Milchbauernpräsident Folgart: Milchbauern benötigen Unterstützung Politik, Lebensmittelhandel und Molkereien sind gefordert
"Der aktuelle Milchauszahlungspreis ist für unsere Milchbauern nicht kostendeckend. Eine deutliche Preiserholung ist dringend gefordert, ansonsten werden zahlreiche Milchviehbetriebe in ihrer Existenz gefährdet". Dies stellte der Milchbauernpräsident und Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Udo Folgart, in einem Pressegespräch in Berlin fest. Um eine Wende zu erreichen, sei ein Bündel von Maßnahmen notwendig. Dazu zählte Folgart eine Verbesserung der Molkereistrukturen, eine Exportoffensive sowie ein Ende der Niedrigpreisstrategie des Lebensmitteleinzelhandels, so dass Investitionen in geforderte höhere Standards auch verdient werden können. Außerdem müssten politische Initiativen zur Aufhebung des Russland-Embargos ergriffen werden. Die Zusatzeinnahmen aus der Milchquoten-Superabgabe der EU müssten zur Überbrückung der Liquiditätsengpässen, die vor allem im russischen Importembargo begründet liegen, verwandt werden. Das DBV-Präsidium hatte bereits im Juni 2015 in einer Erklärung sehr dezidiert diese Handlungsoptionen beraten und beschlossen.
Folgart zeigte auf, dass die heimischen Milchbauern ihre Milchproduktion auch nicht nach dem Ende der Milchquote (1. April) nicht erhöht hätten. Im ersten Halbjahr 2015 hätten die deutschen Milchbauern knapp ein Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum gemolken. Auch in der EU ist die Milchproduktion im gleichen Zeitraum in etwa stabil geblieben (plus 0,2 Prozent). Die Erzeugerpreise seien jedoch von 40 Cent je Liter Milch im Januar 2014 auf unter 28 Cent im Juli 2015 abgestürzt. "Dieser massive Preiseinbruch wurde durch das Russlandembargo sowie durch konjunkturelle Schwächen in für den Export wichtigen Drittländern verursacht. Hinzu kommt der Lebensmitteleinzelhandel, der seiner Verantwortung nicht gerecht wird und seine Marktmacht ausnutzt. Er fordert immer höhere Standards von uns Bauern und setzt gleichzeitig seine Niedrigpreisstrategie fort. Deswegen müssen gerade auch die genossenschaftlichen Molkereien ihre Verhandlungsposition durch Strukturanpassungen und Angebotsbündelungen verbessern", forderte Folgart.
Zur Unterstützung der Milchbauern schlug Folgart erneut die Verwendung der Strafzahlungen des letzten Milchquotenjahres (Superabgabe) für Exportmarketing sowie für direkte Einkommenshilfen vor. "Die Exportoffensive muss die Erschließung neuer Märkte durch eine Ausweitung der europäischen Absatzförderung und den Abbau veterinärer Handelshemmnisse umfassen." Liquiditäts- und Bürgschaftsprogramme müssten zusätzlich den Betrieben kurzfristig Luft verschaffen. Die Landwirtschaftliche Rentenbank habe hierzu schon ein erstes Angebot entwickelt. Auch die beantragten EU-Direktzahlungen müssten von den deutschen Behörden unbedingt noch vor dem Jahresende an die Landwirte ausgezahlt werden, fordert der DBV.
Der Milchbauer und Vizepräsident des Landvolks Niedersachsen, Heinz Korte, forderte eine weitere Flankierung: "Die vom Bauernverband seit Jahren geforderte Risikoausgleichsrücklage, die der deutschen Landwirtschaft bisher nicht ermöglicht wurde, würde in diesen schweren Zeiten den Milch- und Schweinehaltern bei der Erhaltung der Liquidität ihrer Betriebe helfen", stellte Korte fest. Auch die Auflagenflut habe enorme Folgen für die Betriebe. "Die Düngeverordnung, neue Vorgaben zur Lagerung von Gülle und weitere Auflagen für den Tierschutz heizen angesichts der Marktentwicklung den Strukturwandel bei den Milchbauern an, gerade bei den kleinen und mittleren Betrieben", kritisierte Korte.
"Bei meinen Berufskollegen auf den Höfen herrscht eine bedrückte Stimmung. Frust und Wut wegen des massiven Preisdrucks des Lebensmitteleinzelhandels und wegen der Flut von kostenaufwändigen Auflagen durch die Politik von Bund und Ländern nehmen zu", erläuterte Korte. Er erhalte derzeit mit 27 Cent je Liter Milch 10 Cent weniger als vor einem Jahr. Dies mache für seinen Betrieb mit 200 Kühen und 1,9 Millionen Kilogramm Milch einen Einnahmeverlust aus, der sechsstellig sei. "Der Betrag fehlt uns jetzt, um Investitionen in mehr Tierwohl oder in Verbesserungen des Umweltschutzes zu tätigen. Jetzt gilt es kürzer zu treten", fügte Korte an. Durch die niedrigen Milchpreise würden geschätzt rund 30 Prozent der Milchbauern große Liquiditätsengpässe haben.
Frust unter den Milchbauern erzeuge auch die augenblickliche gesellschaftliche und mediale Diskussion und Darstellung der Milchviehhaltung. Nach Gesprächen mit den Veterinärämtern in Niedersachsen hätten diese den Milchbauern bescheinigt, dass in "95 Prozent der Milchviehbetriebe die Haltungsbedingungen in Ordnung seien." Die öffentlichen Darstellungen ließen zum großen Ärgernis der Bauern jedoch andere, falsche Schlussfolgerung zu. "Um in mehr Kuhkomfort investieren zu können, muss mit der Milchproduktion vorher aber auch Geld verdient worden sein. Das Marketing des Verkaufs des Lebensmitteleinzelhandels mit "Wir lieben Lebensmittel" oder "Woran erkennt man gute Qualität" passe nicht zur Niedrigpreisstrategie des Einkaufs.
Trotz der aktuell schwierigen Situation in den meisten Agrarmärkten berichtete Korte von stabilen Ausbildungszahlen. Die Jugend sehe in der Landwirtschaft eine Zukunftsbranche und wolle als Unternehmer tätig sein. Eindeutig abgelehnt würde ein Rückfall in eine Agrarpolitik mit staatlich geregelten Märkten.