Neue Studie beweist: Ferntransport von Pestiziden belastet Bioanbau in großer Distanz

EU-Agrarrat am 1. und 2. Juni: Schmidt muss biospezifische Grenzwerte ablehnen

01.06.2015 - Deutschland

Der EU-Agrarrat verhandelt am 1. und 2. Juni weiter die Streitpunkte zur Revision der EU-Ökoverordnung. Unter Führung der lettischen Ratspräsidentschaft trifft sich der Rat zu einem informellen Austausch in Riga. Dabei wollen die EU-Kommission sowie ein Lager von Mitgliedsstaaten biospezifische Grenzwerte bei Kontaminationen, zum Beispiel mit Pestiziden, einführen. Solche Grenzwerte würden das Verursacherprinzip auf den Kopf stellen: Biobauern wirtschaften nach strengen Richtlinien ohne den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden und dürfen nicht für Pestizidbelastungen aus der konventionellen Landwirtschaft verantwortlich gemacht werden. Bioland, der bedeutendste Verband von Biobauern in Deutschland, fordert deshalb Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt auf, standhaft zu bleiben. "Schmidt muss die Einführung biospezifischer Grenzwerte in jeglicher Form strikt ablehnen und die Prozesskontrolle im Bio-Recht verteidigen", gibt Jan Plagge, Präsident von Bioland, dem Minister mit auf den Verhandlungsweg.

Biobauern leiden bereits heute unter den Schäden durch Pestizidabdrift konventioneller Berufskollegen und bleiben oftmals auf dem wirtschaftlichen Schaden sitzen. Ein direkter Abdriftschaden vom Nachbarfeld lässt sich dem Verursacher direkt zuordnen. Eine neue Studie zeigt nun jedoch Schäden durch sogenannte Ferntransporte, Pestizidabdrift über weite Distanzen. Die Studie im Auftrag des Landesamts für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) Brandenburg führt den Nachweis, dass die Unkrautvernichtungsmittel Pendimethalin und Prosulfocarb, die im konventionellen Landbau häufig verwendet werden, sehr weiträumig über thermische Luftbewegungen verbreitet sind. So werden in Abständen von mehreren Kilometer zum Ausbringungsort Biokulturen kontaminiert, ohne den Verursacher feststellen zu können. Die Gutachter sprechen von einer "unerwünscht weiträumigen und anhaltenden Verbreitung insbesondere von Pendimethalin". Die festgestellte Belastung liegt 100- bis 1000-fach höher als die Grundbelastung in unbelasteten Referenzgebieten (Nord- und Ostsee). Angesichts dieser neuen Studie sagt Bioland-Präsident Jan Plagge: "Es wäre unverantwortlich, Biobauern über biospezifische Grenzwerte für Kontaminationen haftbar zu machen, die andere verursacht haben. Kein Biobauer kann so ein unkalkulierbares Risiko tragen. Biospezifische Grenzwerte müssen vom Tisch. Anstatt Biobauern neue Bürden aufzuerlegen, muss das Zulassungssystem für Pestizide geändert werden."

Biobauern könnten ansonsten einen Teil ihrer Ware nicht mehr als Biolebensmittel vermarkten. "Der Schaden durch die Aberkennung des Biostatus verbunden mit dem Rückruf von Biolebensmitteln würde die Biobranche in ihrer Existenz gefährden", so Plagge. Zusätzlich wäre mit einem weiteren Anstieg der Kosten durch aufwändige Analysen zu rechnen. Allein die Einführung eines Pestizid-Schwellenwertes würde nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes jährlich Kosten von 86 bis 146 Millionen Euro für die deutsche Biobranche verursachen.

Bioland fordert den Stopp des laufenden Gesetzgebungsprozesses zur EU-Ökoverordnung. Die Vorstellungen innerhalb des Ministerrates aber auch die des Berichterstatters des EU-Parlaments und der EU-Kommission liegen meilenweit auseinander. "Das geltende Bio-Recht muss gesichert werden", fordert Plagge. "Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und sein Vize Frans Timmermanns sind nun gefordert, den Prozess zu stoppen und einen Neustart auf Grundlage des bestehenden Rechtes zu initiieren."

Hier finden Sie die Studie im Auftrag des Landesamts für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) Brandenburg. http://ots.de/KCTTO

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