, einem weltweit üblichen Standardverfahren zur Bestimmung der Freisetzung von Nährstoffen aus Lebensmitteln, so Aschoff weiter: „Mit einem in vitro-Modell simulieren Forscher die Prozesse im menschlichen Körper. Wir schufen so im Reagenzglas nacheinander die gleichen Bedingungen wie sie im Mund, Magen und Dünndarm bei der Verdauung von Orangen und Orangensaft herrschen.“
Neben dem Nachahmen des menschlichen Kaueffekts, um die Früchte zu zerkleinern, gaben die Wissenschaftler auch Speichel, Verdauungsenzyme und Gallenflüssigkeit hinzu, modellierten die Bewegungen der Lebensmittel im Magen-Darm-Trakt und führten die Untersuchungen bei Körpertemperatur durch. Das Ganze geschah ausschließlich im Dunkeln, erklärt Aschoff, damit lichtempfindliche Inhaltsstoffe erhalten bleiben.
Nährstoffe aus Saft besser verfügbar als aus der Frucht
Die Freisetzung der Carotinoide, die als Provitamin-A eine wichtige Rolle im menschlichen Körper spielen, stieg von 11% in der Frucht auf über 28% im Frischsaft und bis zu 40% im pasteurisierten Saft. Damit sind Carotinoide aus dem Saft potentiell 4-fach besser bioverfügbar als aus der Frucht.
„Nimmt man die Ergebnisse aus unserer Publikation, ist Orangensaft die bessere Quelle für Carotinoide als die Frucht an sich“, so das Fazit von Aschoff. „Die Inhaltsstoffe im Saft werden bei der Pasteurisierung besser freigesetzt als beim Verzehr der ganzen Frucht und können so vom Körper besser aufgenommen und verstoffwechselt werden. Eine eben abgeschlossene Humanstudie bestätigt die Ergebnisse unserer Modellversuche.“
Von Nektar wird abgeraten
Egal, ob der Verbraucher nun den Frischsaft, den Direktsaft oder den Saft aus Konzentrat bevorzugt – sie alle seien maßvoll konsumiert gesund und zu empfehlen. „Da der Obst- und Gemüseverzehr in Deutschland weit unter den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung liegt, kann der Konsum von Orangensaft zu einer gesunden Ernährung beitragen“, so Prof. Carle. Nur von einem rät der Experte der Universität Hohenheim ab: Orangennektar.
„Der Begriff Nektar hört sich zwar gut an und suggeriert, dass es als „Trank der Götter“ ein besonders hochwertiges Produkt sei“, so Prof. Dr. Carle. „In Wirklichkeit wird Nektar aber zur Hälfte mit Wasser gemischt und dann mit Zucker angereichert, damit er genauso süß ist wie ein Saft.“ Am Ende enthält er zwar genauso viel Zucker wie ein Orangensaft – aber nur die Hälfe der Vitamine.
„Wer sich gesund ernähren will, sollte die Finger besser von Orangen-, Apfel- und Ananasnektar lassen. Nektare haben nur dann eine Berechtigung, wenn 100%-Säfte aufgrund des hohen Säuregehalts der Frucht (z. B. Sauerkirsche und Johannisbeere) oder ihrer Zähflüssigkeit (z. B. Banane und Aprikose) als solche nicht genießbar sind.“