Schluss mit Durchschnitts-Pils - der Biermarkt wird neu gemischt

29.06.2015 - Deutschland

In den USA hat der Ausverkauf auf dem Biermarkt längst begonnen. Seit Jahren entwickelt eine steigende Zahl unabhängiger Kleinbrauereien neue Biersorten, verpasst ihnen ungewöhnliche Namen und hat damit eine ganz neue Szene von Bierliebhabern begründet. Jetzt passiert das Unausweichliche: Die großen Braukonzerne kommen und wollen sich auch etwas von steigenden Umsätzen mit dem sogenannten Craft Beer abzapfen.

AB Inbev (Beck's, Budweiser) kaufte zuletzt die Brauereien 10 Barrel Brewing im US-Bundesstaat Oregon, Blue Point auf Long Island und die Elysian Brewing Company aus Seattle. SAB Miller (Pilsner Urquell, Grolsch) pirscht sich mit der Übernahme der britischen Meantime Brewing Company an die europäischen Bierliebhaber heran. Wann wird auch in Deutschland der erste Craft-Beer-Brauer schwach?

"Ich warte eigentlich nur darauf, dass das hier zum ersten Mal passiert", sagt Nina Anika Klotz, Autorin des Craft-Beer-Blogs Hopfenhelden.de. "Denn dass große Hersteller damit Erfolg haben, unter ihren eigenen Markennamen Craft Beer zu verkaufen, würde ich sehr bezweifeln. Das passt nicht zur Idee der Szene."

Aber was ist diese Craft-Beer-Idee? Was ist überhaupt Craft Beer?

Die Frage ist zumindest in Deutschland noch nicht geklärt. Craft heißt auf deutsch Handwerk. Es geht also um handwerklich gebrautes Bier. Für viele in der Szene ist Unabhängigkeit von großen Konzernen wichtig und der Geschmack soll sich vom üblichen Pils-Mainstream abheben.

Verlässliche Zahlen zum Craft-Beer-Absatz in Deutschland gibt es nicht, aber laut Statistischem Bundesamt steigt die Zahl aller Brauereien - man kann davon ausgehen, das dies überwiegend kleine Hersteller sind.

Mit herkömmlichem Bier lassen sich zumindest in Europa und den USA kaum noch Umsatzsteigerungen erzielen. Der Bierabsatz geht dort seit Jahren zurück. Die Braukonzerne versuchen deshalb, ins sogenannte Premium-Segment zu kommen, sprich: Biere zu verkaufen, für die ihre Kunden mehr Geld zahlen.

Craft Beer gehört definitiv dazu. Bei zwei Euro für die 0,33-Liter-Flasche geht es in der Regel los, man kann aber auch locker mehr als 20 Euro auf den Tisch legen. Das liegt zum einen daran, dass Craft Beer sich einfach für mehr Geld verkaufen lässt.

Zum anderen werden für die Herstellung aber oft auch mehr Hopfen und Malz - für intensiveren Geschmack - verwendet. Die Einkaufspreise der Rohstoffe für kleine Brauereien sind außerdem natürlich deutlich höher als für Beck's & Co.

Und wenn große Konzerne jetzt auch ins Craft-Beer-Business einsteigen, könnte sich das noch verschärfen. Georg-Augustin Schmidt trinkt einen Schluck von seinem Frankfurt Pale Ale. Er ist eigentlich Immobilien-Sachverständiger, hat aber im vergangenen Jahr die Mikrobrauerei Braustil eröffnet, auf dem Gelände einer ehemaligen Tankstelle im Frankfurter Nordend.

Einen Wettbewerb mit großen Konzernen um seine Kunden fürchtet er zwar nicht, aber die Nachfrage nach speziellen Hopfensorten sei schon jetzt sehr hoch. "Wenn jetzt immer mehr Braukonzerne anfangen, Sorten aus der Craft-Beer-Szene nachzubrauen, dann dürfte die hohe Nachfrage zu noch höheren Hopfenpreisen führen."

Beck's versucht, seit knapp zwei Monaten unter dem eigenen Markennamen unter anderem Pale Ale zu verkaufen - eine Biersorte, für die helles Malz verwendet wird. Beim Brauen verwenden sie die Hopfensorte Cascade, die in der Craft-Beer-Szene beliebt ist.

Der Start der neuen Biere sei "sehr erfolgreich gelaufen", sagt ein Sprecher der Beck's-Mutter AB Inbev, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Man wolle die neue Produktlinie auch nicht als Craft Beer verkaufen und den Kunden etwas vorgaukeln. Aber den Wunsch der Verbraucher nach neuen Biersorten wolle Beck's trotzdem erfüllen.

Dass der Konzern nach den Übernahmen in den USA auch in Europa beginnt, Craft-Beer-Brauer aufzukaufen, hält der Sprecher für unwahrscheinlich. "Aktuell kommt das für AB Inbev nicht infrage. Es ist im Moment eher unsere Strategie, zum Beispiel Marken wie das belgische Leffe nach Deutschland zu holen." Das belgische Bier geht geschmacklich auch in die Richtung einiger Craft-Beer-Sorten.

Bei Braustil in Frankfurt ist es derzeit ziemlich unwahrscheinlich, dass eine Großbrauerei als Käufer anklopft. Die Firma nehme zwar schon jetzt mehr ein als für den Anfang geplant war, sagt Braustil-Chef Schmidt. Aber mit einem Ausstoß von 660 Hektolitern im Jahr seien sie "einfach zu klein für einen Braukonzern".

Er könnte Recht haben, denn in den USA hat der Craft-Beer-Markt inzwischen ganz andere Dimensionen. Blue Point, die AB Inbev Anfang des Jahres kaufte, hatten 2013 einen Bierausstoß von mehr als 70 000 Hektolitern - also mehr als das Hundertfache der Frankfurter./fri/DP/stb (dpa) 

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