Börse Frankfurt-News: Bitte ein Bier!
Die Phase des abnehmenden Bierkonsums scheint zumindest in Deutschland der Vergangenheit anzugehören. Erstmals seit 2006 vermeldet das statistische Bundesamt für das abgelaufene Jahr einen um eine Millionen Hektoliter höheren Absatz für das Gebräu. Zwar steht die Bundesrepublik mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 104 Liter im weltweiten Vergleich immer noch auf Platz drei, nur überrundet von Österreich mit gut 107 Liter und der Tschechischen Republik mit rund
137 Liter. Mit den überproportional wachsenden Märkten in China oder Afrika sinke aber die Bedeutung Deutschlands in diesem Segment.Allein in Afrika soll der Bierabsatz laut der Behörde in Wiesbaden bis einschließlich 2017 um jährlich 5 Prozent steigen, weil immer mehr Afrikaner statt zum Hausgebrauten öfter zu Brauereibier griffen.
Die Branche sieht sich trotzdem mit sinkenden Zuwächsen konfrontiert. Nach einem weltweiten Plus von 25 Prozent in der vergangenen Dekade geht die Beratungsgesellschaft W&P für die kommenden zehn Jahre von lediglich 15 Prozent Steigerung beim Bierkonsum aus. Vor allem in den Industrieländern erreiche der Markt eine Sättigung.
Asiatische Konkurrenz auf der Überholspur
Die Herausforderungen in dem zwar relativ stabilen, aber von starkem Wettbewerb getriebenen Markt sind laut Jan Vrbsky von der Baader Bank enorm. "An den Kursentwicklungen erkennt man, wie unterschiedlich die Konzerne die veränderten Rahmenbedingungen angehen." Während der Aktienkurs des weltweit größten Brauereikonzerns Anheuser-Busch (WKN 590932) in den vergangenen zwölf Monaten rund 30 Prozent hinzugewann, hat sich die SAB Miller-Aktie (WKN 861038) als Nummer zwei kaum bewegt.
Als drittgrößter Anbieter behauptet sich Heineken (WKN A0ETXG) mit einem Wertzuwachs von 28 Prozent ganz gut, während die Anleger von Carlsberg (WKN 861061) sich mit gerade mal 5 Prozent abfinden müssen.
Tsingtao Brewery (WKN A0M4ZB) als größte chinesische Brauerei und die japanische Asahi Group (WKN 853764) trumpfen mit Kurssteigerungen von
30 und 35 Prozent auf. "Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20 Prozent sind die Notierungen in der Branche bereits weit gelaufen", meint Vrbsky.
Fosun auf dem Vormarsch in Europa
Weniger bekannt hierzulande ist der chinesische Mischkonzern Fosun. Hier lagen Aktionäre zuletzt ebenfalls genau richtig: Der Titel verteuerte sich an der Börse Frankfurt (WKN A0MVLL) in den vergangenen sechs Monaten um 145 Prozent, in den vergangenen zwölf um 163 Prozent. "Fosun hat sich mehr oder weniger unbemerkt in Europa breit gemacht und ein wichtiges Standbein in der Tourismusbranche aufgebaut", bemerkt Vorhauser.
Anfang des Jahres hat Fosun, eigentlich vor allem in den Bereichen Versicherungen, Finanzen und Immobilien aktiv, den französischen Reiseveranstalter Club Med übernommen, im März folgte der Einstieg bei Thomas Cook mit 5 Prozent, der Anteil soll noch auf 10 Prozent aufgestockt werden. "Das hat für Kursphantasie gesorgt."
Lokales Bier für Russland
In Zukunft spielt die Musik für Bier stärker in aufstrebenden Regionen. "Fast Zweidrittel des operativen Gewinns von Heineken kommt bereits aus den Schwellenländern", weiß Walter Vorhauser von der Oddo Seydler. Auch Russland sei für den holländischen Riesen ein Wachstumsmarkt. "Um die konfliktbedingten Umsatzeinbußen dort abzufangen, hat Heineken an vier russischen Standorten mit der Produktion von Gösser-Bier begonnen." Mit Flaschen- und Dosenbier für 50 Rubel statt bislang 86 Cent ziele das Unternehmen auf einen höheren Anteil des Kuchens in Russland. "Russische Brauereien in St. Petersburg, Nischni Nowgorod, Jekaterinburg, Nowosibirsk und Sterlitamak hätten bereits mit der Produktion der steirischen Biermarke begonnen." Die Marke Gösser sei Teil der österreichischen Brau Union, die seit 2003 zum Heineken-Konzern gehöre. Die Heineken-Aktien ist zwar seit Mitte April mit dem Gesamtmarkt um rund 10 Prozent in den Keller gerutscht. Seit Januar steht allerdings ein Plus von 15 Prozent
Lukrative Trendprodukte
Für Anheuser-Busch kommt der Boom von Spezialitäten wie Craft Beer oder Cider gerade recht. Im ersten Quartal hat der Marktführer auch dank seiner höherpreisigen Trendbiere trotz rückläufigem Umsatz einen kräftigen Gewinnsprung verbucht. Unterm Strich lag das Ergebnis des amerikanisch-belgischen Konzerns mit etwa 3,1 Milliarden US-Dollar gut 70 Prozent über dem Vorjahr. Auch die kräftig gestiegenen Gewinne aus Finanzgeschäften hätten die Ergebnisse aufpoliert. Die Aktie von Anheuser-Busch hat seit Jahresbeginn von 92,46 auf 108,10 Euro zugelegt. Spekulation beflügelt Diageo-Aktie
Gerüchte hinsichtlich einer Übernahme von Diageo (WKN 851247) durch den Brasilianer Jorge Paulo Lemann hat in dieser Woche der Aktie des britischen Spirituosenherstellers einen Schub von fast 8 Prozent verliehen, wie Vrbsky beobachtet. Aktuell notiert der Wert in Frankfurt bei 26,20 Euro. "Medien berichten, dass Lemanns Private-Equity-Firma 3G an den Engländern interessiert ist." Ganz abwegig findet der Händler einen derartigen Vorstoß nicht. "3G ist bereits mit Engagements bei Anheuser-Busch und Kraft Heinz erfahren in der Lebensmittelbranche." Zudem habe Diageo mit Marken wie Johnnie Walker, Smirnoff Vodka und Guinness Bier im vergangenen Jahr eine unterdurchschnittliche Performance hingelegt. Das wecke Begehrlichkeiten. (dpa)