Hehre Hülsenfrüchte: Von wegen nicht die Bohne

27.01.2016 - Schweiz

Die UNO hat 2016 zum internationalen Jahr der Hülsenfrüchte erkoren. Doch warum gebührt diesen Früchten derartige Ehre? Erbse, Bohne, Linse und Co bergen das Potenzial, die globale Landwirtschaft schonend zu intensivieren. Sie verdienen es darum klar, dass wir uns stärker für sie interessieren.

Hülsenfrüchte sind die Früchte der Pflanzen der botanischen Familie der Fabaceen, auch Leguminosen genannt. Sie sind die drittgrösste Pflanzenfamilie der Welt – nach den Orchideen und den Korbblütlern – und enorm vielfältig: Manche ihrer Arten sind wunderschön und empfindsam wie etwa die Mimosen. Andere sind wichtige Protagonisten unserer Agrarwirtschaft, wie Soja, Erbse, Linse und eben die diversen Bohnen. Dennoch interessieren wir uns wenig für sie – zu wenig aus Sicht der FAO, die daher 2016 zum Jahr der Hülsenfrüchte ausgerufen hat. [1] Die wahre Stärke der Hülsenfrüchte ist für uns nicht einfach zu erfassen. Nicht ihr Ertrag, ihre Schönheit oder ihre Macht, sondern ihre verborgenen inneren Werte machen sie aus. Die Hülsenfrüchte sind nicht die Kennedys, Windsors oder Kardashians der Pflanzenszene, sondern eher die Gandhis. Sie sollten uns deswegen interessieren, weil sie uns eine nachhaltigere Landwirtschaft mit schonender Intensivierung versprechen.

Das Erfolgsgeheimnis der Hülsenfrüchtler

Nahezu alle Mitglieder der Fabaceen können eine Symbiose mit Bakterien eingehen, die sie von der normalen, beschwerlichen Versorgung mit Stickstoff befreit. Klingt nach Askese, erlaubt aber grosse Freiheit. Stickstoff ist ein essentieller Nährstoff für Pflanzen, der in unserer «industrialisierten» Landwirtschaft in Form von Ammoniumnitrat oder ähnlichen mineralischen Verbindungen meist im Übermass dem Boden zugegeben wird, was zu Umweltproblemen führt, während er in den  Böden der tropischen Landwirtschaft fehlt. Stickstoff ist nur eines von über einem Dutzend mineralischer Nährelemente, die Pflanzen für ihr Wachstum benötigen, aber es ist für die meisten Pflanzen das Wichtigste; das, von dem die grössten Mengen erforderlich sind.

Partnerschaft mit Stickstoff-bindenden Bakterien

Wurzelknöllchen (Nodien). (Bild: Frank Vincentz / Wikimedia Commons)

Durch die Symbiose mit Bakterien vor allem der Gattung Rhizobium schaffen es die Leguminosen, eine andere Stickstoffquelle für sich zu erschliessen: Molekularen Stickstoff (N2), der in der Luft in rauen Mengen vorhanden, aber für normale Pflanzen nicht verwertbar ist. Die Bakterien können N2 mit speziellen Enzymen in Ammonium umwandeln. Hierfür verwachsen sie mit Wurzelzellen der Pflanzen und bilden dort kleine «Nodien» – Knöllchen von wenigen Millimetern Durchmesser, die zu tausenden aus den Wurzeln herausragen wie die Enden eines überdimensionalen, fragilen Geweihs. So kommen die Nodien mit der Luft der Bodenporen in Kontakt, um N2 aufzunehmen. Nach der Umwandlung gelangt das nun verwertbare Ammonium in den Stoffwechsel der Pflanzen. Da es sich um eine Symbiose, also eine partnerschaftliche Zusammenarbeit handelt, bekommen die Bakterien auch einen anständigen Lohn dafür: Die Pflanze versorgt sie für jedes Gramm Stickstoff mit etwa zehnmal so viel Kohlenstoff, den sie aus ihrer Photosynthese abzweigt.

Proteinspender und Überlebenskünstler

Bohnen erlauben eine ausgewogene Ernährung. (Bild: Sayan Samana / Colourbox)

Diese einträgliche Partnerschaft nutzen die Familienmitglieder der Fabaceen für unterschiedliche Zwecke. Manche haben sich zu «Hungerkünstlern» entwickelt, die insgesamt nur wenig Stoffliches aus dem Boden extrahieren müssen – man findet daher in dieser Familie Arten wie den Palo Verde Baum in den Wüsten der USA, der mit wenig Wasser in den sandigen Böden gedeiht, wo sonst nur Kakteen überleben können. Andere Arten haben sich darauf spezialisiert, ihren Nachkommen möglichst viele Speicherstoffe in Form von Proteinen mitzugeben. Proteine sind aus Aminosäuren aufgebaut, die wiederum einen hohen Stickstoffanteil haben. Hülsenfrüchtler, die diese Strategie verfolgen, domestizierte der Mensch wegen ihrer proteinreichen Samen bereits früh in der Geschichte. Vor allem im heutigen Indien und China gibt es daher viele Arten und Sorten von Bohnen, wie die Mungbohne oder Adzukibohne.

Warum uns Bohnen begeistern sollten

Es sind diese einjährigen Körnerleguminosen (im englischen ‚pulses‘ genannt), die die FAO 2016 etwas mehr ins Zentrum des weltweiten Interesses rücken möchte. Ihre Samen, die zu mehreren hintereinander in den namengebenden Hülsen heranwachsen, haben mit ihrem Proteinreichtum das Zeug dazu, eine ausgewogene Ernährung auch ohne Fleischkonsum zu ermöglichen. Ihr Anbau kann in der Regel ohne Zufuhr von mineralischem Stickstoff geschehen und ist daher per se mit weniger schädlichen Nebenwirkungen verbunden. Fruchtfolgen profitieren stark vom Einsatz von Hülsenfrüchten alle paar Jahre: Da nach der Ernte eine stickstoffreiche Wurzelstruktur als Humus im Boden verbleibt und da das ‚Basisdepot‘ des Bodens an Stickstoff nur wenig beansprucht wird, hat auch die nachfolgende Kultur noch etwas von der vormaligen Zusammenarbeit zwischen Bohne und Bakterium.

Mehr Hülsenfrüchte für die Welt!

 Die Welt aus Hülsenfrüchten. (Bild und Illustration: Franziska Schmid / ETH Zürich)

All dies sind gute Gründe dafür, sich einen umfangreicheren Anbau von Hülsenfrüchten in nahezu allen Teilen der Welt zu wünschen. Dabei sollte uns nicht nur ‚die Bohne‘ interessieren, sondern auch ihre Verwandten Erbse, Soja, Lupine, Linse, Erdnuss, Klee und wie sie alle heissen (um Soja dreht sich übrigens der zweite Teil dieser Miniserie). Wenn wir als Konsumentinnen und Konsumenten die Nachfrage für diese Produkte erhöhen, wäre die Welt etwas mehr Gandhi und weniger Kardashian.

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