Einzigartiges Grundwasserprojekt: Mit Brot das Trinkwasser schützen
Wenn Matthias Engel in seiner Backstube den Teig für sein Walnuss-Karotten-Brot mischt, tut er etwas Gutes für das Grundwasser der Region. Denn der 30-Jährige nimmt dafür ausschließlich Getreide, das weniger gedüngt wurde als haushaltsüblicher Weizen. «Die Verarbeitung in der Backstube ist schon eine Herausforderung», gibt der Bäckermeister zu, während er gemeinsam mit seinem Vater am frühen Morgen den Teig zu kleinen 600-Gramm-Laiben formt und auf ein großes Blech legt. Denn das Mehl hat einen geringeren Proteingehalt und der hat Auswirkungen auf die Stabilität des Teigs. «Man muss diesen Teig länger ruhen lassen, langsamer kneten und mit Vorteigen arbeiten. Man braucht dafür einfach mehr Zeit», zählt Engel auf.
Er war einer der ersten Bäcker, der 2014 bei dem deutschlandweit bislang einzigartigen Projekt mitgemacht hat. Mittlerweile beteiligen sich mehr als ein Dutzend Unternehmen der Branche sowie drei Landwirte und drei Wasserversorger aus der Region. Ins Leben gerufen hat das Projekt die Regierung von Unterfranken. «Unterfranken hat die nitratreichsten Böden, obwohl hier im bundeslandweiten Vergleich am wenigsten mit Gülle gedüngt wird», sagt Regierungsdirektor Christian Guschker. Er leitet das Grundwasserschutzprojekt. Die Gründe für diese schlechten Werte sind der vergleichsweise geringe Niederschlag in Unterfranken sowie durchlässige und flache Böden. «Deshalb geht der Dünger schnell, unverdünnt und ungefiltert in das Grundwasser.»
Die Regierung habe deshalb das Ziel, schon an der Quelle etwas zu tun: bei den düngenden Landwirten. Drei Landwirte der Region düngen ihren Weizen mittlerweile nur noch zwei statt dreimal. Das hat Auswirkungen auf den Eiweißgehalt des Getreides. Der ist geringer.
Deshalb erhalten sie von den Wasserwerken Ausgleichszahlungen für den Verlust, den sie bei den Mühlen machen. Denn für Weizen mit geringem Proteingehalt gibt es weniger Geld vom Müller.
Die Wasserversorger der Region nehmen bislang mehrere Hunderttausend Euro jährlich für Ausgleichszahlungen an die Grundwasserschutzbrot- und andere Landwirte in die Hand. 150 Euro gibt es pro grundwasserschonend bewirtschafteten Hektar. Und die Auswirkungen seien bereits spürbar. «Das merken wir in der Tat. Das Wasserschutzgebiet Sulzfeld Marktstedt war in den 90er-Jahren ein Problemgebiet. Nun haben wir über 15 Jahre hinweg den Nitratanteil unter 40 Milligramm pro Liter senken können», sagt Werkleiter Hermann Löhner von der Fernwasserversorgung Franken.
Für den Bund Naturschutz Deutschland ist dieses Konzept zumindest ein erster Schritt beim Grundwasserschutz. «Das ist ein Ansatz, der in die richtige Richtung geht», sagt Agrarreferentin Marion Ruppaner vom Landesverband Bayern. «Dennoch ist ein Bio-Brot, für das überhaupt kein Mineraldünger eingesetzt wird, schon besser», sagt die Expertin weiter. Das Projekt konzentriere sich zudem vor allem auf Trinkwasserschutzgebiete. «Wichtig wäre jedoch, den Grundwasserschutz auf allen landwirtschaftlichen Flächen voranzubringen.»
Für die Gesundheit bringt das Brot mit leicht geringerem Eiweißgehalt dagegen wenig. «Das dürfte keinen großen Unterschied machen», sagt Ernährungsmediziner Andreas Pfeiffer vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung. «Ungesund ist es aber sicherlich auch nicht, denn wir essen eher zu viel Eiweiß in unserer Kultur», so der Experte.
Wissenschaftlich betreut wird das Projekt vom bundesweit aktiven Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Fibl). Das hat auch Backtests mit dem vermeintlich «schlechteren» Getreide gemacht. Das Fazit war deutlich: «Die Backtests haben ergeben, dass der Weizen mit verringertem Eiweißgehalt mehr als ausreichend für ein gutes Back-Ergebnis ist», sagt Fibl-Vermarktungsexpertin Nicole Nefzger.
Diese Information sei auch für die Landwirte und Müller wichtig. «Bislang stehen die Landwirte unter Zugzwang, entsprechend hochgezüchteten Weizen zu generieren», sagt Nefzger weiter.
Bei der Bäckerei Engel im unterfränkischen Retzstadt ist das frisch geknetete Grundwasserschutz-Brot nach 35 Minuten im 235 Grad Celsius heißen Ofen knusprig gebacken. Noch während des Backens in den frühen Morgenstunden hatten Kunden telefonisch mehrere dieser Brote vorbestellt. «Das Brot ist nach fast zwei Jahren mittlerweile fest im Sortiment etabliert. Wir backen wöchentlich rund 60 bis 70 Brote», sagt Bäckermeister Engel. 2016 will er auch andere Produkte mit dem besonderen Mehl backen. Dafür hofft er auch mehr teilnehmende Landwirte und gutes Wetter. «Denn das Getreide ist ein Naturrohstoff und wir sind extrem flächen- und wetterabhängig. Und bislang gibt es meiner Meinung nach zu wenige Anbauflächen dafür.» So könnten auch Ernteausfälle schlecht ausgeglichen werden. (dpa)